123456789101112131415161718192021222324252627282930313233343536373839404142434445464748495051525354555657585960616263646566676869707172737475767778798081828384858687888990919293949596979899100101102103104105106107108109110111112113114115116117118119120121122123124125126127128129130131132133134135136137138139140141142143144145146147148149150151152153154155156157158159160161162163164165166167168169170171172173174175176177178179180181182183184185186187188189190191192193194195196197198199200201202203204205206207208209210211212213214215216217218219220221222223224225226227228229230231232233234235236237238239240241242243244245246247248249250251252253254255256257258259260261262263264265266267268269270271272273274275276277278279280281282283284285286287288289290291292293294295296297298299300301302303304305306307308309310311312313314315316317318319320321322323324325326327328329330331332333334335336337338339340341342343344345346347348349350351352353354355356357358359360361362363364365366367368369370371372373374375376377378379380381382383384385386387388389390391392393394395396397398399400401402403404405406407408409410411412413414415416417418419420421422423424425426427428429430431432433434435436437438439440441442443444445446447448449450451452453454455456457458459460461462463464465466467468469470471472473474475476477478479480481482483484485486487488489490491492493494495496497498499500501502503504505506507508509510511512513514515516517518519520521522523524525526527528529530531532533534535536537538539540541542543544545546547548549550551552553554555556557558559560561562563564565566567568569570571572573574575576577578579580581582583584585586587588589590591592593594595596597598599600601602603604605606607608609610611612613614615616617618619620621622623624625626627628629630631632633634635636637638639640641642643644645646647648649650651652653654655656657658659660661662663664665666667668669670671672673674675676677678679680681682 |
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- <title> Narben </title>
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- <!-- author: MT, written ca: 2008-->
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- <h1>Narben</h1>
- <h2>Exposé</h2>
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- Die zentrale Figur der fragmentarischen Erzählung „Narben“ trägt den un-wirklichen Namen „Napooh“. Ein Zuviel an Bildungsgütern hat ihn zu sehr verwirrt, als dass er darin einen Halt noch finden könnte. Hier und da bekommt der Leser zwar etwas von der unbekömmlichen Kost des Eigenbrödlers „Napooh“ zu schmecken, wird im Grossen und Ganzen aber davon verschont. Sowenig die höhere Kultur ihm zu einem sicheren Stand in ihrer selbst hat verhelfen können, so sehr hat sie ihn für die brauchbare Wirklichkeit restlos verdorben. Oder, um mich genauer auszudrücken, seine Untauglichkeit im Umgang mit sich und den Anderen wenn nicht hervorgerufen, so doch verstärkt.
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- In lose zusammenhängenden Blicken auf die alltäglichen Banalitäten ist die übliche Einheit von Person und Handlung von Beginn an zu einem Bruchstück zerfallen. Für das Publikum wie, und das ist eher ungewöhnlich, auch für den Autor. Von daher ist der ungehemmt beliebigen Interpretation des seltsamen Textes Tür und Tor geöffnet. (Die liederlichen Schmähreden in Bezug auf die deutschen Zustände, die der Autor gelegentlich einwirft, können als politische Verwirrung und Privatmarotte getrost zur Seite geschoben werden.)
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- Wie es das Motiv vorgibt wird zum Ende, als bloßen Abbruch der Worte, nichts zu einem guten oder schlechten Abschluss gebracht, da im eigentlichen Sinne nichts einen Anfang genommen hat. Der Höhepunkt der erzählbaren Handlung liegt, wenn wir so möchten, vor der nichtigen Zeit, von welcher wir hier zu hören bekommen. Nicht ohne schallend über die Ohrfeige darinliegend lachen zu können. Hoffe ich.
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- <h2>Kapitel Eins</h2>
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- :\ „...Wenn das mal gut geht mit der Geldübergabe, meine Hände zittern ja wie Espenlaub. Und das im Juli, zur Winterzeit könnte ich möglicherweise noch etwas Murmeln. Von wegen: „Kalt heut wieder, was?“ Wer sich ungefragt erklärt, dem steht die Ausflucht auf der Stirn geschrieben, also still fluchen, Augen zu und durch. Immerhin ließe sich die Hürde, seiend wie der Tremor, mit dem Stab der Sprache überspringen: Preiset die Floskeln, und der Alltag ist euch Untertan. Einkaufen lässt sich dauerhaft nur schwer vermeiden; und wie lang das jetzt schon so geht, mit der unbeirrten Zitterei. Einmal in der Woche muss ich damit mindestens über die Glut der Welt hasten, auf meinen nackt zerrissenen Sohlen. Wie ein natürliches Gift mit in das Geschenk des geschäftigen Lebens gegeben, der Trieb zur Erhaltung: Die Freiheit uns selbst in dieser Frage unterschlagen.
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- Also wie weiter? :
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- Auch so eine unbrauchbar-verbeulte Binsenweisheit der bürgerlich-moralischen Meute, das: „Wenn Sie das wiederholen und trainieren, haben sie sich über kurz oder lang daran gewöhnt“ („Und? Hasse dich dann dran gewöhnt?“:) Von dran gewöhnen kann –zumindest bis heute- keine Rede sein. So peinlich das klapprige Fuhrwerken der Hände, dass mir ganz flau im Magen und ganz mulmig im Schädel ist. Wenn ich mal nur nicht aus den Latschen kippe.
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- „Psychosomatisch das ganz komplexe Symptom-Bild“, (=Desaster) so klipp und klar kann man die Sache natürlich auch mal betrachten. Aus einer gewissen Distanz, versteht sich. Also munter das Verhalten zurechtgezimmert im täglichen Training. (Wissen die Schlauberger von Seite achtzig der Schmonzette, wovon sie, als die Trümmerreste einer Seele, so mühe=maßlos immerzu nur schwätzen? Gewissermaßen im Vorbeigehen? Gleichsam überheblich?)
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- Vor mir:
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- Der Wagen lässt sich ohne Widerstand von seinem vorübergehenden Eigentümer läppisch über den Linoleum-Boden schieben. Elegant wie die Enterprise gleitet das Geschmiege schnaufend durch den sperrigen Orkus: Opulente Herrlichkeit dessen, was seiend seufzt-und-weiter-ist. (All-äh-so: die Mensch-Maschinen, und überhaupt die Modernde\Technik). Geil das alles. Gesetzt den Fall, dass man geizig ist, selbst im Verschwenden noch (Von wegen Nietzsche: Ich liebe den, dessen Seele übervoll ist, und so weiter, im Zarathustra, schätze ich). Mir jedenfalls ist alles andere als warm um die Lenden geworden, trotz der Schnäppchen und sonderbaren Angebote im Selbstbedienungsgeschäft: Im Gegenteil, Hören und Sehen ist mir vergangen, ohne das der Verstand mir deswegen schon aufgegangen wäre. Von der wissend wirklichen Vernunft mal ganz zu schweigen. Und das mitten im schutzlosen Sommer. Der sonst doch so stringent ist, in der Kraft der Beweisführung: für das Leben, und die entsprechend liegenden Begierden. Auslieferung aller Sinne an den Reiz da draußen. Als Kapitulation verstanden.
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- „Der Hund darf hier aber nicht rein“, keift blökend die Kassiererin der erschöpften Kreatur vor mir entgegen. Will wohl auch mal was zu melden haben. „Als ob ihr das nicht egal sein könnte“, wüte ich in mich rein. Der Wagenschieber will gar nicht wahr haben, dass er gemeint sein könnte, so voll ist der schon. Na ja, bei der Hitze. Hat aber sicherheitshalber noch mal für Nachschub gesorgt. Tetrapack, Landfusel, weiß. Das kann ja heiter werden. Der Hund fühlt sich gar nicht wohl, und versteckt seinen Stummelschwanz, so gut es eben geht, zwischen den klappernden Beinen. (Wie heißt das eigentlich bei Hunden, das Fahrwerk meine ich? Läufe? Läufig wie ein Hund, sagt man im Volksmund, aber hat das was mit den Beinen zu tun? Ich werd nicht müde werden, mich zu wiederholen: die Welt ist ein Irrgarten. Und verwildert ist er auch.) Er leidet sichtlich, wie nur Hunde leiden, mit geräumig großen Augen dafür. Ohne falsche Scham und Ehre. Er würde wohl gerne raus hier, ist aber, wie üblich unter Menschen, an seinen Herren gekettet. „Da“, denke ich unverhofft versöhnlich, „sind sich ja mal drei Menschen (drei Menschen? Lassen wir das Wüten der Spitzfindigkeiten, es geht jetzt ums Ganze) einig. Ohne Streit und große Worte: Ich, der Hund und die Kassiererin, wir wären wohl alle drei gerne in einer anderen Falte der Welt gelandet.“. Das wäre nu wahrlich nicht und wirklich nicht nach dem Geschmack des unbewegten Bewegers. Wo kämen wir denn da hin? Wenn jeder sich einen eigenen Begriff von seinen Bedürfnissen machen würde? Chaos! Folgerichtig wir drei bis auf weiteres in der Strafkolonie (Kafka, Franz, tot jetzt). Mit Streckbank und Kneifzange, also den menschlichen Möglichkeiten ausreichend ausgestattet, jeder von uns dreien. Man soll nicht sagen, dass sich der alte Herr und Weltenlenker nicht eine umfangreiche Ordnung ausgedacht hätte. Und das in sieben Tagen.
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- Urknallt mir doch so`n Suppenhuhn hintenrum das Alugeflecht in die Hachsen (Ich lass mir lieber nichts anmerken. Erstens sind Geist und Zunge wie getrocknet. Und zweitens kommt eh nichts bei rum). Sagt: „Schuldigung“, -und döst weiter dem Feierabend entgegen. Sie versucht noch, mit mindestens paarundvierzig, die Göttin der Venus in sich zu entdecken…: Mir fallen die schönen Schenkel, heißglatt und elfengewachst, in die Gier beider Augen (ohne gezupftem Halbmond darüber, nicht mehr als Strich). Und die schmollmündigen Knorpel=Knospen springen mir, wie aller Konkurrenz als stiller Zeuge der belebten Szene dort, Push-Up aus beiden Busen dort entgegen. Buchstäblich. …Wenn’s sonst keiner tut. Mit den jungen Hüpfern kann sie trotz-allem (=zu-ihrem-sichtbaren-Verdruss) nicht mehr mithalten. Kurzer Blick, gebärdenstark verstohlen, in ihren Wagen. Sie hat aber nur den üblichen Frauenkauf erledigt: Obst, Gemüse und Süßkram. Komische Mischung das, passt gar nicht zusammen, aber versteh einer mal das schwache Geschlecht. Sie fühlt sich auch gleich angriffslustig ertappt davon, und ich guck in John Wayne Manier in die Fluchtpunktferne. Als ob da irgendwas zu sehen wäre, denken wir beide. Und von Ferne kann man hier auch nicht sprechen, so geklemmt eng, wie das Regal zur Verfügung gestellt worden ist. (Ob die Anderen das auch als eine einzige Beleidigung ansehen, die funktional-praktische Zurichtung der Welt? Muss man wohl über sich ergehen lassen. Ohne zu Murren oder sich zu Wundern) In der Schlange gibt’s an Gesichtern und Gliedern auch nichts weiter zu spähsuchen. Ich dreh ich mich v o r s i c h t i g wieder um, so wie es sich gehört, und unauffällig duckmäusig unter ihrem Rachekorps vorbei. Jetzt bloß nicht noch mal auffallen, umso mehr Leute beobachten dann mit Freude meinen Reinfall an der Kasse. Und lachen sich was ins Fäustchen.
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- „Wennse-den Laden nich-verlassen muss ich die Polizei rufen, machen-se kein`n Ärga“. Leise das, und besonnen ruhig. Dem Leiter ist der Vorfall mit dem Hund also auch schnuppe, aber die Kassiererin hat ihn gerufen. Wartet wahrscheinlich schon länger auf die Gelegenheit, ihm bei nächsthöherer Stelle mal eins auszuwischen. Ist ja auch nicht grade lustig, auf der Arbeit wie von einer Meute wilder Hunde gejagt zu werden.
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- Der angeschlagene Halter versteht erst gar nicht, worum es geht. Versucht auch irgendwas zu sagen, in seinem Zustand ist aber nichts mehr zu machen. Brabbelt sich dem Ausgang entgegen, der Leiter guckt hinterher und schiebt den Wagen zur Seite. Könnt ihn ja auch leer-und wegräumen, aber das bleibt dem Personal vorbehalten. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Sofern man noch Zähne hat, versteht sich.
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- So, das alles ist auf dem Band. Eigentlich wollt ich ja nur auf die Schnelle eine Tiefkühlpizza im Doppelpack holen, aber wenn ich was auf der Tasche habe, lass ich es mir gut gehen: Sackäpfel, Bananen, Knäckebrot, Margarine und zweimal Salz. (2-mal Salz?): Nachher willwerde ich damit ein quickendes Fußbad nehmen, zwanzigminütig. Den meisten Dreck unter den Nägeln bekomme ich, laut Freundin Brigitte, so aufgeweicht mühelos, also im einmal Handrumdrehen, ab. Morgen ist er, hartnäckig wie er zu sein hat, dann putzmunter wieder da, aber ich habe das mir Mögliche getan. Hier und da auch mal Zähneputzen oder Duschen. Wie schaffen das die Saubermänner und Schwiegersöhne, allgegenwärtig als zwölfdutzend-Ware in neudeutschen Heimat-und Wissens(?)komödien zu haben, den Verfall der Zellmembran dauerhaft in Grenzen zu halten? Postmodern plural besteht die Auswahl zwischen ALG2-bedingtem Aldi-Stil und Gestank und topgepflegtem Cordjackett über dem oben leger-lächelnd aufgeknöpften Hemd. In den Achtzigern war das, denk ich doch, anders, wenn auch nicht besser (Zumindest wenn ich Fotos und Fetzen von Erinnerung als Beweismaterial in dieser Sache für vorläufig zulässig erkläre): Allgegenwärtiger Schmuddel- und Zottelluck (luck! = dig the diction-ary-an, falls in dieser Frage nötig), auch Lehrer und sonstige Aufsteiger. Heut könnt man sonichmalmehr Lagerhallen fegen. -Geschweige denn a life long…, also weitergebildet leiten.
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- Mehr als zehn Euro kann der Kram nicht kosten. Aber sicher ist sicher, ich nestle also, vorsichtig wie ich bin, einen Zwanziger aus meinem ledernen Geldetui. (Ich, der Schreibtäter, bin am Rhein geboren und könnt auch napoleonisch bedingt Portemonnaie sagen: Money makes the world go round, wie man weiß. Der begründeten Angst, dass die deutsche Sprache ausstirbt, will ich aber, falls mich einer lesen sollte, kein Futter geben. Überhaupt: „Die Deutschen sterben aus“, „die deutsche Sprache stirbt aus“ und so weiter. Was soll’s? Lassen wir mal die Kirche im Dorf. Dann spricht sich eben eine andere Sprache in der nordeuropäischen Ebene aus. Und wenn’s da keine Deutschen mehr gibt, gibt’s eben andere. Preußen, zum Beispiel, gibt’s heute auch keine mehr. Ich kann nicht sagen, dass mir was fehlt, in der Hinsicht. Oder es gibt sie doch noch und sie sprechen heimlich, sozusagen im stillen Kämmerlein, preußisch. Halb halbgebildet halb ungebildet hab ich mal wieder keine Ahnung, man weiß ja alles immer nur von ungefähr.) Mit dem zwanziger in der Linken steuere ich im Trott der Meute weiter auf die Kasse zu. Mit der Rechten muss mein Ich die Beute vom Band wieder blitzhektischschnell in Wagen feuern. Kaum hat sie das letzte Stück der Ware über den Scanner gezogen, muss ich ihr den Schein wie einen Dolch unter die Nase halten, um sie aus dem Hinterhalt zu überrumpeln. Sie sollte dann, so mein Plan, sofort und überfordert mit dem Wechselgeld zugange sein müssen, so dass sie mich gar nicht groß in ihren gallegrünen Augenschein nehmen kann. (Sagen wir Mal inspizieren, damit die Fremdwörter nicht auch noch aussterben). Der einzige Haken ist die Geldübergabe. Mein Zittern ist so stark, das kann die gar nicht übersehen. Ich bin dann aber, kaum gerät ihr Ressentiment in Rausch und Bewegung, schon so gut wie weg. Und alles ist vorbei. Nächste Woche werde ich dann in einen anderen Laden gehen, und danach hat sie mich schon wieder vergessen. Oder ich…“\
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- <h2>Napoohs Abendmahl, doppelt verdorben </h2>
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- Potzblitz und tausend tote Teufel: das ist nun doch ein dicker Hund. Napooh wird ohne umzuwegeln aus dem Knäuel an Gedanken befördert, das gerade eben noch sein Bewusstsein gewesen ist. Dinge an sich selber und sonstige Erscheinungen, aus dem großen unbekannten Dingsda geworden, fliehen das urknallige Getöse der Gefühle, in die Napooh sich geworfen findet.
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- \Das Wagnis des Weges, den er frei von Murren auf sich nahm, ist wohl nicht grambeugiges Ärgernis genug für einen wie ihn gewesen. Es könnte auch federleicht in Fäden stetig nieseln, aber wollt ihr nicht auch was zu lachen haben, für euer wohlverdientes Geld? Stauseenass die zerrissenen Sohlen, fletschte und flutschte das Holperwerk an Fußknochenbau also den Gehsteig entlang. Dem reißenden Fluss, himmel-abwärts gleich die fluchtpanische Horde, aus nassfeuchten Tropfen, trotzte Textilwerk nicht und Schirmgespann. Unbeirrt dem Wetter-wirrwarr harrend folgte Napooh dem höheren Auftrag, einmal in die überlebt und also todgeweihte Welt gerufen. Der letzte Rest an Menschheit ist nirgends nicht zu finden gewesen auf dem strotznassen Weg. Von Menschen-hand und Werk von daher gering der Verzug an Gefahr. Unter dem Himmel frei sich dem Lauf der Gedanken versenkend, war Napooh allein mit sich und den seinen. Waghalsig einzig der kurze Stückweg über den Pass mit Koloss an Licht- und Lärmgefolge. Die Flucht der Bewegung ließ von jetzt auf gleich sich nicht stoppen, von einem Bein setzend in das andere sich fort, und kam dennoch nicht mehr weiter: Hier. Das Ziel der Reise längst vor Augen, verzweifelnd wegen des himmel-schreigleichen Unrechts aus Wettergott und Menschenmotor, trat er stockend auf der Stelle ein und aus, und ein und aus: Jetzt. Die Finsternis gab den Blick frei in die Ferne, die Kette grellgrausigen Lichtbitzgewitters un-begrenzt endlos. Das tunnelendige Erwachen aus dem Alptraum dann doch, schweißnass schon. Erlöst: das nervenbündelige Tier von der Qual der Warterei, wasting once time fror a while. Die leiblichen Anhängsel wussten nach dem Stau an Spannung eckend und hackend nicht wohin. Napooh überließ sie ihrem Schicksal. Sein Trachten und Sinnen jetzt das verfängliche Strichwerk an Worten zum Ende spinnen, dass eben noch sein ganzes Reservoir an Kräften und Kontrollen in sich knotig verstrickt hatte. Zu früh gefreut:\
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- Der Innenraum hellt noch in die abenddüstere Ununterschiedenheit sein Versprechen an Leibwohligsein, wo längst die glashäutige Öffnung ihre Jung-fern-schaft eisern dem Bedürftigen verwehrt. Napooh wirft sich selber aus der Bahn und schrittwerts zurück in die Witterung. Zaghaftiges Versuchen verwehrt das bollwerkige Ungetüm abermalig, aber standhaft entschieden. Grobzorniges Dengeln verlässt die Kraft nach kurzem Ausbruch, und aufgeregte Verzweiflung weiß stelletretend kein Weiterkommen. Fernnah zum Greifen, dem Feierabend entgegen, geschäftige Verkaufsangestellte. Personen wie ein Schauspiel aus Masken ermutigen letztendlich und schüchtern zum Klopfen. Kopfschütteln da, unverständig, ernüchtert die Lage letztendlich als aussichtslos. Schluss dann. Ende. Und Aus.
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- Nichts zu machen hier, und toastiges Mahl ohne Rosenscharf auf bergigem Käse ist die Lockung, deren Ruf Napooh nicht zu hören gewillt ist. Niemals nicht. Keinesfalls darf das Licht der Welt in die Nacht entlassen werden durch solch schändlichen Frevel am leiblichen Wohl. Besser noch wolfsgleich magen-knurrend durch die nachtschattige Steppe hungrig traben, als nebelblass die Erinnerung sich einfleischen von aschgrau-fadem=nichts Halben nichts Ganzem. Überlegungen hier und dorthin bleiben unwegsam im Wirklichen stecken. Zu teuer, das ganze kurze Vergnügen, im lockend leuchtenden Discount, noch offen, gegenüber. Von der Laune dem Griesgram das Schnippchen zu schlagen (Sechserträger- und hörfunkohrverlängert dem Laufen der Dinge nur unbeteiligt noch beizuwohnen; also: davon) nicht übel angetan, muss Napooh Abstand halten. Außer Rand und Band: Er, Napooh, davon:
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- (Wie aus dem Nichts heraus, eventuelle? Oder plötzlich? Aber Nein -und Nein und noch mal dreimal Nein:) Ganz allmählich: nichtshauchig schlüpft tangagleich ein prall-saftiges Versprechen, sekundär geschlechtlich, in den regentropf-verschleierten Blick. Begierig scheel blickend dem Schlingern und Wingern entgegen (- aller Vernunft), stoßend und seufzend himmelwärts die geiselhaftige Gefangennahme in ungeahntem Verlangen. Napooh, zurückbleibend, treibt es karnickelgleich hinter dem lüster-schlänglichen Wiegen der hüftigen-Bewegung-da her. Sie, die Schwalbe, entschlüpft in gekonnter Übung dem dunkeleinsamen Nass der Strassen in die heimlich traute Höhle: Zentralgeheizt schwülwarm, das gesellig-private Beisammensein mit öffentlich-rechtlichem Kammingeflacker und knarrigem Knistergetöne.
- Taubblind vor Verlangen zittert sich die Erregung, allein jetzt mit sich, durch den Nebel letztrestlicher Schemen. (Wie göttlich eingegeben: die Geisterwelten. Und into the bargain auch das noch: die Gegenstände.) Vom himmlischen Donner-geblitze und motorgetriebenen Blitzlichtgewitter verwischen sich spurlos die Fährten im wüstengleich-wollüstigen Sandsturm, den Napooh zum Brunnen der Oase flieht.
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- Wie ein Knall dann der Prall in die Pein aus feuchtem Drüsenschleim. „Sagt nicht mal Tschuldigung, der Kerl da“. Nappoh blickt schämig, wie bei einer frischen Tat ertappt, noch nach. Nur kurz. Zu stark treibt sich die gejagte Herde jetzt selber dem gelobten landwärts. Wie Regentropfen durch den Rinnstein.
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- „Jetzt auch noch das“. Nestelt mit dem windzittrigen Geäst, fünfgliedrig, nach dem Bund. Klitschnass schon, die Hosentasche auch, greift er sich vom Boden her, verloren im Dunkel, das Bündel mit Feinschnitt. Adlergleich die Augen, wenn Mäuse fluchtfischschnell das weite Feld sich suchen, und sicher der künftig erfolgende Sieg. Der schließende Akt dann der ganzen Mailasse aus weltuntergegangenem Regen-sturz und hungrigem Magendarmgebell verzögert. Innerlich gebrodelt dies und das zur Besänftigung, sich selbst und der sesamgleich standhaften Pforte. „Das wäre doch…“, -und geschafft.
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- („Ob nicht doch einer was…, hinter den verschleierten Glasrahmen…, die haben im Dasein ja sonst nichts zu scharrsuchen…, voller Augen, vorne und hinten…“. „Auch so eine verfolgte Marotte das: sich beäugt fühlen, wenn keiner sich nirgends sehen lässt“, und „was die wohl denken“. „Sowieso: Besser gar nicht mehr raus“).
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- Längst hat er, Napooh, sich den Absprung verscherzt. Aus und vorbei das alles: von Tieren die aufsteigen, kämpfen und töten. Nur noch Donnergrollen am Abgrund von Blitzen, - und Stimmen: „Komm“! Kauert, gehäutet vom ballastigen Polyestergemenge, vor der wartenden Spielbox. Unentschlossen das Zaudern zwischen den Schülern Wiener Herkunft. Von Oden an die Freude kann gar keine Rede mehr sein, eher vom Buch der hängenden Gärten. Zögern noch…, und let the music play. Mit Hängen und Würgen 26.38 Minuten neue Musik hinter sich gebracht. Das hat ihn nun doch erleichtert. Erlöst, und wie vom Geist ergriffen, wäre wohl nur vom zweiten Satz der Neunten zu erwarten gewesen, die wie ein Thron im Himmel steht.
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- Stille jetzt, ganz ohne Rätselzeichen. Eine halb gestreckte Zeit lang vielleicht. Gekonntes Wiegen nur der mächtigen Tanne unter dem leergrauen Himmelszelt: wie entladen der, nach dem ergiebigen Wolkenbruch. Von den alttestamentarischen Plagen und Geistern mehr und mehr bevölkert, die Schlüpflöcher der Verborgenheit. Und dann getummeltes Himmelschreien um den Pranger, wie Jahrmarktsstimmung in allen vier Teilen. Kein Genuss das, da neben und nach dem Dornenkönig sich vom Meer der fließenden Menge anspucken zu lassen: im Vorbeigehen.
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- Dann Katzenwäsche. Notdürftig nur, trotz all der schnüffeligen Strenge. Er knotet sich wieder zurück in sein Versuchen ganz geistiger Machart. Rein wie weiße Wolle: die mögliche Vernunft. Und irgendein veraltetes Ich als Napooh, in diesem finsterschwarzen Sack aus Raum und Zeit. „Wirklich traurig das“, denkt er noch, „aber auch wahr“.
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- <h2>K. f. I. </h2>
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- :\ „...Igitt, das mir so was immer passieren muss, glotzt mir voll auf die Brüste, einfach ekelhaft, jetzt tut er so, als würder, na ja hat sich schon wieder umgedreht, bah wie der stinkt, nach Aschenbecher, ich könnt kotzen wenn ich so was seh, das die nich mal was dagegen machen, wirtschaften inne eigenen Taschen un tun nix, früher hat’s so was doch nich gegeben, da kann mir keiner was, dann heistes dreckt, man wärn Nazi, man darf gar nich mehr sagen, was man denkt, ich bezahl doch für die, lassen sich’s gut gehen, zum arbeiten zu faul, putzen würd ich gehen oder alles machen nur nich den andern auf der Tasche liegen, mir macht das auch kein Spaß, ich halt das nich aus wie der stinkt und wie der rumrennt, keine Zähne mehr, kriegen doch alles in Arsch geblasen, isser wohl auch zu faul für, das hält der Arzt auch gar nich aus, hochkantig rausschmeißen wern se den, ob ich noch mal durchn Ladn geh, dann verpass ich den Anfang, nur wegn sohm Arsch, boh ne mann, immer mir, ersmal duschen; guck dir das an: Bah, als ob er sich seit Wochen nich gewaschen hätte, für Zigaretten ham se aber Geld und zum saufen, wär doch ne Erlösung für die, als ob die noch was vom Leben hätten, könn sich doch gar nich mehr nützlich machen, was ham wir überhaupt, bis Samstag is jedenfalls noch hin, ruck zuck dann, und alles iss vorbei, fragt nich mal mehr, aber immer noch besser als bei Karin, da läuft gar nix mehr, wie hält die das bloß aus, na ja iss ja auch grad keine Schönheit mehr, vielleicht hat se sich dran gewöhnt, der guckt keiner mehr hinterher, wenn die Kinder nich wären, hätt der Heiko sich bestimmt schon mal nach ner Andren umgeguckt, aber die Wohnung is immer, bestimmt geht der in Puff, hamse doch gestern geschrieben, also wenn ich das mal spitz krieg kann er gucken wo er bleibt, nich mit mir, das kann doch keine Liebe sein, wenn denen das egal is, Hauptsache sie werden das los, so sind die doch, danach is ihnen alles egal, meistens schämt er sich auch glaub ich, hatter dann davon, wenn das nich so riechen würde wär’s mir egal die paar Minuten, und wie das klebt, kannse nich abwaschen am nächsten Tach stinkts noch schlimmer, früher wollt er mir immer aufm Bauch losgehen, einmal finger an rumzudrucksen, ins Gesicht und so, da hatter aber nie wieder was von gesagt, dem hab ich schön was erzählt, wie die wohl immer auf so Ideen kommen, abartig, anfassen sollt ich ihn auch mal: da, aber das hatter schnell wieder sein gelassen, die ganzen Sachen, weiß ich nich, wie sone beleidigte Leberwurst, paar Wochen warer am brüten, so was kannste ja auch keinem erzählen, die denken ja, der iss pervers; ach du lieber Gott jetzt sind se ganz stramm geworden, das kann ja auch jeder sehn bei der Hitze, Junge, Junge, das iss aber auchn Mann wie ausm Film , weiß was sich gehört, mir iss das egal, wenigstens sind die immer gepflegt, und so schöne Brauen ham die, also ich würd nich nein sagen, brauch ja keiner zu wissen, aber zusammenleben nich, da bisse doch unten durch überall, als hättste nix besseres abgekriegt, die ham aber gesacht die könn stundenlang, erzählen könn die viel, Feuer ham se schon im Blut das sieht man ja, wie son Funkeln inne Augen; aber kein Schwein, also das wär nix für mich, die Fraun von denen sehn jedenfalls immer ganz zufrieden aus, ham aber nix zu sagen immer nur kuschen und ja und Amen, wie son Pascha dann, verheiratet werden die, wenn se noch Kinder sind, das wüsst ich aber, wie im Mittelalter, die Todesstrafe ham se auch noch und wolln in die EU, und wir müssen dann wieder alles bezahlen, alle halten se die Taschen auf, wir hams ja, könn sich ja ruhig mal anpassen, sprechen doch kein Wort deutsch und wie die rumlaufen, wenn se hier sind, solln se sich auch anpassen, sons könn se ja gehen, wenn’s denen hier nich gefällt, aber das wolln se auch nich, denen geht’s doch hier viel besser wie zu Hause, irgendwas hab ich wieder vergessen, da kann ich nachm Abendbrot noch mal los im Dunkeln, der Herr iss ja zu nix in der Lage, der find nichmal die Butter, rennt immer wie Pick sieben hinter mir her und macht ein auf wichtig, wenn ich mal was frag isser gar nich bei der Sache und alles dauert zu lange, mit dem kann man auch nix anfangen, tut so als wär er ne grosse Stütze beim putzen, und wie sieht das aus, als hätt man seit ner Ewigkeit nix gemacht, das musser doch sehen, jetzt kann nich mehr lang dauern; wieso hammse den überhaupt reingelassen, sieht man doch, Geld hatter bestimmt auch keins gehabt, jetzt kanner aufm Trockenen sitzen, oder holt sich was anner Tanke; also so seh ich bestimmt nich aus, die is doch höchstens zwanzig und dann son Brocken, man muss auch bisschen was tun für sich, wie sone Vogelscheuche, die kriegt bestimmt kein ab, dann kann `se hier Anna (!) Kasse alt und grau werden, ob die wohl versucht mich zu bescheißen, und dann sagen se warn Versehen und kann ja mal passieren, aber nich mit mir, Schätzchen, so ham wer nich gewettet, dann sag ich dem Filialleiter Bescheid, da wirst de Augen machen, ich lass mich doch nich von so einer, …;“
- Kurz angestrengte Stille im inneren Territorium. Und nach dem Zahlen dann gleich wieder derselbe Terror:
- „Pooh, das wär’s; iss auch nich grad kühler geworden, ich bin vielleicht geschafft, und jetzt den ganzen Krempel noch nach Hause schleppen, was ist das denn für einer, steht da rum wie Heinblöd und gafft in Laden, überall wird man mit dem Gesindel konfrontriert, oder wie das heißt, schmeissen mit so Wörtern um sich als ob se ganz was Schlaues wären, ich weiß doch genau was die vorhaben, Eindruck wolln se schinden, weiter nichts, ich tu so, als würd ich das gar nich merken, wissen auch über alles Bescheid, wer Minister iss und mitm Fußball und dann war Krieg und dann war Frieden, als ob die keine anderen Sorgen hätten, wolln einem immer ne Predigt halten; eigentlich würd ich gern aufhören damit, was issn das fürn Leben, immer dieselbe Leier, auffer Arbeit die jungen Dinger spielen sich auf wie sonst was mit ihrem strammen Busen und so, wenn die in meinem Alter sind, iss auch vorbei, und tuscheln immer rum, als ob ich das nich kennen würde, die glauben wohl ich bin ne alte Schachtel und hab von nix ne Ahnung, wie das in dem Lied heißt, würd ich auch gern machen nach Paris und mal was erleben, raus aus dem Trott, na ja der hat ja leicht reden, hat ja auch genug Schotter auf der Kante, aber mit som Mann würd ich nich Nein sagen, im Bademantel, ham se gesagt, konnt man alles genau sehen, also mich interessiert das gar nich, ich will da nichts sehen, am besten Licht is gar nich an, und die Augen mach ich auch zu, widerlich is das doch, alles voll Haare und das Gebommel, was das auch vorne für ne Farbe hat, wien Stück Leber, wie kann man so was bloss essen, der lässt mich rüber, gibt doch noch anständige Menschen heute, wer soll das glauben, will mir vielleicht nur aufn Hintern gucken, ich kenn die doch, kaum sind die ersten Sonnenstrahlen da sind die nich mehr zu halten, wenn die mal so arbeiten würden, dann würds auch anders aussehen, dass der Staat kein Geld mehr hat, is ja klar, wenn keiner mehr Verantwortung übernehmen will, alle jammern se nur rum, anstatt mal was zu machen, wie se in dem Werbespot im Fernsehen gezeigt haben, machen wa uns die Hände schmutzig, aber das will ja keiner mehr heutzutage, wird alles immer schlimmer, wo soll das nur hinführen, wenn ich erst mal was esse kann ich dabei die Serie gucken, und dann geh ich baden, muss mir vorher noch die Beine rasieren, dann hängt er wieder vor der Glotze, und kriegt gar nichts mit, aber bis Samstag, das halt ich nich mehr aus, iss man ja nich dreckt ne Schlampe, nur weil man unter der Woche auch mal seine Bedürfnisse hat, muß wohl doch am Wetter liegen, am nächsten Tag iss schon unangenehm, ich muß den halben Tach dran denken, und ob andere das wohl auch, und wie wenn ständick was aus mir raussickern würde, riechen kann man das bestimmt auch, ohne Beine rasieren fühl ich mich dreckig, wie son Schafsfell, stört ihn ja auch wenn das alles piekst, wenn der überhaupt noch was merkt, wie sone Pflichtübung macht er das, hat gar keine Ideen mal, ne Frau will doch auch verwöhnt werden und merken, dass se geliebt wird, aber da ham die keinen Sinn für, ich kann froh sein wenner nich vorher einschläft, so richtig klappen tut’s bei ihm ja auch nich mehr, man kann froh sein, wenn der überhaupt mal in die Gänge kommt, mit dem Medikament, sacht er, das iss auch zu gefährlich, immer ein auf grossn Macker machen und Sprüche klopfen, und da hat er Schiss, als ob das dann erlaubt wär, wie die heute so tun, als wär das ganz normal, dass ne Frau auch so was macht, beim duschen, oder inner Wanne, die sprechen ja darüber, als ob das ganz normal wäre, aber ich kann mir das nich vorstellen, habs ja selber probiert, aber gar nichts merk ich da, im Fernsehen hamse das auch mal erzahlt, ich komm mir da komisch bei vor, das kann doch nich normal sein, bei Männern vielleicht, man hat ja das Gefühl, dass die völlig durchdrehen davon, wenn ich mir das aber vorstell, wie der Heiko das macht, da kann einem auch der Appetit vergehen, ich wollt ihn mal fragen, aber dann sacht er sowieso „Ne“, als ob ich dem was glauben würde, wird ja immer so komisch wenner was nich zugeben will, wie der das wohl macht, und wo, und woran denkt er dann, bestimmt wieder an sein Schweinkram, was er gern mal machen würde, heut isser jedenfalls fällig, da kanner machen was er will, sonst soll er gucken, wo er bleibt, da kanner Samstag schmoren, das kann ich dir flüstern, ich kann da auch ganz drauf verzichten, wenn er mir so kommt, werden wa ja sehen, wer das länger aushält, von mir aus soll er denken, woran er will, ich will da nur nix von wissen und losgehen soll er nich wieder sofort, und jetzt aber ab in die gute Stube, zuhause is`Es doch am schönsten…“\
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- <h2>Grau in grau </h2>
- :„Napooh?“ Eine klaffende Lücke hat sich in das gängige Gedränge der losen Vernetzung aus Wille, Welt und Weh gerissen.
- Von den Dingen, die brausen, und darin das gedachte Gedröhne: jede letzte Spur ist für uns verloren: Jetzt. =Alles grau in grau. Ununterschiedenheit, die sich nicht unterscheiden lässt. Sie hat sich in der Nacht aus dem Nichts heraus breit gemacht. Wie ein Mantel, der doch nichts verhüllt. Und dem Schweigen nichts entreißen kann. Die Schleier der Affäre lassen uns weiter an Napooh glauben, unbetrübt. Weil wir von mehr nicht wissen. „Er soll nicht mehr gewunden werden wie ein Wurm an seinem schicksalhaften Haken?“ Aber es ist auch sonst nichts mehr dran, an der Sache seiner bewussten Seele. Kein Stückchen mehr: Keine Angst und kein Entsetzen über den Verlust. Nicht einmal die Qual der Beklemmung. Als wäre Napooh sich selber verloren gegangen. Aber es ist nicht mal mehr er, der sich verloren gegangen ist. Er ist verloren gegangen worden. Aber wovon, wenn er es namenlos nicht mehr zu tragen taugt? Von welchem unbekannten Gotte. Das Feld ist leer, auf beiden Seiten des so genannten Seins, und die Front wurde verschoben. In der einheitlichen Leere lässt sich nichts ausmachen, wir können so nicht weiter sprechen: Von ihm nicht. Und wie wollten wir die Abwesenheit von Leere bezeichnen?
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- Wir könnten es uns einfach machen:
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- Napooh hat etwas wie Verstand verloren. Oder aber: ein unbestimmtes Etwas hat Napooh verloren. Und er hat es dann vergessen, im Laufe von Jahren.
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- So weit würden wir dem Ereignis folgen können, linear, und nichts müssten wir aufgeben, in beiden Fällen nicht. Jetzt aber, ohne ihn, welches Etwas sollte wo noch seine Zuflucht haben, um ihn wieder in sich aufzunehmen? In wessen Erinnerung sollte es von woher wieder auftauchen?
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- Die Ereignislosigkeit hat uns die Sprache verschlagen
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- Ungetrübt davon lassen wir ihn lieber wieder auftauchen, selbst aus dem Nichts, um unser sprechend Spiel zu seinem Schluss zu bringen:
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- Grauen jetzt, bei ihm, nach der kurzen Nacht ohne Stunden. Und dann die berechtigte Frage: „Was war das?“ Er bleibt wie starrer Frost dort liegen, doch die gewohnte Ordnung der Dinge bauscht sich bereits wieder auf: Tun und das Lassen schlägt in Gedanken gekonnt den Bogen zum Erleiden der gefühlten Wirklichkeit. „Immer noch besser als das Nichts“, denkt Napooh, und wälzt sich lauernd in das Bibbern der Kissen. Es ist nicht besser, und er weiß es.
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- <h2>Schach, und matt</h2>
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- Wir schalten jetzt nicht nur einen Gang runter, sondern halten die Kupplung getreten und lassen die Karre des Realen ein Stückchen vor sich hin rollen:
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- Mit frisch geputzten Zähnen habe ich mich eben erst, zu später Stunde, an den PC gehangen. Mit kaltem Kaffe, selbstgedrehten Red-Bull Zigaretten und CD-Musik versuche ich mich auf Trab zu bringen. Neben dem Bildschirm leuchtet eine kleine Schreibtischlampe, der Rest Bleibt im Halbdunkel. Normalerweise, also meistens, fast immer lasse ich Beethoven laufen (Auf einer CD hat mir weiß der Geier wer-wieso-und-warum die Erste und die Fünfte, auf einer anderen CD die Siebte und Achte zusammengestellt. Wieso denn bloß, pfui, pfui? Oder negativ: Wieso nicht chronologisch geordnet? Die Erste mit der Zweiten, die Dritte mit der Vierten, und so fort? Die Neunte steht meist für sich allein, wie eine schwere Axt im Wald. Hierfür werden gute Gründe sich finden lassen im Betrieb der kulturkritischen Plädoyers).
- Lassen wir Beethoven erstmal beiseite, denn heut hab ich Schönberg in den DVD-Player geworfen. Iss klar, dass ein Stier mit zwei Hörner hier die Arena der abendlichen Verbalberieselung betritt: Erstens ist es nicht schlau, dem alltags geschwächten Leser, fußlahm zu später Stunde, den schwermütigen Brocken Schönberg vor die tanzmüden Füße zu knallen. Was zuviel ist, ist zuviel. Keiner hat mehr Bock, und alle Leselust ist vergangen wie… na was wohl. Zweitens ist die unerhört neue Musik für mich selber auch nicht gerade ein Genuss. Es wird schon was dran sein an Schönberg. Für mich aber, halb halbgebildet, halb ungebildet, hört sich das an wie, sagen wa mal: überkandidelte Kunststudenten, die in Musik machen. Zugegeben: Ich bin kein alter Hase, was große Musik angeht, und will auch nicht als Banause dastehen. Vielleicht kann ich mir die zwölf Flötentöne noch beibringen, auf meine alten Tage. Wir werden sehen, was wir dann davon haben: „Dudeldududu del tu, dadaleda del de, tat bum tam tam.“ Eins aber müsst doch auch und selbst Ihr einsehen: Beethoven kann man auch nicht Tag ein tag aus hören, sonst geht der erhabene Schwung in alltäglicher Rieselei verloren, und zwar für immer. Der langen Rede kurzer Sinn: Heute krempelt Herr Schönberg himself für meine tägliche Schreibübung die räumlichen Schwingungen um.
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- Dass ich nicht in Wolkenkukuksheim ein Eigenheim bezogen habe, frei wie ein Vogel, entrückt dem unaufhörlichen Gedöns der sinnlichen Leibhaftigkeit, ist doch wohl allen von uns klar.
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- Paar Mal am Kopf gekratzt, zweimal erfolglos in der Nase gebohrt und mindestens einmal das halbsteife Glied zurechtgerückt. So sieht’s aus, meine Damen und Herren, macht euch nichts vor: In den klaffenden Lücken der grammatischen Übersichtlichkeit geht zwischen Drüsen, Rotz, und Schleim in Wirklichkeit doch alles drunter und drüber. Übervoll chaotische Herrlichkeit, die niemals nicht in der Ordnung der Sprache zu Hause gewesen ist. Gehen wir also munter an das Trauerwerk, und beobachten Napooh, die traurige Gestalt, bei seiner abendlichen Bahnreise von A nach B, derweil ich mir die rechte Ferse mit der linken Hand umklammernd massiere:
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- Bahnhof A. Verlassen, das alles, auch wenn ein paar eingefleischte Hessen (oder sonstige Bauernvölker) sich auf den spärlichen Gleisen finden. Sonntagabend. Das Wochenende und der Tag haben ihr Ende gefunden, auch hier. So ist es nun einmal, das ist der Lauf der Welt, unaufhaltsam folgt die Nacht auf den Tag, die Sonne auf Regen und der Winter auf den Sommer. Napooh ist wie erschossen vom zweitägigen Flächen-bombardement aus den Stimmen und den ressentiment-geladenen Regungen, die darin mitschwingen. Mit der Verwandtschaft, der er sich übers Wochenende ausgesetzt hat, im neu gegründeten Reich gern auch als die die Lieben verniedlicht, verschönt und verherrlicht, ist, Ihr wisst das, nicht immer gut saure Kirschen essen: Besitzstandanzeigender Bellum omni contra omnes. Mein Haus, mein Auto, meine Frau, und so weiter und so fort, von jetzt und bis in alle Ewigkeit. Wieso eigentlich auch nicht? Der lustige Wanderprediger aus der römischen Provinz hätte wohl keine Freude gehabt an den modernen Zuständen. Von wegen: Nutzlos wie die Eulen in Athen der ganze Ramsch, wenn die Seele Schaden genommen hat daran. Geben wir also unbetrübt dem Kaiser, was des Kaisers ist. Will sagen: Lassen wir den alltäglichen Zwölfdutzendmenschen im Glauben an seine Eitelkeiten (Besitz, Wissen, und Können. Und alle sonstigen Faktoren der Wertsteigerung). Er möge glücklich damit werden.
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- Verlassen wir uns auf die Schlagkraft der ungewohnten Schachzüge eines gewissen Napooh, der auf dem Bahnhof von und zu A, verloren wie nur irgendwo, dem Schachmatt des Schicksals die Furchen seiner Stirn bietet. Ganz und gar zerrissen lässt er sich gehen: auf und ab. Tränen laufen keine über die Wangen, soweit geht die Weltentfemdung nu doch nich, soweit ist er noch Herr über die Sinne. Er weiß, dass mit keinem niemals nie in solchen Sachen mal zu spaßen wäre. Zusammengerissen hat er das Ende der Woche hinter sich gebracht, jetzt tritt der Jammer konzentriert wie die Action direct zu Tage. Der Rest der trauten Bahnhofsgemeinde ist wohl zu sehr mit innerweltlichen Problemen zugange, um einen Blick auf andererleuts Elend zu werfen. Napooh, alleingelassen mit sich, raucht, wie (-s-) ich gehört, am angewiesenen Ort, um die Zeit bis zum Eintreffen des Regionalzuges nach G, als Zwischenstop, zu überbrücken. Als ob die Zeit durch Rauchen schneller oder langsamer vor sich ginge. Totschlagen die Zeit, wie hat man sich das vorzustellen? Oder ist das auch wieder nur einfach so dahingesagt? „Alles fließt“, „Du bist das“, „Schicksal als Chance“ und „die Zeit schlägt man halt tot“, währenddessen versteht sich. Mit wichtiger Mine vorgetragen das Ganze, als müsste man die goldene Kuh leibhaftig durch einen Vortrag über Sinn und Nutzen der Pendlerpauschale auf dem Pfad der Tugend führen. Sie, die Kuh, kaut und kaut …-. Und lässt bei Gelegenheit mal einen neuen Fladen auf die alten Wege fallen, zum Beispiel: „So, wie es ist, ist es gut“. Es gibt robustere Mägen, als die unseren, also lassen wir die Fladen liegen. Links, versteht sich, wir sind korrekt in solchen Sachen.
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- :Neun Uhr abends, jetzt. Gliederschmerzen, erschöpft vom Tag und hungrig. Im Zimmer keine Veränderung, Beethoven, Zweite und Vierte. Heute, vierter Oktober, gekauft: Vier Euro neunundneunzig. Dafür zu haben: Allegro con brio, Larghetto, Scherzo. Allegro, Allegro con molto. Und so weiter dann. Und die Stimmung? Spätsommerliches Absterben ins Melancholische, trotz unruhigen Genussmittelmissbrauchs. Quasi als Unterlage. Here we go:
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- Der Regionalzug trifft leicht verspätet ein.
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- Napooh steigt ein und geht in einem Zug auf Toilette. Wochenendausflügler um die Fünfzig, etwa acht an der Zahl, beobachten ihn dabei. Keine Vorfälle.
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- Nach der gescheiterten Blasenentleerung stellt Napooh sich an die Tür, und schaut aus dem Fenster. Setzen lohnt nicht für die paar Minuten.
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- Ein kleines Mädchen hat Flausen im Kopf. Kaut Kaugummi, die Mutter ist knapp über zwanzig. Vielleicht auch die Schwester, oder sonstiges Anhängsel.
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- Eintreffen in G. Kaff, auch das (erinnert sich an mare crisium: verlorene Jugendzeit).
- Holt sich Kaffee im Pappbecher (Ein Euro fünfzig, fast geschenkt).
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- Jetzt teilnahmslos: sich treiben lassen zu Gleis zwei. „Ghost Dog“. Gleitet zunehmend ab, wie wehrlos, ins Triste. Hätte jetzt nichts gegen ein paar Biere einzuwenden, um in Rausch und Sterne sich zu stürzen. Einsetzende Dämmerung.
- Im Raucherbereich versucht ein Junge in Uniform seine Eroberungstalente an die Frau zu bringen. Iss auch gar nich abgeneigt, das Fräulein, zu mehr als einem Paarungstanz reicht die Zeit aber nich. Minuten der Zweisamkeit, die sich versprechen in der Zeit.
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- Hochgestimmt jetzt, lässt der Fremde Napooh an seinem kurzen Glück teilhaben. Der schlägt sich wacker im Tausch der Floskeln, iss aber mit den Gedanken ganz woanders: „Ja, Ja“; „So ist es“, „Was will man machen“. Hört seine Stimme wie eine fremde aus dem Schacht der Vertiefung, …-und wundert sich. Unheimlich, das alles, wie im Nebel, und ohne Kontur.
- Der ICE von G nach K betritt die Bühne. Lärm und Donner. Napooh macht sich auf den Weg. Raucherabteil versteht sich.
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- Sucht sich einen freien Doppelsitz, allein und ungestört.
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- Napooh lässt sich in den Sitz fallen wie ein nasser Sack …
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- - Glaubt ihr das? Ihr irrt, und zwar gewaltig, ihr abgedroschenen Halme. Der Schwung der Jugend ist dahin. Verloren. Zu solch aufwendig impulsiven Ausbrüchen reicht`s nicht mehr. Er, Napooh, von wem sonst sollte ich hier sprechen, landet im Sitz. Das Manöver ist mehr ein unbeholfenes Zögern, als eine begrifflich fassbare Bewegung. Sich setzen, gleiten oder fallen lassen, solche Ansprüche der Einheitlichkeit hat er hinter sich lassen müssen. Das fassbare Ziel war nicht der Weg, sondern irgendwann, so oder so, im Sitz zu sitzen. Zu mehr reicht es nun einmal nicht bei jedem, und in der Frage seiner Möglichkeiten hatte Napooh seit geraumer Zeit der Bescheidenheit ein gemütliches Plätzchen eingeräumt. Einen Stammplatz, wenn man so möchte. Soll ich von Resignation sprechen? Von einem fatalen Verlangen? So weit werde ich nicht gehen. Er trägt noch Willen in sich, den Willen zu sitzen, im gegebenen Fall, das sollten wir ihm bei Gelegenheit einmal unter die Nase reiben. Von wegen den Willen in sich zum Absterben bringen, weit war er noch nicht gekommen mit seinem Vorhaben. Vom ungeübten Auge ist die gut gegründete Selbstüberwindung Napoohs von der ganz gewöhnlichen Faulheit des Herrn Jedermann nicht zu unterscheiden. Spielt sich auf wie nur je ein Menschensohn, verklärter Blick und alles, schwingt große Reden von der Auflösung im nie gewissen Nirgendwo, ununterschiedene Ununterschiedenheit und so, als ob sich einer was darunter vorstellen kann, und hat einfach keinen Bock, sich mit mehr auseinanderzusetzen als den unmittelbaren Bedürfnissen und ihrer Befriedigung. In diesem Fall sitzen. Wird sich doch wohl auch mal zusammenreißen können, wie es alle tun, und sich anständig auf seine vier Buchstaben setzen können. Will sich nur aufspielen, als ob er was besonderes wäre, der „Andere in seiner Anderheit“, „ja, ja“; „das kannste wem anderes erzählen“, „Freundchen, nich mit mir“, „ich werd dir die Flötentöne schön beibringen…“ und so weiter. Fasst sich ans Herz, und tritt gebrochen ab. (Applaus wär schön jetzt, stehend versteht sich).
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- :Niedergeschlagen und unruhig im Wechsel heute, übermüdet und hungrig. Zimmer ohne Veränderung. Keine Musik.
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- Entgegen seiner gewöhnlicherweise gehetzt angespannten Art ist Nappoh in der Wüstenei von Hier und Jetzt gelandet. Unfreiwillig. Zum einen kann er wegen der fünfstündigen Zugfahrt nicht viel mehr machen, als sich seinem Schicksal zu fügen. Jede Flucht würde die kleine Reise nur in die Zukunft verschieben, vermeiden lässt sie sich nicht. Andererseits ist er wirklich ungewöhnlich müde nach dem aufreibenden Wochenende. Ansonsten hält sein beständiger Hunger ihn auf Trab, das nimmersatte Ungeheuer. Der Appetit ist ihm vergangen. Verdorben worden vom verwandtschaftlichen Vielfraß aus Neugierde und Lust der Sensation. Er will nur noch sitzen, und die Zeit dabei verstreichen lassen. Ungewohnt so ganz und gar nichts an Tätigkeit für die nähere Zukunft in petto zu haben (sagen wir Mal: Erst Saugen. Dann Zähneputzen. Dann endlich Essen - endlich, und dann ermattet lesen: „Fine-Gäns-Weg“. Oder Rasenmähen). Und jetzt? Nichts, wie ein Abgrund, in dem die Wahrheit nicht wohnen will. Nicht einmal Angst vor den Anderen und ihren Angriffen. [Gut gemeint (vom Mob…=also subtil) oder hasserfüllt grob. (Man soll mir nicht mehr sagen, dass die Menschen Heute nicht umeinander besorgt wären. Ganz im Gegenteil, wie die Blockwarte kümmern sie sich noch um die allerbelangloseste Kleinigkeit, die sie nu wirklich nichts angeht.)] Mitreisende, Kontrolleure und Kaffeeverkäufer machen Napooh und seinem Tremor, dem alten Ehepaar, dass sich so oder so aus der Not heraus miteinander arrangiert hat, wie gesagt, keinen Kummer. Dem Kontrollverlust verfallen, von den Anderen und dem Hunger nicht bedrängt, könnte sich der Taugenichts doch durchaus einmal in die Hängematte einer, klinisch betrachtet, mittelschweren Depression fallen lassen. Die Dinge, denen doch ohnehin keine andere Wahl bleibt unter der Sonne, laufen lassen. Alle eins, zwei Stunden den Zug wechseln, und gegen ein Uhr Nachts dann in die selige Nacht der Schlaflosigkeit sich wälzen. So einfach haben es die Götter sich aber nicht gemacht, einfach die Figur auf das Brett legen und dem Ansturm der Bauern, die um ihr täglich Brot zu kämpfen haben, den Wind aus den Segeln ihrer Leidenschaft nehmen. Wo kein Hunger mehr den Antrieb zum Handeln erfordert, betritt die Dame das Feld. Im vor uns brachliegenden Fall gleich vier an der Zahl:
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- Das ist für den ausgehungerten Napooh nu doch zuviel des guten. Eines der anwesenden Kalieber würde er unter günstigen Umständen durchaus noch übersehen können. Dass zwei der begehrten Objekte in den Sitzen hinter und schräg hinter Napooh ihre Merkmale auf geriemten Sohlen zu Markte tragen, macht die Lage endgültig heikel. Um die Ecke blicken; verstohlen wie bei der Rubensbraut im Sitz neben ihm, aber hinter dem trennenden Mittelgang, wie ein Burggraben; ist so nicht zu denken. Will er was zu sehen bekommen, so muss er schon den offenen Angriff wagen, sich umdrehen und offen zur Schau stellen was er, zumindest dem Impuls nach, im Schilde führt. Das, Ihr werdet es euch denken können, ist nun gar nicht die Vorgehensweise, die nach seinem Wesen wäre. Ebenso wenig aber lässt sich die Vorstellung der beiden Mitt- vierzigerinnen mir nichts dir nichts aus dem Sinn schlagen. Sie, die Vorstellung, plagt und quält den verwilderten Jüngling. Geil jetzt, mit großen Augen und scharfen Blick. Wie eine Schnecke würde er sich gerne jetzt verkriechen in einem sicheren Bau. Das Interesse an gerundeten Lockungen ist natürliches Inventar (quasi: into the bargain.). Es lässt sich niemals nicht loswerden, der vertrag ist geschlossen. Und er steht noch \voll im Saft, haltet euch das vor die lechzenden Augen, wenn ihr euch mit hängenden Lippen hier schämt. Ihm ist die Schuld nu wirklich nicht anzuhängen. Die Gattung muss erhalten werden. Da-das bei klarer und reiner Vernunft nicht machbar wäre, sind nun mal getriebene hormonelle Verunreinigungen nötig.
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- :Zwei Uhr Freitagnacht, und von Schlaflosigkeit gerädert, im Radio läuft Soundcheck, Deutschlandfunk (Freitags von eins bis drei, schreibt euch das hinter die Ohren). Heute mit dem Thema Sid Berett oder so, der Gründer von Pink Floyd. Gar nicht schlecht, die Sendung. Mit dem Reisebericht bin ich nicht zufrieden. Der Versuch, die melancholische Stille, gleich einem Atemholen, zu Papier zu bringen, geht in die Hose. Niederschlagend, was man so ganz klar vor Augen zu haben glaubt überhaupt nicht zur Sprache bringen zu können.
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- Die beiden friedhimmlischen Häfen im Hintergrund sind außer Sichtweite der Augen im Sinn. Umrahmt von den Sitzen vor ihm ist ein Mädchen um die zwanzig in der sonst leeren Lücke des Zwischenraumes hübsch anzuschauen, aber ohne erotische Ausstrahlung. Noch. Napooh fällt ins Auge, dass sie Converse Leinenschuhe trägt, verwaschen. Sie hat einen leichten süddeutschen Akzent, den sie hin und wieder ihrem gegenübersitzenden Mitreisenden, älteres Semester der, ausplaudert.
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- Lassen wir das andere Geschlecht jetzt in Ruhe, das kennt ja jeder in und auswendig aus Funk und Fernsehen. Napooh greift sich ein Buch aus der Seitentasche des Rücksackes, und legt es auf den Sitz. Dreht sich eine Zigarette, zündet sie an, schlägt das Buch in der Mitte auf, und blättert zur nächstbesten Kurzgeschichte, und liest: „Der Engel ist mein Wasserzeichen.“ Ein ungewöhnlicher Titel aus einem ungewöhnlichen Buch, „Schwarzer Frühling“, von Henry Miller. Was für ein Mensch. (Dreimal ungewöhnlich, das wäre wohl selbst für edel-gesalbte Schwarzwaldtschwätzer zuviel des hilfreich Guten). Napooh, versunken in Stille und Anderes, hat sich mehr von der Sache versprochen. Es wird ein Bild gemalt, in seelischer Zerrüttung, und der Autor, Miller, nutzt die Gelegenheit, um Lesern und Kritikern Wendungen um die Ohren zu pfeffern, die sich schön anhören, aber nichts sagen: in Gletscher eingefrorene Engel und so was alles. Nichts Neues in Bezug auf die neuere Literatur. Napooh hat sich im Laufe seiner Leidensgeschichte an die Marotten der Herren Schriftsteller gewöhnt. Um den phonetischen Nutzen voll auszukosten, liest er halblaut vor sich hin. Die Fahrgäste herum können zwar nichts verstehen, was besser für sie ist, aber dass da einer brabbelt bemerken sie schon. Napooh, sonst scheu wie ein Reh, stört sich jetzt nicht daran die Lichtung des Seins zu betreten. Die mittelschwere depressive Verstimmung hat sicher ihr Fitzelchen Anteil an dem kühnen Auftritt im intimen Raum der öffentlichen Verkehrsbeförderung. Die nackte Wahrheit, ein altes Weib wie ihr wisst, lässt sich durch zaghaftes Versuchen nicht gern zum Tanzen bitten. Napooh hat sich an den Umgangston der ollen Schachtel längst gewohnt, will nicht auch im Dunkel dieser einen Sache von den Wünschen und Empfindlichkeiten seiner Nächsten behelligt werden. Was tut man nicht alles um des lieben Frieden willens? Waschungen im sprudelnden Quell der städtischen Kanalisation, tägliche Schrubbungen der dentalen Kraterlandschaft, Bitteschön, Dankeschön und Aufwidersehen, gewaltfreie Konfliktbewältigungsstrategien vereinigt amerikanischer Machart, müde Lächeln und dumm aus der Wäsche gucken, Kompromissbereitschaft an den Tag lehnen, wo nichts zu holen ist, in die Fuge der Welt sich fügen wie die Kakerlake sich in den Abguss, und dies und das und jenes. Ohne zu murren, nur mit säuerlicher Mine. Da wird die verdammte Bagage ja wohl ein bisschen Hintergrundgebell in Kauf nehmen können, wenn er die Netze seines Verlangens im Meer der Sprache mal auswirft. - Ob die herumschwirrenden Lockbotenstoffe sich von der sonderlingsgleichen Verschrobenheit der literarischen Lüsterklemme Napooh angezogen fühlen? Wir wissen es nicht. An diesem Abend verbleiben die prallen Tentakel in der sicheren Hand ihres Trägers.
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- Wie die Hauer eines schlecht gelaunten Wildschweins hat er sich die Wortfetzen in die Überreste seiner geistigen Eingeweide gerammt, ohne Erfolg. Nervöse Erregung infolge geistiger Überanstrengung? Keine Spur. Auch kein Jubel steigt über die Stufen, Stiegen und Sprossen des stürzenden Geistes. Nichts davon. Öde Leere einer wachsenden Wüste. Es ist schlimmer um den eingeborenen Sohn bestellt, als wir zunächst erwartet haben. Überlassen wir ihn seinem Schicksal im Raucherabteil des ICE von G nach K. Alleingelassen gibt es für ihn in der Dunkelheit nichts zu entdecken, und im Licht nichts zu lachen. Tat twam asi? Für solche Späße ist er nicht mehr zu haben. Er raucht, lässt die Zeit an sich vorübergehen, erwartungslos, und isst ein paar Brote. Wie der Bruch eines Versprechens.
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- :John Cage, vier Minuten, paar Sekunden; keine Beleuchtung.
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- <h2>Die Hoffnung stirbt zuletzt </h2>
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- Stellen wir uns zunächst einen Drahtesel der Marke Herkules vor, sechsundzwanziger Reifen, älteres Semester, einst metallisch blau und jetzt, an Erfahrung reif und alt geworden, glanzlos wie ein rostiger Nagel; mit allem Zubehör, Hand- und Rücktrittbremsen, verbogen-verbeulte Bleche, und Katzenaugen zwischen den Speichen und einem Abstandhalter, orange, mit einem Katzenauge, befestigt am Gepäckträger, zum Ein- und Ausfahren, je nach Bedarf und Gelegenheit. Soweit sollte unsere Phantasie uns nicht im Stich gelassen haben, dass wir schon hier an die Grenzen unserer Erfahrung gestoßen werden. Ein Fahrrad, das an der Tagesordnung ist, in den heruntergekommenen Wohnsilos des glänzenden Glamourheus, am Rande des Geschehens. Ein Allerweltsfahrrad, zu dreißig Euro, robust dient es seinem Herren ohne zu murren. Niemand, nicht einmal ich, verdiente sich wegen eines solchen Rades aus der namenlosen Masse gleichförmiger Plastikproleten herauszustehlen. Jeder findet sich zu Recht auf dem Plätzchen, den der Sattel ihm bietet. Nappoh, der entmachtete Herrscher (das gebe ich zu, dass er entmachtet ist, im unbegrenzten Reich des Ungesagten allen Sagens), ist auf dem Fahrrad, das Nichts an sich hat, wie üblich fehl am Platze. Vornübergebeugt, im Fall aus allen Wolken, holpert er in getriebener Hektik über die Schlaglöcher des Schleichweges, als wäre Gevatter Tod persönlich ihm auf den Fersen. Als ob die groteske Hackordnung der Gliedmaßen nicht Grund genug wären dem Pöbel der Strasse was zu lachen zu bieten, untermalt er die Szene noch durch lauthalses Singen des zweiten Satzes der Neunten, krumm und schief wie ein Paar schwarze Katzen, im Wechsel mit schwungvollen Reden über die Bedeutung Schopenhauers für das neunzehnte und zwanzigste Jahrhundert. Die Mine bei dem ganzen Spektakel hat sich der Leser wohl oder übel als wichtig, die Gestik als großtuerisch vor die Augen zu werfen. Schön wäre, wenn er hier an eine Handvoll Sand denken würde, die er zum Abschluss, in einer stillen Stunde, dem Ozean übergibt. Oder, wer es lieber dramatisch hat, kann auch an Erde und Gräber seine trostlosen Gedanken verschwenden. Und Napooh selber? Was können wir von ihm erwarten? Soweit ist er in seiner Entrückung noch lange nicht, dass er das Lachen der Beobachter, gequälter Ausdruck von offenem Hass, nicht auf sich beziehen könnte. Zu mehr Erkenntnis des Selbst langt es bei ihm nun einmal nicht. Hier und da hat er an sich herumgedoktert, um den Erwartungen seiner Mitmenschen gerecht zu werden. Rasuren am Morgen und Waschungen im Ganges der öffentlichen Wasserversorgung, Höflichkeiten, Beschneidungen der sprachlichen Eigenheiten, Hemden hat er probiert, Lederschuhe, die Fingernägel geschnitten und die Blicke gesenkt. Es war alles für die Katz. Das Problem liegt, so viel hat Napooh mir verraten, tiefer. „Fehl am Platz!“, so er, in einer Stunde gesteigerten Redeflusses, „grundsätzlich fehl am Platz, da liegt der Hase im Pfeffer“. Tritt dabei auf der Stelle hin und her, kratzt sich hinter einem der Ohren, als ob es dort geschrieben wäre, und weiß nicht wohin, mit dem verbliebenen Arm. Mehr konnte ich nicht aus ihm herauslocken, für ihn war der Fall damit erledigt.
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- Wir haben bisher also ein gewöhnliches Fahrrad samt Besitzer und Fahrer, sowie einen mit Schlaglöchern bedeckten Weg. Wer die Erbsen zu zählen nicht müde geworden ist im Laufe seines beschwerlichen Lebensweges möge noch ein paar eingeworfene Katzen hinzunehmen, die aber keinerlei interpretatorische Bedeutung in sich haben; lasst euch von euren sexuell frustrierten Mittelstandspaukern nichts eintrichtern, die haben keine Ahnung von Literatur und verdienen nur ihre Brötchen damit, mehr aber auch nicht.
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- Auch dieser Tag findet langsam, im Anschwellen der Dämmerung, sein langersehntes Finale. Die Engel der Lüfte stimmen ihren Abschiedsgruss aufschreiend an, das feucht nasse Fell der Wiesen lockt die Scham der Schnecken in die nächtliche Freiheit hinaus, verführt vom Duft aus Rittersporn und ähnlichem: Vielleicht Tagetes. Oder Kopfsalat. Auch Schneckenkorn, mordlüstern-blau. Menschenleer schon die Welt, wie am jüngsten Tag, warten wohl schon auf das Abendmahl, zu zwölft; oder weniger vielleicht. Die Stille, die das Hereinbrechen der Nacht schon jetzt, trotz lauthalsem Vogelgetöse, verspricht, lässt auch Nappohs Natur, unruhig wie ein Falter sonst, nicht unbeeindruckt. Den Tag, lieb und lang, hat er nichts essen gekonnt. Zwei Bananen und einen Apfel, gut, ein paar wenige Reiswaffeln, aber was ist das schon. So wenig, dass es nichts, oder noch weniger als nichts ist. Jetzt, auf dem Heimweg, fühlt er sich der Tortur des Sitzens, das zum essen größerer Mengen nun mal dazugehört wie der Deckel auf den Eimer, gewachsen. (Auf den vier Buchstaben habe er zu sitzen, so hat man es ihm eingebläut, und nicht herumzuhampeln, und nicht mit dem Essen zu spielen, und alles aufzuessen, sonst gäb es keinen Nachtisch. Heute, Jahre später, vergeben und vergessen das alles. Als wär es nie geschehen; : lässt Oberstudienrat von Goethe den Teufel sagen. Ausgelöscht hat er die Vergangenheit und ihre Erinnerung, um nicht zu verbrennen daran. Zu hellgrauer Asche. Hellgrau, - und leer.)
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- Zu seiner Linken, oder zu seiner Rechten, jedenfalls in der Nähe des Weges, haben sich die Enten schon für die Nacht zusammengerückt. Gewackel hier und da, leichte Bewegungen, aber doch keine größeren mehr zu so später Stunde. Nun, als der jämmerliche Napooh sich ankündigt, gerät noch mal Bewegung in den trägen Hühnerhaufen. Angst und Neugier reichen sich die Hand hier, und laufen vor und zurück, untermalt von Gegacker das Ganze. Zur Warnung oder zur Drohung? Ich weiß es nicht, Napooh weiß es nicht, und was wisst ihr schon, ihr leblosen Wesen, von so was wie Entengeschnatter: Gag, Gag, Gag, wozu soll das gut sein, was ist schon dabei. Den weltentrückten Sonderling aber haut es voll in die Bremsen, als wär der Geier weiß welcher Messias erneut in die Welt getreten. Sofort stimmt er ein in den Chor, gackert den Enten ein Lied, ruhig und sanft, in scheuer Freundschaft. Zittert eilig die angebrochene Plastikpackung mit Reiswaffeln vor, sperrig das Biest, viel zu groß, eingezwängt in die Jackentasche; „Endlich geschafft“; zerbröselt Stück für Stück, und jubelt vor Glück: Die Horde kommt angewackelt, aufgeregt-eilig, auf vier, fünf Meter erstmal, sich was zu holen. Napooh freudig wie ein Kind im Zoo jetzt, bröselt mit dem wild-wüsten Gegacker ekstatisch um die Wette. Zwei, drei Stück wagen sich näher, pfeilschnell, die Hälse voran, und hechten, mit den erbeuteten Bröseln unter dem gutmütigen Riesen, wieder zurück. Napooh, traurig und niedergeschlagen wegen der Allmacht des Kampfes ums Dasein, will der himmelschreienden Ungerechtigkeit des Daseins die Stirn bieten. Schmeißt hierin und dahin, immer hektischer, dass bloß keine zu kurz kommt wegen ihm. Unter der aufgeregten Meute kämpft ein Lahmfuß hinkend und hoppelnd mit der haushoch überlegenen Kraft der Jugend, voll im Saft die wilde Meute, verzweifelt um ein kleines Stück von Happen und Glück. Aussichtslos, die Einbeinige wird nach jedem Wurf niedergerannt, kaum aufgerappelt tobt schon der nächste Haufen über sie hinweg. „Blöde Scheiße Welt“, Unterlippen vorn über geschoben, enttäuscht wie ein Flüstern aus dem gelobten Land der verborgenen Innerlichkeit, verletzt, -schon längst-, den Ungeheuern aus Mensch und Maschine kopfschüttelnd verloren gegangen dabei, wie ein Kind wieder, nach dem Bruch des geheiligten Versprechens zur Winterzeit; „bonjour Tristesse“. Der schweigsame Ritter aus dem Orden der Brüder des Sisyphos schaut dem Stein kurz nach, kurz nur, nagt auf der Lippe dabei, voll mit Gram wie ein Fass, dass überlaufen will und überlaufen muss an diesem Strom aus Tränen; - und springt weiter in die Tiefe, springt wieder in die Tiefe: in sein Meer, fern der Küsten Europas, wo das verrottete Strandgut von fünfzig Geschlechtern sich angesammelt hat. Er weigert sich wieder mal zuzugeben, dass der Stein nach unten rollt, immernotwendig und überall. Und schiebt und presst und prustet, Flüche wild gegen Gott und Welt und Wille und Macht in sich tobend, wie ein Donnergrollen, voll von Zorn und Todessehnsucht. Lockt die gackernde Schar weg mit Brocken und Bröckchen in Hülle und Fülle, fort von der geliebten Einen. Die plumpst eins, zwei Schritte nach vorn, wo die Vielen sich ums Futter zanken, und bekommt von Napooh ein Stückchen zielgenau vor den Schnabel geworfen. Er, der zittert wie ein Entzügiger sonst, führt seinen Wurf aus wie das Musketier den Dolchstoss. Dankbar, Napooh, dass der Streich gelungen ist, verliert er keine Zeit: Auf ein Neues, Brocken hierin, Brocken dahin. Hier und da wird der Braten gerochen und nach der üppig-segensreich Versorgten neidisch gehackt, Napooh aber, in der Hektik voll in Form, hält die vermaledeite Brut bei der Stange, weg von der schiksalsgebeutelten Kreatur, geliebt wie der verloren geglaubte Sohn, am Kreuz wie ein Monument gestrandet, verlassen von seinem Gott, sauer verspottet vom Essig der Lakaien aus dem herrschenden Rom. Ihr Bein hat sie gegeben, um uns an das erinnern zu können, was wir in der Hoffnung auf eine Zukunft, in der es die Vergangenheit nie gegeben hat, einmal gewesen sein werden: Das Leiden des Anderen. Im Rohzustand der Jetztzeit hadert Napooh mit etwas anderem, nämlich mit den Reiswaffeln, die sich verabschiedet haben von der kargen Landschaft des Geschehens, in den Schlund weltlich allzu weltlicher Wesen aus Leben und Leiden. Die leere Plastikhülle knüllt er zusammen, mehr schlecht als recht, und verstaut sie in einer seiner beiden Jackentaschen. (Links oder rechts? Was weiß denn ich!) Wir sollten uns nicht zu der gewagten Ansicht hinreißen lassen, der gebeutelte Tunichtgut wäre durch die trickreiche Fütterung in die seligen Wonnewogen der spätromantischen Naturliebhaber hinübergegleitet. Ganz im Gegenteil: Der Jammer des Dabeiseins beim Dasein macht sich über ihn her wie der Geier über das abgestorbene Aas, verloren er, in der wüstengleichen Abwesenheit seines Geistes, die Schar Enten schnattert aufgeregt wie junge Mädchen den letzten Resten weltlicher Freuden nach, unbeeindrückt vom Einkrachen der menschlichen Seele ins nie gewisse Nirgendwo; jenseits jeden Seins, wo kein gesunder Drang zur Tat noch wohnen kann. In Gedanken sonst, und jetzt? Heimatlos umherirrend, unstet, im beißend grellen Licht seiner Auflösung. Auf dem Fahrrad zurück, das ihn hält, tritt er in die Pedalen, rast in die Verfinsterung zurück, den Tunnel aus Strasse und Weltenschmerz, bloß nicht mehr umdrehen jetzt, nach dem blendendem Licht, getrieben vom keifenden Geschrei der Grabenbewohner, zurück in die sichere Dunkelheit der gewöhnlichen Hoffnung auf Glück.
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- <h2>Si Tacuiset </h2>
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- „Dafür bin ich nicht verantwortlich“. Ich bin mir nicht sicher, ob ich meinen Ohren trauen kann. Wie ein Paukenschlag hat mich die Äußerung aus meinem Dämmer- und Dösetal gerissen. Ich muss mich besinnen, um mich zu vergewissern, dass mir der Weltgeist keinen seiner unliebsamen Streiche gespielt hat. Wie in einer Rumpelkiste, rammelvoll mit Nippes, scharre ich beidhändig in meinem Bewusstsein herum, um einen Hinweis auf die tatsächliche Realität hervorzukramen. Der Stein, der die Sache ins Rollen gebracht hat, lässt sich noch auffinden, ich kann den Satz also für wahr und wirklich nehmen. Einer der Anwesenden, ein Teilnehmer wenn Ihr so wollt, der für mich keinen Namen hat, sagte unmittelbar vor dem hinreißenden Streich der Frau Salewski, sie habe doch soeben gesagt, dass es durchaus möglich sei kontrolliert zu trinken, und das sehe er nicht ein. Zumindest, so fügt das Verhängnis den klaren Worten des Namenlosen noch hinzu, habe er sie so verstanden. Frau Salewski wäre nicht Frau Salewski, hätte sie nicht auf alles, und sei es noch so unverständig, eine Antwort parat, die sie wie ein Ass aus dem Ärmel schüttelt, um das Publikum in ehrfürchtiges Schweigen zu versetzen. Der bunt zusammengewürfelte Haufen aus zwölf der Trunksucht verfallenen Menschensöhne und -Töchter ist tatsächlich so baff wie es sich gehört. Der verbale Hammerschlag von der Unverantwortlichkeit der Frau Salewski hat wohl einen solchen Donner hinter sich gelassen, dass nicht ehrfürchtiges Schweigen, sondern bedrückende Stille seinen Hall im Raum verschwinden lässt. Ich habe mich kürzlich von der Frau Salewski und ihren ergossenen Weisheiten ermutigen lassen, vor den sonderbaren Unbilden der Menschen die Flucht in die inneren Gefilde der gefühllosen Dauermeditation zu ergreifen. (Wie eine Schildkröte, sag ich mal. Oder zumindest fast wie eine Schnecke.) Seitdem wundere ich mich über nichts mehr, zumindest nicht mehr über die waghalsigen Spekulationen der besagten Frau Es-Punkt. Jetzt, nachdem sie ihre Unverantwortlichkeit nudistisch zur Schau stellen hat wollen, habe ich einen Braten gerochen, mit dem zur Abwechslung mal ich ihr den Appetit verderben kann. Ich überlege angestrengt, wie sich die heimliche Doppelmoral von Verantwortung hier und Unverantwortlichkeit da ans Tageslicht zerren lässt. Aber: zu früh gefreut. Einmal in Fahrt gekommen lässt sich der salewskische Geist nicht mehr halten. Eine Gardinenpredigt wird der verdatterten Kommune präsentiert, die sich gewaschen hat. Die eine jetzt ganz in ihrem Element, und alle Anderen ganz außer sich, wie wehrlos dem regensturzartigen Schwall an Worten ausgesetzt. Ich bin noch so überrascht von der unverborgenen Verlogenheit, die sich frank und frei zu kennen gibt, ohne Zweifel an der eigenen Redlichkeit, ohne die Spur nur eines Zweifels, dass ich nur ein paar Wortfetzen, hier und da aufgeschnappt, zu fassen bekomme. Mein Geist liegt brach jetzt, das war zuviel für ihn, soviel ist klar. Aber dass ich nach zwanzig Stunden Gruppentherapie noch so blauäugig wäre, dies als ein Verbrechen an der Menschlichkeit, sagen wir mal etwas weniger blumig an den landläufigen Umgangsformen im Sinne der bürgerlichen Höflichkeit, anzuprangern, dass braucht Ihr nicht zu glauben. Würde ich mit solch zartseitiger Zimperlichkeit an die Öffentlichkeit treten, Spott und Schaden wären mir gewiss wie Jesus, dem Erlöser, der Essig auf der Zunge. Wie die Schläge mit den harten, harten Händen schallt mir die vorausgesehene Ohrfeige der salewskischen Schlagfertigkeit in den Ohren; Ich schließe, vom Schreck des Schmerzes wie verschlungen, die Augen. „Dann können wir ihn ja jetzt beackern“. Den brachliegenden Geist, versteht sich, denn wie Frau Salewski immer so herrlich ausposaunt, sind Gefühle immer echt. (Auch eine Nuss, die ich nicht knacken kann: immer echte Gefühle und immer falsche Gedanken, vom Verhalten ganz zu schweigen. Glauben wir den Verhaltenstherapeuten ist das unbestimmte Es, das Verhalten, ein regelrechtes Desaster. Fast alles vermurksen wir, die Menschen, durch unser falsches Verhalten. Gottlob wissen die Herrschaftlichkeiten Bescheid und treiben uns wie Schlachtvieh mit ihren Verbalknüppeln zum Schlachtfest des richtigen Verhaltens an: in Reih und Glied versteht sich. Sie haben wohl einen Draht zu Gott oder einem ähnlich allwissenden Ungetüm, welches ihnen die Sache auf dem Berg Sinai einmal näher gebracht hat. Ich bin mir sicher, dass in ferner Zukunft alle Menschen einmal um richtiges und falsches Verhalten genauestens Bescheid wissen, und zwar dank der Verhaltenstherapeuten und ihrer unablässigen Moralisiererei und Doziererei. Und dann, ja ei ei ei, ist nicht nur Kants ewiger Friede über die Welt hereingebrochen, sondern es wird eine paradiesische Lust, sein auf Erden zu wandeln. Als ob jeden Tag nur noch gute Zeiten in der Lindenstrasse wären. Spaß beiseite: Der Hut von der besten aller möglichen Welten, in welcher der Mensch nicht in die Fuge sich fügen kann, ist doch wohl ein wenig alt geworden. Im Laufe der Jahre.)
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- Kommen wir auf die Lobeshymne der koketten Sophistin zurück. Gut und Böse werden scharf getrennt, wo ein Paradies an den Mann gebracht werden soll, da darf die ewige Verdammnis nicht fehlen. Es ist gut, was zu machen. Die Palette ist breit, die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Über Sport höre ich die S. salbadern wie Heidegger über die Kehre des Seins. Museen, Theater, Kino, Spazieren, Reisen, Flohmärkte, und so in einem fort. Die Anwesenden, so die S., haben ein unerschöpfliches Reservoir an schlummernden Fähigkeiten. In sich drin. Das müssen sie als ihr Letztes aus sich herausholen. Unbedingt und um jeden Preis. Koste es, was es wolle. Es ist todsündiger Frevel das kostbare Geschenk des Lebens zu verschwenden im Schlund der Ariadne, fruchtlos die Rettung in die Klage. Verschwendung. Ran an den Speck, die Katze ist aus dem Haus. Es ist die reine Freude. Zauberkräfte können genutzt werden und Kraftfelder aufgesucht. Von Elfen und Feen schweigt das Hirngespinst, doch alle Therapie hat nach dem Tag noch ihren Abend. Das abgelenkte Paradies lässt ihr die Augen halb funkeln wie die frisch gereinigte Rosette der unbefleckten Jungfrau Maria. Ernst jetzt plötzlich sie, nach dem vollzogenem Himmelsritt. Die Mine wird finster, sieben Engel tauchen vor meinem inneren Auge auf, Trompeten werden geblasen. Die Möglichkeit friedlich auf Papa Tod zu warten scheidet für die S. von vornherein aus. Von Verrosten ist die Rede, während man auf dem Sofa herumgammelt, und, sie kann es sich nicht verkneifen, es muss auch vor die Hunde gegangen werden, alkoholbedingt oder anders.
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- Die Inbrunst der Standpauke über den reinen Genuss im Land der unbegrenzten Möglichkeiten lässt mich an die moralischen Predigten alter Vetteln über die Verderbtheit der menschlichen Säfte erinnern. Zu lachen, scheint es, gibt es hier nichts. Die gleiche Verbissenheit und der ungezügelte Hass auf alles, was sich nicht fügen mag. Wie eine gehörnte, alte Schachtel. Der zeitgenössische Epikureismus lässt sich gewöhnlich nicht zu solch leidenschaftlichen Ausbrüchen hinreißen, man gibt sich gelassen. Im gemütlichen Plauderton werden die Plagen des Daseins als unabänderlich zur Seite geschoben, um mit aufgesetzter Begeisterung teilnahmslos in den lauwarmen Gewässern der Unterhaltungsindustrie zu schwelgen. Freikörperkultiviert, versteht sich von selbst, man ist cool und locker geworden. Kein Grund, sich zu erregen. Der Vergleich mit den hochgesteckten Viktorianerinnen hinkt, man ist für alles offen, man hat alles mitgemacht, in jungen Jahren war man selbstredend auch politisch organisiert, man hat dies hinter sich gelassen, als eine Kinderei, man weiß Bescheid jetzt und hat lieber sein Vergnügen. Soweit gehen Toleranz und Lebensüberfreude dann aber wieder nicht, dass man die Zug-um-Zug-zu-Kurz-Gekommenen schlicht ertragen zu können glaubt. Hier muss durch die ganze Grausamkeit der Stichelei zum Mitmachen und Mitlachen; mit vorgehaltener Hand, bloß nicht die Fassung verlieren; angeregt werden. Getarnt als gut gemeintes Schulterklopfen: Wie aufmunternd. (Wieso die gebeutelte Kreatur nicht einfach links liegen gelassen werden kann? Woher der Wille zur Bekehrung, der missionarische Eifer? Ein guter Grund hierfür wird sich schon finden lassen.) Ich schmore also in meinem eigenen Saft, wie der verkohlte Braten in der Röhre. Wohin mit der Wut? Mich zu den Dummheiten der Jetztzeit äußern? Hier, in der Höhle des Löwen mich ihnen selbst zum Fraß vorwerfen? Das könnte euch so passen, dass ich in die gespannte Falle tappe wie eine abgehungerte Ratte. Mehrfach habe ich mich an der Nase herumführen und mir das Wort im Mund herumdrehen lassen. Das passiert mir nicht mehr, mich der Lächerlichkeit preiszugeben, auch wenn mir der Widerspruch auf der Zunge liegt. Ich schlucke meinen Missmut hinunter, und lasse die somatischen Begleiterscheinungen ihr Werk vollbringen. Der Magen würgt und kämpft mit der unbekömmlichen Kost, das Herz rast mit dem Tremor um die Wette und die Ohren sausen wie der Mistral. Wie eine Lawine brechen zu allem Übel auch noch die gesammelten Weisheiten der verhaltenstherapeutisch orientierten Primadonna über mich herein. („Denken Sie nicht in Problemen, denken Sie in Lösungen!“ „Jeder Mensch ist einzigartig, aber jeder ist ersetzbar!“(-…?) „Das gehört dazu!“ „Wo bleibt der Genuss?“ „Verschwenden Sie nicht ihre Lebenszeit!“) Ich kann nicht mehr. Körper, Geist und Seele geben nach und nach auf. Ich könnte jetzt von einem Zusammenbruch sprechen, aber die gespuckten großen Töne haben mir auch dies verdorben. „Denken Sie nicht immer in Katastrophen. Sie werden das überstehen.“ Ich überstehe also, wie es das Man als Frau von mir verlangt, und beiße mich niedergeschlagen durch die verbleibenden vierzig Minuten wie die Ratte …, ach, die hatten wir schon? Zu allem Überfluss setzt ein Wrack an Mensch, Anfang fünfzig mit starker Tendenz zum letzten Urnengang zum krönenden Abschluss noch einen drauf: „Es ist kein Stolz, es ist die reine Freude!“ (Widerspruch, die Therapeut\innen können nicht ohne.) Und erneuert er: „Nein, Nein, es ist die reine Freude“. Das ist zumindest nicht ganz unlustig, im Schlund der weltlichsten aller Bestien einem solchem Satz, ohne rot zu werden, das Leben zu schenken. Hier muss ich in mich hineinlachen, mein Rahmen ist gesprengt. Mich juckt Es in den Fingern, die Parodie noch zu vollenden: „Man wächst ja auch daran.“ Ich verkneife mir den gelungenen Scherz, notdürftig. Das hierauf folgende Gelächter würde mich aus der Rolle des unbeteiligten Beobachters am Rand des Geschehens ins Visier der scharfschüzigen Kokotte befördern.
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- Nun, ich wachse also nicht in die Höhe der Ivenacker Eichen hier, im geschützten Rahmen der Trainingseinheit „ Entspannung nach Brigitte auf dem Totenacker der postfaschistischen Barbarei“. Den Schrecken der Cassandra nimmt mir niemand ab. Wohin also damit? Womit wir bei der „äußerst spannenden Frage“ die Zuflucht suchen können, wen wir die Sache ausbaden lassen. Blindwütig tobend kann ich nicht leichten Fußes in der vornehmen Kühle der strafenden Zurückhaltung darüber hinweggehen. So sehr bin ich noch kein Kind der Toten geworden, kompromisslos bereit meine Pflicht zu erfüllen, euch gegenüber. Für kurz denke ich daran, den Kuss der Spinnenfrau in das Imaginarium des Nestbeschmutzers Napooh zu übersetzen. Soll er sehen, wie er damit fertig wird. Wir sollten uns das vor Augen führen. Er, der lieber Klavier spielt, vierhändig, mit Elfriede, für den die einbeinige Ente Grund genug ist die Welt in Bausch und Bogen wortlos zu verdammen: die Unterlippe nach vorne geschoben, die kindlichen Augen in einem Meer von Tränen, schüttelt den Kopf und tritt zur Seite, überlässt kampflos das Feld der menschlichen Selbstbehauptung, so unbeholfen und naiv im Umgang mit sich und den Seinen, dass ihm das bloße Verständnis fehlt für jede Form der Verletzung; auch in der gnadenlosen Welt von Schuld und Sühne.
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- Hier hat er nichts verloren.
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- <h2>No Namens und Nobodies </h2>
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- Wir werden der tragischkomischen Figur des nimmersatten Napooh kaum nachsagen können, dass in dieser Hinsicht das Schicksal ihm einen Streich gespielt hätte. Die leiblichen Funktionen erfüllen nur allzu gern ihren Zweck, mehr als ihm lieb ist. Ein beständiges Pochen und Pulsen verfolgt ihn gnadenlos, an Ruhe in den Wipfeln ist für ihn, mit solch enormem Drang ausgestattet, gar nicht zu denken. Der Bruch, den das Phantasiegebilde so erleidet, (-schmerzlich Verfallen den natürlichen Notwendigkeiten auch er-), kann ich nicht aus der Welt schaffen. Die Verweigerung besteht im Vollzug der Sache, nicht in ihrer Abwesenheit. Dies wiederum nicht als Protest wider die unsägliche Qual, sondern vielmehr in seinem grundsätzlich sozialen Unvermögen. Wer den Versuch unternimmt, sich ihm zu nähern, kann mit kaum mehr als hingemurksten Lauten, nichts sagenden Gesten und Kauderwelsch vorlieb nehmen. Der Atem geraubt wird dem ungebetenen Gast aber nicht durch die unverständliche Lautmalerei, die durchaus noch Neugier und Interesse an den Tag holen könnte. Jede Aufregung treibt ihm den Schweiß aus allen Poren, wie Wasser dem Kanaldeckel entgegen läuft die Brühe an ihm herunter. Das Gesicht knallrot, verlegen der Blick zur Erde gesenkt, die nasskalten Hände ineinander gekrallt wie Adlerzangen um die kreischende Maus, kann er nicht mehr ruhig auf der Stelle stehen. Dabei der aussichtslose Versuch irgendwie sich verständlich zu machen, ein Gespräch in Gang zu bringen, nur irgendwas sagen, aus sich herauskatapultieren, pressen und drücken, und\aber nichts findet den Weg durch die Gänge der verstopften phobischen Eingeweide. Aus den inwendigen Gängen des sexuellen Spiegelkabinetts fließen die übermächtigen Phantasiestreiche dem Dompteur dabei beständig aus den Händen. Voll im Fluss verliert der namenlose Zellenbrei den letzten Halt im Konstrukt des sozial realen Geschehens. Besessen von der einzigen Allmacht auf Erden verliert sich die Vorstellung schon wieder in buschigem Seetang, die schlammigen Muscheln von rosigen Eicheln wie Seepferdchen umschwommen, Va Banque: weiter gegraben im Morast der Muskeln, dunkeleng gespannt um die speichelnasse Vorhut, gräbt und ackert mit flinken Fingern, die Krähen schreien laut auf am Himmel: weiter in die Lüfte, der Gestank aus den Eingeweiden, sie stammelt das angestammte Arve Maria der heiligen Versuchung, im Paris des letzten Tango fließen nochmals einsam die Tränen, aus ängstlich aufgerissenen Augen, flehen sich weiter in die Tiefe des Klafters rein, die Lippen längst triefend blutig gebissen, als besiegeln sie den Schwur einer geheim gehaltenen Brüderschaft. Die saftige Kraft verloren, flutscht das schlappe Gehänge aus dem glitschigen Würgegriff der rauschenden Rosenblüte, dorschartig die weitnassen Lappen. Ermattung jetzt, beidseitig, und schamvolles dösen. Der feingliedrige Pianist findet nach dem glanzlosen Allegro übergangslos seine alte Form zurück. Unbeteiligt beobachtet er im Adagio die unbestirnte Zimmerdecke über ihm, mehrfach entspannt können ihm die koschenilleroten Billen der anhängenden Krampe vorerst gestohlen bleiben. Von inneren Gesetzen wollte er zurzeit auch nicht in Erstaunen sich versetzen lassen. Soweit, so gut. Unwetter naht da von der anderen Seite des Seins heran, erbricht sich über ihm im ungeahnten Schwall aus widrigen Worten. („Wer bringt sie je zum Schweigen?“). Als hätte er seine Pflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt zieht das unersättliche Plappermäulchen ihn hinein, in den ewig-weiblichen Würgegriff aus Ideenflucht und Wissensdurst. Er kramt noch mal in den letzten Resten seiner identischen Einheit herum: Namen tauchen auf, die nicht die seinen waren, er muss sie gekannt haben in der verschlungenen Vergangenheit. Wenn er zumindest sein Alter bestimmen könnte, wäre vielleicht etwas gewonnen; von Berufen wusste er nichts; Orte, von denen er gehört hatte, hier und da, gut, aber damit lässt sich nichts anfangen. Die verstrickten Netze der Sehnsucht erneut im unsteten Meer aus Fragen ausgeworfen, ganz der Alte, kann er sich nicht mehr zur Wehr setzen. Lässt sich von der Strömung, starr vor Angst, und den Fels aus Decke dabei fest im Visier, durchs Unwegsame schleppen; keine Sterne nirgendwo, unendlich fern und doch so nah: für Finken und andere Seebären. Nichts geblieben, kein Atlantis und kein Babylon; versunkene Städte, die niemand erinnert. Nirgends. Beständiges Rauschen dabei: Hörsturzartig. „Nicht schämen brauchen deswegen“, („welches wir, - und weswegen?“); Namen und so, „ob man nicht doch gemeinsame…?“; „hat gerade erst dies und das und jenes…“; „parfümierte karibische Flüche, BrettPutten und Deppen…“; „kennt doch jeder, die neue, mainstream, aber früher, old style noch, richtige Bretter, voll drauf abgefahren…“; „komm jetzt nicht auf den Namen, Franzose, auf jeden Fall, muss man gelesen haben, aufm Klo im Dunkeln und im Brunnenschacht…“ ( „Vielleicht meint sie den Noteboom, aber der ist Holländer“); „am Wochenende eigentlich immer…, bis morgens früh, also ohne könnt ich nicht aushalten, da musst du auch mal mitkommen“ ( :horcht auf, mit Entsetzen); „ich geh aber sonst nicht direkt, das ist wirklich ne Ausnahme“, lacht kichernd und gluckst glücklich-stolz…; „das ich auf den Namen nicht komme, den musst du doch schon mal“…; „ist ja schon nach zwei, aber wenn du, na ja ist vielleicht doch, sag doch mal was du…“; „ich geh mal pi-pi\nkeln“. Kurze Pause, …-und lautes Furzen schallt durch die Stille der Nacht. Pause und Nachschlag. Hat wohl doch noch mit der Sache zu kämpfen jetzt. Die Kostgängerin kehrt zum Ort des Geschehenen zurück, hat die Hoffnung auf weitere analytische Bearbeitung ihres kleinschmierigen Glückes wohl fahren lassen mit dem Wind, summt sich, zufrieden-selig mit der zügig bewiesenen Freigeistigkeit, in den selbstgerechten Schlaf. Er, vom Zugzwang befreit wie der Esel abends von dem Karren, kann die engspannige Körperbearbeitung nicht so ohne weiteres (=wie sie) verknusen. Fast glaubt er zu platzen. Nicht vor Scham und Ekel, aber dies dicht an dicht gedrängt, wie in der U-Bahn, mit Wesen, die nicht die seinen sind, hält er nicht länger aus. Gesagt, getan, würde sich Einer von vielen, wie man so sagt:, aus dem Staub machen. Für ihn ist die Lage, wie immer, verfahren. Den heiligen Karren seiner dreifaltigen Phalanx in die Richtung eines zweckmäßigen Ziels zu lenken, vermeidet er, so gut es die menschliche Natur ihm gestattet. Wir könnten glauben, dass die ausführliche Planung von Vorhaben größerer Spannweite den Fluss seiner Gedanken zum Stocken zu bringen droht, dass er, wenn man so möchte, aus geistiger Gebundenheit heraus nicht zum Zuge kommt. Ganz im Gegenteil liegt der Fall, an Planungsvorhaben mangelt es nicht im zusammengeschlossenen Ich-Kosmos aus „Sich und Sich“: sich selber in sich selber fest verschlossen wie ein konserviertes Glas saure Gurken. Mit Senfkörnern und Blättern aus Lorbeer. Den Schritt in Richtung Wirklichkeit zum Stocken bringt die peinlich genaue Planung, die Vorwegnahme scheinbarer, unvorhersehbarer und tatsächlicher Folgen. Um über den geworfenen Schatten zu springen, geht ihm der dringende Drang einer zu allem entschlossenen Entschiedenheit schlicht ab. So wichtig ist es nun auch wieder nicht, sich die Schwere der Verantwortung gleich auf die Schultern zu nehmen. Er lässt sich treiben, haltlos, vom Sog der Masse oder der Umstände. (Den morgendlichen Stuhlgang, hart und trocken, als eigenverantwortlichen Entschluss der Eingeweide, als stiftenden Akt der Eigentlichkeit, an den Mann zu bringen, überlasse ich den stillen Fragern aus der phänomenologischen Ecke. Jenseits des Seins. Sie mögen ihr Süppchen kochen, wir werden es ihnen später noch verglaubersalzen). Wo waren wir? Napooh will weg, und weiß nicht wie. (So kann man die Sache natürlich auch mal betrachten). Er quält sich noch geschlagene zwei Stunden rum; traut sich nicht, sich zu wälzen, von wegen das sie wieder aufwacht; schlägt schließlich die Decke ein wenig zurück und steht unsicher im sternklaren Halbdunkel der fremden Umgebung. Bestialischer Gestank nach Möwenkot und Heringskadaver hängt in der Luft; besser anhalten, sowieso vor lauter Angst, nestelt er im Gehege des unschuldigen Rehkitz, befleckt zwar aber halb nur, nach seinem Gerümpel aus Hose, Hemd und Pudelmütze. Schnappen nach Luft, kurz nur, Stirn abwischen, und raus. Nichts wie raus. Rumms. Schnell jetzt, und hektisch. Bloß nicht, dass sie ihn jetzt noch zur Rede stellen kann. Kalt und windig, Erleichterung, Aufatmen. Dann genießt er die wiedergewonne Bewegungsfreiheit in großen Schritten. Viel zu kurz, der Weg zum möblierten Einraumkäfig, zwölf Minuten vielleicht. Hundemüde schlägt er sich Umwege schnell aus dem Kopf.
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- Ich denke, wir haben den weltentrückten Eigenbrödler mit genug Schmutz beschmissen, um ihm die Krone der ewigen Nacht mit den Dornen der Leiblichkeit, durchlebt und durchlitten wie jedes andere gewöhnliche Vieh eben auch, beschmückt zu haben. Die deftig verluderte Stelle zu überspringen hielt ich nicht für nötig, in den Zeiten zerfledderter Hochglanzbroschüren und zelebrierter Doppelbedeckung, vorgelegt zum einsamen Freizeitsport. Ich hatte die Tinte auf dem Füller, und wollte sie auch zu Papier bringen. Machen wir also weiter in voller Fröhlichkeit, und bringen die Sache zu Ende. Napooh, gebeugt und gebeutelt wie ein Windflüchter, ist zu später Stunde von der namenlosen Demeter, gut ausgestattet wie eine Galatea, empfangen worden, um die Sünde rittlings zu gebären. Wie, so fragt ihr euch zu recht, hat es dazu kommen können? Geistesabwesenheit und galoppierende Schwindsucht haben ihn doch immer schon genötigt, die Schotten von Sprache und Gebärde geschlossen=dicht zu halten. Zu mehr als zu Gesprächen mit Eckermann und Goethe reicht es bei ihm nun mal nicht, und schon da raucht ihm der Kopf. Eine Leuchte ist er, weiß Gott, nicht. Trotzdem muss er noch etwas in petto haben, denn gefragt ist er trotz aller antrainierten Kratzbürstigkeit wie eh und je ein zuckriger Sahnespender. Zu dem heiteren Tanz hat, ihr habt richtig gelegen, die bewegliche Gazelle geladen. Um den Vogelflug als die Grundlage der Fliegerkunst durchzuackern war denn auch mehr als ein Kniff nötig. Sich dem Kratt behutsam vorsichtig anzubieten, hat ihr keine Aussicht auf Erfolg versprochen. Regelrecht an den Hals schmeißen hat sie sich ihm müssen. Beharrlich und hartnäckig, ausdauernd schon hier, im Vorfeld des Geschehen. Im Nachhinein war sie dafür auf ihre Kosten gekommen. Auf gebockten Stelzen ihm die schüchternen Bereiche der Wirklichkeit möglichst schmackhaft gemacht. Sie kann nicht mehr meckern, jetzt. Er hat alles getan, wonach sie verlangt hat. Dass einige Humpen köstlicher Kaltschale ihm die winterliche Überwindung erleichtert haben, soll dabei nicht unerwähnt bleiben.
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- <h2>Die Spatze brutal verschimmelt</h2>
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- Zwei Schwäne schwimmen in kurzem Abstand über den See. Pia versucht, sich von ihnen ablenken zu lassen, was ihr nicht ganz gelingt. Einerseits hatte ihr neuer Schwarm ordentlich einen an der Waffel. Verschwindet mitten in der Nacht, meldet sich nicht, tagsdrauf, und geht nicht mal ans Telefon. Die Nummer hatte sie heimlich von seinem Handy abgelesen. Wozu braucht er überhaupt eins, wenn er doch so gut wie nie drangeht. Kennen tut er auch keinen, oder zumindest kennt kein Mensch ihn. Außer vom Hörensagen. Als sie ihn schließlich an der Strippe hatte, war er zu keiner verständlichen Aussage zu bewegen. „Na ja“, „weiß nicht“, „vielleicht“ und so; jedes Wort musste sie ihm aus dem Mund ziehen. Wie er denn überhaupt heiße? : „Napooh, galaub ich“ Was war das wieder für ein nickliger Name; an den Haaren hergezogen; als ob der groß was zu verbergen hätte; und „glaub ich“, was soll denn das? Im Jubelgeschrei ist er untergegangen wie ein sterbender Titan, und tut dann so, als ob man sich gar nicht kennen würde. Klar kennt er seinen Namen, so was hat man doch noch nie gehört. Ihr, Pias, Faible für verlorene Seelen ist ja gut und schön, aber der war wohl doch eher ein Fall für den Facharzt. Sie hat ihn schließlich zu einem Treffen am See im Ostpark breitschlagen können. Wer zum A Ja sagt, so ihr Motto, der muss auch Beziehung sagen. Er solle ihr erst mal Rede und Antwort stehen, die Zicken würde sie ihm schon austreiben. Das wäre doch gelacht, wenn er nicht formbar wie Wachs werden würde, in und unter ihren Händen, feingliedrig die,; im Laufe der Zeit. Der konnte ihr doch wirklich nichts entgegensetzen. Kommen musste er nur, das war der Haken. Noch einmal will sie sich nicht erniedrigen, so einem Hallodri hinterher zutelefonieren, tagelang. Der Rest ergibt sich von alleine. Sie guckt auf die Uhr am Handy: Zwanzig nach vier. Punkt waren sie verabredet, sie ist erst vor zwei, drei Minuten gekommen. Er also zu spät, womit sie gerechnet hat. Gebaut und bestückt ist er gut, denkt sie, ich muss ihn nur in Schale werfen, dann gibt er richtig was her. Die Haare kann er sich ein bisschen wachsen lassen, hat er mehr Pfiff dann. Von Musik hat er ja gar keine Ahnung, aber das ist kein Problem. Die Schwäne schwimmen ein Stück von ihr weg, und sie guckt nochmals auf die Uhr. - Da steht er vor ihr: Napooh. Plötzlich. Schweiß auf der Stirn. Glucksend guckt er auf den Boden, murmelt sich was in den Bart, und dreht schon an einer Zigarette rum. Diese ständige Raucherei wird sie ihm auch noch madig machen. Die Schwäne drehen um, wohl in der Hoffnung, dass es was zu holen gibt. Nicht allzu aufgeregt, die beiden. Sie waren das Stadtleben gewöhnt, und versprachen sich nicht allzu viel von Veränderungen der Außenwelt. Oder sagen wir mal vom Auftauchen zweibeiniger Tierfreunde. Pia freut sich, dass sie ihre Energien nicht umsonst vergeudet hat, fühlt den sicheren Sieg in ihren Händen, sie hat ihn geschnappt, endgültig, er und sein Haken zappeln im Netz ihres Verlangens. Die Begrüßung darf davon natürlich nichts sehen lassen, betont kühl lässt sie ihn ihre Überlegenheit spüren, den Rücken durchgedrückt, als ob sie nichts Besseres zu tun hätte, als sich hier was abzufrieren. Verlegen versucht er sich rauszureden, verschlafen und so, dann nicht gleich gefunden. Abwertend lacht sie. Nippisch äfft sie ihn nach: „Verschlafen“. Da lachen ja die Hühner. Napooh weiß gar nicht wie ihm geschieht, soweit nichts besonderes, noch viel weniger, worüber sie lacht. Das Wundern darüber ist ihm abhanden gekommen, verloren gegangen im Laufe der letzten Jahre. Er lacht kurz mit, bemerkt die Unzufriedenheit mit seinem Friedensangebot, gut gemeint doch, und meistert die Lage, indem er sich neben sie plumpsen lässt. Sieht sich die Schwäne anstelle der schönwilden Pia an, was sein geplagtes Gemüt wieder in Einklang bringt mit Welt, Wille und Wehe. Sie wird das Kind schon schaukeln, so ist er es gewöhnt. Er wüsste auch gar nicht, was er sagen sollte, sitzt da und versucht Fetzen von Wörtern in sich aufzusaugen, versteht aber, reden wir nicht um den Brei herum, gar nicht, worum es im Einzelnen geht. Klar wird ihm nur, dass er an die Kandare genommen werden soll, wie das Zugtier vor dem Karren. Ehe er sich versehen hat, ist er in eine Beziehung hineingeschliddert, was er so gar nicht in seinem defätalen Sinn gehabt hat. Der hartnäckigen Pia konnte er aus dem Stegreif nichts entgegensetzen, so fügt er sich in das Glück, welches ihm in den Schoß gefallen, - beziehungsweise jaspernd geworfen worden ist. Dass ihm die Sache nach und nach zu bunt wird, kann ich so auch nicht sagen, aber klaustrophobisch auf der Bank hin und herrutschend schwindelt und schaukelt er sich in die psychosomatische Übelkeit hinein. Sagen wir mal: unterzuckert.
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- -Oder: unbeteiligt. Das Gebräu aus Beschwerden körperlicher Natur und den Sturm fliehender Gedanken betrachtet er mit geübt phlegmatischer Teilnahmslosigkeit. Hier, im Moder der Welt, ist nichts zu machen. Flucht? kommt nicht in Frage; fühlt sich trotz des Unbehagens auch angesprochen vom Geruch, wie zartes rosa, der Liebsten. Sie wird nicht müde, ihn verbal zu traktieren (falls ihr ein Faible für fremde Wörter euer Eigen nennt). Wohl mehr als Ablenkungsmanöver in die Szene gesetzt, denn Napooh wird sich klar, dass ihre Hand auf der seinen ihren Platz gefunden hat. Ungefragt. Jetzt wird ihm doch mulmig zumute, so gut kennt er sie nun auch wieder nicht, dass er ihr gleich die ganze Hand überlassen möchte. Zieht sie zaghaft zurück, um sie in der Jackentasche ihr Eigenleben führen zu lassen, -und wird von der Entschlusskraft der paarungswütigen Perle erneut, abermals und endgültig überrumpelt. Er lässt die Liebkosung, gar nicht zaghaft die Dame, über sich ergehen, macht sich aber aus dem Staub der wirklichen Welt auf in die unzugängliche Gegend seiner verknoteten Innerlichkeit. Wüstenleer das Ganze, aber eben doch wie ein wärmendes Heim. Ein Kiefernschwärmer landet auf seinem Ärmel. Für kurz, nur. Sie jauchzt auf, lässt vor lauter Begeisterung seine Hand in der Höhle aus Polyester ihre langersehnte Zuflucht nehmen, küsst ihn vor Freude auf den Mund, -und wischt ihm das Rinnsal aus Tränen von den zerfallenen Wangen. Mit einem Taschentuch.
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- <h2>Katzen, Hunde und Hasen </h2>
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- Grabstill alles, und die Lichter schon aus. Im Dunkel brennt die Stadt: Morgue. Ein Leichenschauhaus. Auf dem Nachhauseweg perspektivische Verzerrung, neurasthenisch bedingt. Unordnung und Störung. Der expressionistische Akt zuerst und das impressionistische Stillleben am See; hinterher. :Gediegene Abbildungen der Realität. Er versucht sich Armfreiheit zu verschaffen, wieder, über die Grenzen und Schranken der nebeneinander gestellten Flächen hinweg. An den Urquellen seines Lebens versündigt, stürmt er der absurden Aktion schon wieder entgegen. Explosion und Aufschrei, wie verdoppelte Entstellung, mit Kind und großem Vogel. Die Blätter schreien vergiftet in die Luft, munchisch. Von neuer Sachlichkeit keine Spur, die beckmannsche Granate hat eingeschlagen, 1916. Zur Prager Strasse bibbern die Beiden über den Asphalt, zügig bei der frostigen Kälte. Klag, Klag, Klag und Stummelglied. Um sich erträglicher zu machen, Gedanken an Bosch und Breughel, die beiden Jammerlappen. Hätten auch hinter Gitter gehört, in jedem Fall. Das Entsetzen schüttelt ihn vorwärts, sie, an seiner Hand dran, hinterher. Weiß vielleicht noch nichts vom Wahnsinn der Welt, Dr.Caligari und dem blaublödem Reiter, durch und durch Realistin, aber kalt ist ihr auch, trotzdem sie geil ist, wie sonst nur Kröten im November. Naturveranlagung mit Blut in den Adern. Ein Alptraum von Brücke jetzt, bei dem Licht. Gerade Linien, spitze Winkel und so. „Dann ist auch nicht mehr weit“, sagt sie. Er vertieft schon wieder: „?“. „ Na bis nach Hause.“. „Ach so.“ (Und denkt: „Blödes Huhn“.) Verschwommen die Wogen unten, schwarze Masse wie Chymus, aus treibendem Stauben und Kläfflauten. Cerberus, der betagte Höllenhund, jagt wieder die Meute. Hundert Tage noch, dann war auch das vorbei. Mondsüchtiges Staunen, eingeschlossen im rauschenden Getose aus Wasser und Feierabendverkehr. Und wieder Stille jetzt. Hecheln und Japsen, nach dem bedrohlichen Auftürmen der Gewalten. Die Zunge geht über die obere Lippe, ganz tropfignass vom Nasenlauf. Gelobt sei die menschliche Natur mit ihren Drüsen: Gestank aus Schweiß und Blut, beständiger Verfall mit Zellerneuerung. Klappern nach einem Taschentuch, vergeblich. Wischt sich den Rotz an der Hose ab. Den Rest schluckt er runter, so gut es geht. „So“. Er wieder verdaddert, bleibt aber mit ihr stehen. Ihre beiden Hände wie abgesägt in den Jackentaschen, angestrengtes Wühlen und Graben. „Kann doch nicht wahr sein“ (bläkt da schon der Dragoner in ihr). Ungeduld bestimmt die Gestik. Vom Wind durchgebraust glotzt er sie an. Von Blödheit zerfleddert, der Blick dabei. Ungelenkes auf der Stelle treten bringt ihn auf Trab dann: „Wird wohl hier wohnen“. Schlüsselgeklapper und Flutlicht im Souterrain trifft aufeinander, mit Gardinen vernagelt das kleine Wohnglück, eine blühende Ikea-Rose verschandelt die Fensterbank zum Unglück aller noch mehr. Geschlossenes Wahngebäude, subversiver Blick und das Maul wie zerrissen. Licht aus. Hat wohl genug gesehen, um sich einen Reim zu machen; darauf. Wie ein Kirchenräuber tappt er, Napooh, ins Dunkle, ihr nach, ängstlich; sie eilig vornweg, freudig wohl und blühende Glut schon, wie Rose aus Holz. Erregt eben. Und drinnen dann, die verwundene Kammer verträgt kein Licht mehr, durchkämmt er das Haargeflecht, wittert den Geruch, durchdringend: gefallenes Laub, ein Hauch vom Wind der Atmung auf der Wange: leise gespürt nur, das, verloren die Illusion vom Ich, als dem Ursprung, im werdenden Wogen, wird er eingefügt, in den Rhythmus. Der Hoffnung auf Glück, als Versprechen bloß, verletzbar ausgesetzt; ganz ängstlich die Zärtlichkeit deswegen: zerbrechlich im Nu. Die Flächen der Hände legen sich aufeinander, suchen Abstand zu finden, dann, und greifen schon wieder ineinander: In Sicherheit. Und wieder. Auflösung. In Tränen. Die Nacht ist vergangen so. Die Zeit hat sie verloren, irgendwo. -
- (Das könnte euch wohl so passen, was? In eurem Kram. Fallendes Laub und Hände, die sich finden, mitten drin, in der zu Ende verwalteten Wirklichkeit? Als wäre alles ganz beim Alten? Ihr unheilbaren Romantiker, nein, nein und dreimal nein; nichts ist es mehr mit Hingabe und Augenblick. Das kann man doch keinem mehr weismachen, im Heutzutage. Erstunken und erlogen das. Lange vor meiner Zeit. Napooh ist noch nicht erfunden: Nichts ist aus, nichts vorbei. Nach unzählbaren Verletzungen dann vernarbt und verhärtet. Geduld und Zärtlichkeit auf der Strecke liegen geblieben, irgendwo am Rand. Überwältigend traurig: Jetzt. Der Blick zurück: Unauffindbar. Abhanden. Gekommen. Man tut, was man kann, sicher, leere Gesten und hohle Phrasen. Wie blecherne Jahrmarktspuppen, die Beiden auch, im Reich der Sinne. Hören und Sehen vergeht keinem mehr so schnell. Zärtlich über den Nasenflügel huschen, sicher, mit dem Finger, doch den Spurt zum Ziel schon längst im Auge: Fick mich. Keine Zeit mehr zu verlieren. Keiner mehr. Der Scharlatan versuchte in sich die Fasern der Erinnerung daran noch zum Zittern zu bringen. In der Welt der Texte bloß. Vorsichtig, zunächst: Das Versprechen. Dann Zurücknahme. Und Abwarten: Hoffnung auf Glück, dabei. Und das Wissen von einem längst geleerten Krug: Wie zerbrochen, er, und mitten im Sein.)
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- <h2>Verschlissene Kreis </h2>
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- Dass die Liaison des nichtsnutzigen Nesthockers mit der Innbrunst auf die Dauer nicht gut gehen hat können, ist der Rede nicht wert. Sie, voll im Saft, und er vertrocknet gleich einer Primel, in der Gluthitze des Lebens, mehr tot als lebendig, das kann ich euch versprechen. Die Loslösung der Beiden verlief ohne größeres Geschrei. Zum besseren Gedeih beider Beteiligten, in Einvernehmen, wenn auch unter Trauer und Tränen. Nichts konnte beendet werden, weil nichts hatte beginnen können, unter solch ungünstiger Konstellation der Sterne. Es zog sie, die Pia, hinaus, in die Welt der Abenteuer und Erlebnisse, wo er im Dickicht der Innerlichkeit seinen Weg zu bahnen sich mühte, was sie nicht sah und nicht hat sehen können. „ Immer liegst du nur im Bett, und starrst vor dich hin“. Das war ihr nu`doch zu wenig Anteilnahme am ereignishaftigen Charakter von Welt, Wille und Wehe. Leiden konnte er ihrethalben ja soviel wie er wollte, schopenhauerisch oder nietzscheanisch, das war ihr gleich, aber das musste doch nicht unbedingt in der Wagnerechten vor sich gehen. Im Museum etwa, oder Theater, die hatten doch auch alle gelitten, aber zumindest war etwas dabei herumgekommen. Napooh dagegen stand der Sinn gar nicht nach Verwirklichung. Wenn aus dem kakophonischen Kauderwelsch in Dur oder Moll, sagen wir spaßeshalber mal mit großer Sieben, ein zwölftongeschmälerter Gedanke das Licht der Welt zaghaft anblinzelte, war er da nicht weit genug gegangen? Er ließ ihn, den heiß stampfenden Brei, dann wieder fallen, mehr wollte er gar nicht wissen davon. Sicher, als junger Mensch, da zog es ihn noch hinaus, da vertraute er sich hier und da ungeübten Ohren noch an. In Parks und auf Bänken. Das war vorbei jetzt. Und schon länger. Von mehr als rabiaten Verbalausbrüchen in die sichtbare Welt der Menschen wollte er nie etwas wissen. Um die Turnübungen, an die er sich allzu schnell gewöhnt hatte, nicht aufgeben zu müssen, ließ er sich dazu hinreißen, das eine und andere Aquarell hinzuwerfen, der schönen Pia und ihrer Gelenkigkeit zuliebe. Zu ihren Füssen, wie eine Katze die Maus präsentiert, noch warm und doch schon tot. Wie ein Stein. Das war ihr natürlich nicht genug, ihr kennt das Spiel. Sie konnte sich nicht damit zufrieden geben, was sollten denn ihre Freunde denken, mit so einem Waschlappen sich abzugeben. Nymphoman könnte man sie halten, regelrecht nymphoman, sich abspeisen zu lassen mit Ausflüchten und anderen Ergüssen. Pia tritt ab von der Bühne des nichtigen Napooh, wir geben ihr die Ehre, das Licht gedämpft schummernd, Saxophonheulen leise verhallend, verschwindet sie, die Konturen verwischen sich in der Umgebung, Licht aus und ein tosender Knall:
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- Napooh im Wartezimmer der Nervenärztin, grelles Licht Neongeröhre, Gebrabbel von Menschen, hin und her Geraschel. „Ja bitte Frau so und so“. Aufstehen und Setzen, Mantel an und Jacke aus, am achtzehnten um elf also, und bringen sie dann bitte Ihre Karte mit, Gedengel an Schnürsenkeln, nervös zittrig, durchbohrende Ungeduld braust Napooh auf, doch noch nicht, erst Herr sowieso. Der rüstet sich schon zur Schlacht, ihm ist auch nicht wohl zumute bei dem Gedanken. Durcheinander rutscht Napooh hin und her in der Warteschleife, alles verknotet, jetzt schon, von klaren Gedanken keine Spur mehr, nestelt im Portemonnaie nach dem Spickzettel: Krankmeldung, Tabletten und Terminabsprache, halb so wild, das würde er schon noch aus sich rausgeprügelt bekommen. Wüste Leere im Innenraum, aus und vorbei das tetatete, taubstummer Schmerz und eingeübte Resignation, alles aus dem Sinn schlagen, das wär wohl das Beste. Das Leben geht weiter, darauf muss er gefasst sein. Hochglanzgekritzel über den Nutzen von stillem Wasser, drei Liter täglich, als ob man ein Pferd wär, und Nutzen und Nachteil der Konfliktbewältigung in Beziehungen von Männchen und Weibchen, die neuesten Schreie im Bereich des Modischen, Ponys und Stiefel\etten in jedem Fall liegen wieder voll im Trend, und natürlich brandheiß neue Kürbisrezepte, läppisch normal das, aber mit Ingwer: eine Symphonie für die Sinne, ich kann`s euch sagen. Von illustriertem Weltschmerz hier keine Spur, alles im Bereich der lebenspraktischen Bewältigung, gegen die Leiden der Lebendigen helfen Tee und heiße Bäder. Na dann man rauf auf die Felder: Johanniskraut, Schachtelhalm und die köstliche Wurzel aus Kalmus gezupft und getrunken. Jetzt werden sie geholfen. „Herr N. bitte“, Napooh wackelt mit hängenden Ohren hinter dem aerobicgestählten Arsch der Helferin in den Behandlungsraum, beult sich in den ihm zugewiesenen Stuhl und versucht seiner ständigen Natur durch Atemstillstand Einhalt zu gebieten. Alles wieder auf Null Null reduziert, gönnt er sich eine Verschnaufpause. Zur Verhütung noch größerer Übel. Den Fragen des abgestorbenen Fachpersonals steht er in Kürze Rede und Antwort, so gut es ihm möglich ist. Stutzig machen ihn Fragen, die mit: „Was meinen sie genau mit…“ ihren Anfang nahmen. Was meinte er mit, sagen wir mal, Verdüsterungen? Wie sollte er das wissen? Mit Verdüsterungen meinte er Verdüsterungen, mit Zusammenbrüchen Zusammenbrüche, und mit Abgründen Abgründe. (Habt Ihr, oder einer von Euch, schon mal den Kellner fragen gehört: „Was genau verstehen Sie unter einem Espresso?“ Na also! = Blödsinn, das.) Während der holmesgleichen Inspektion der seelischen Deformationen eines uns wohlbekannten In-die-wie-du-ums knetet dieser mit seiner rechten Hand die linke, und umgekehrt; scheinbar ohne ausgeklügelte Systematik. Da ein Arztzimmer nie ohne Bilder zu haben ist, nimmt der komische Vogel die zur Schau gestellten Originale näher in Augenschein, oder, wie die Lateiner schon wieder sagen, in die Inspektion. Er hält sich nicht für den van Gogh der Aquarelle, aber mit diesem postsurrealistischen Schmierkram kann er sich seiner Meinung nach noch gerade messen lassen. Schwarze Linien, wie Leitern, und ein paar bunte Flecken, mehr als ein Lächeln kann das nicht kosten, den Künstler mein ich, wird wohl ein Clown gewesen sein; wie dieser Miller, der den Text geliefert hat.
- Irgendetwas ist mit seinen Synapsen nicht ganz koscher; da könnte sie genau so gut sagen, dass seine Schrauben gelockert sind, aber auch diese die Herrschaften schmeißen gerne mal eine Runde lateinischer Getränke; man weiß schließlich, wer man ist. Ihn kümmern die mikroskopischen Feinheiten seiner Anamnese (oder heißt das Animanese?) recht wenig. Chronisch psychotisches Geschehen, paranoide Schizophrenie und schwere depressive Schübe gleichen sich zwar nicht gerade wie ein Ei dem anderem, wohl aber wie die eintönigen Dörfer hinter den fernsieben Bergen, in Böhmen und Mähren. In Bezug auf seine Insomnia, was wir durchaus auch als eine schwierige Schlafstörung an die werte Leserschaft bringen könnten, wenn wir denn wollten, sind sich Napooh und die zu Ende gebildeten Mediziner im Grossen und Ganzen auch einig, mehr will er gar nicht wissen von Ihnen.
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- Leichter Nieselregen breitet sich, wie üblich von Westen her, aus. Napooh wird aus dem Klammergriff einer lang anhaltenden Spannung gelöst: Lockerung zunächst, leichtes Aufstöhnen dabei, und dann ruckartiges Brechen. Geschafft. Er steht vor der Praxis und weiß nicht wohin mit sich, die Kräfte sind erschöpft. Die jüngere Vergangenheit konzentrierte sich voll auf die Bewältigung des Termins bei der Frau Doktor, für die Zukunft hat er sich keine Eisen ins Feuer gelegt, und steht jetzt auf dem Schlauch. Um nicht zu verkümmern geht er los, erstmal. Sozusagen. Die Tränen vermischen sich mit dem Regen, alles fließt heraklisch die Wangen runter, und landet zu guter letzt in Grab und Gully. Zu düster-defätistischen Gefühlen angesichts so offensichtlicher Fatalität alles sterblichen Lebens auf Erden, das so oder so auf dem Komposthaufen der Geschichte landet, kann sich der leer ausgebrannte Napooh nicht mehr aufbäumen, in seiner jetzigen Verfassung. Die Synapsen haben, glauben wir den Nervenärzten, in den letzten paar Tagen zu oft geglüht, und fangen an zu qualmen wie ein schlechtes Zeichen. Schleppt sich den Bürgersteig lang, irgendwie in Richtung Wohnraum, kauft teilnahmslos Sonnenblumenkerne und Meisenknödel, dann sich selber ein paar Brötchen, Bergkäse und Zwiebeln, Remoulade wär nicht schlecht dazu; weiß aber nicht, wo die ist, weil er sonst nie Remoulade isst, die Verkäuferin kann er nicht fragen, die würd ihn nur angucken wie einen Aussätzigen, er kennt das in solchen Stimmungen, versucht an der Kasse Danke zu sagen, aber kriegt den Mund nicht mehr auf, so schwach jetzt, wie aufgelöst. Depersonalisation, so kann man wohl sagen, wenn man sich an Wörtern festzuhalten gewöhnt ist, als ob das irgendwas erklären würde, als ob das ein Licht in das Dunkel bringen könnte. Sicher, wir sollten uns damit zufrieden geben, vorerst, die Wörter und die Dinge, mehr haben wir nicht, warten wir weiter ab, was sich uns auftut, die Geschichte der Menschheit ist noch jung, zehn, zwanzigtausend Jahre, was ist das schon? Da kann man nichts erwarten, der tägliche Verkehr lässt sich bewältigen: „Einmal Kurzstrecke bitte. Danke und Aufwidersehen“. Der Rest ist gelungene Ich-Identität oder eben Psychose, lassen wir es dabei vorerst bewenden. Napooh kehrt mit einem Reisigbesen das herbstliche Laub vom Rasen. Mit verfinsterter Mine jetztendlich doch. Der Regen fällt auf nichts Neues, soweit.
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- <h2>Von der Seele des Menschen und anderen Wölfen</h2>
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- Die Tür ist schon so gut wie ins Schloss gefallen, als er nochmals zurückschreckt. Tür wieder auf und noch mal reingehen, Deckel hochklappen, den Schlitz aufzerren und entspannen: Wasser Marsch! Von wegen. Er muss wohl doch nicht, Übersprunggehandel mit den eingeborenen Neurosen das. Bei der Gelegenheit überprüft er nochmals den Herd: Aus, der, wie immer. Die Hand greift hektisch genervt nach der rechten Hosentasche: Tabak, linke Hosentasche: Schlüssel, rechte Gesäßtasche: Portemonnaie. In den Jacken-Taschen: verstaut Bananen, Äpfel und Reiswaffeln. Wer weiß, wann er wiederkommt. Lässt die Tür jetzt ins Schloss gleiten und geht los. Das kann doch nicht wahr sein, wo ist das Feuerzeug? Nervöses Hin und Hergreifen von links nach rechts, nichts zu machen, Tür wieder auf, nimmt vom Tisch das Feuerzeug und zündet die selbstgedrehte Zigarette, Marke Eigenbau, sofort an. Es konnte einem ja wirklich das Lachen vergehen; an manchen Tagen. Im Bett hat er es nicht mehr aushalten können, Stuhldrang, gelobt sei die Leiblichkeit: hält einen immer auf Trab, war auch schon wieder Nachmittag, zwei, drei Uhr, gleich wird’s schon wieder dunkel bei der Jahreszeit: also erstmal raus, so sein, Napoohs, vorläufiger Plan. Jetzt kann ihm auch wirklich nichts mehr in die Quere kommen. Die nächsten Stunden kann er sich der täglichen Herausforderung widmen, wieder zu sich zu kommen. Genussmittelmissbrauch hat seine Spuren im Nervenkostüm festgebrannt. Für den Kampf der Eingeweide mit dem bitterschwarzen Instantgebräu vom Saft der Bohne ist er gewappnet: Die Reiswaffeln werden seinen Magen zumindest soweit auf Trab bringen, dass er später in der Lage sein wird, festere Nahrung zu sich zu nehmen: Brot, mit Bergkäse garniert (und Zwiebeln), zu Erbsensuppe. Im Topf auf dem Herd werden die Erbsen schon eingeweicht, die Vorbereitungen sind soweit getroffen, er muss nur selber noch in die richtige Verfassung gehoben werden. In seinem nervlich zerrütteten Zustand wäre es ihm jetzt unmöglich, sich an einer Frittenbude was zu essen zu kaufen, so lang kann er nervlich bedingt gar nicht ruhig stehen. In Hinsicht der Selbsterneuerung durch Einverleibung der näheren Umgebung ist er aber, wie gesagt, auf der sicheren Seite. Für alles ist gesorgt, man soll nicht sagen, er hätte sich mit seiner Situation nicht arrangiert im Laufe der Jahre. Schwieriger liegt der Fall, wenn wir uns die nervliche Anspannung des Napooh näher vor die Augen halten. Ob die Erschöpfung nach längerem Lauf tatsächlich das seelische Gleichgewicht wieder herstellen würde, kann nicht als sicher angenommen werden. Nicht selten bleibt sein Zustand zerfahren, wie ein Schwarm giftiger Wespen plagt die Flucht der Ideen das Wesen, das sie nährt, an essen ist nicht zu denken dann, so dass die Lage sich zusehends zuspitzt.
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- Machen wir euch nichts vor, der eine und andere Aufenthalt in der stadtbekannten Nervenklinik war schon nötig, um Napooh wieder auf die Beine zu kriegen. Hier ließ er es sich gut gehen dannwann, im Raucherraum: saß am Fenster, rauchte, beobachtete die Vögel in den Bäumen. Und die Bäume. Hätte man ihn gelassen, wäre er geblieben, bis zum jüngsten Gericht, an seinem Fensterplatz, wäre hier und da einmal aufgestanden. Und hätte die Vögel dann eben im Stehen beobachtet. Nach mehr Veränderung und Ablenkung verlangte er nicht, im sicheren Schutzbunker wahnsinnig gewordener Kreaturen. Die anderen Insassen, wenn ich sie so nennen darf, wussten nicht, was sie von ihm zu halten hatten. Er war ihnen nicht geheuer. Keiner der ihren. Sie schlugen die Zeit mit Erzählungen über ihr längst vergangenes Dasein als toller Hecht im Karpfenteich tot. Er saß nur da, rauchte, und gluckste dann und wann ein Lachen in sich rein. Keiner wusste warum. Sie nannten ihn den Fenstersitzer, was ja durchaus zu verstehen ist. Nicht ganz unheikel waren für Napooh zwei Termine, die man Visite nennt; montags und mittwochs. Montag: Stationsvisite im Büro von Doktor Wallerius, zehn bis zwölf, ein Patient nach dem anderen, die Liste hing jeweils vor dem Büro. Mittwoch: Oberarztvisite im Aufenthaltsraum der Station, auch von zehn bis zwölf, auch mit Liste vor der Tür. Hier war das gesamte Personal anwesend: Die Oberärztin Frau Dr. Flieder, der Stationsarzt Herr Dr. Wallerius, die Psychologin Frau Dreifuss, der Sozialarbeiter Herr Schlick, die Ergotherapeutin Frau Mangold, die Sporttherapeutin Frau Wichert, die Oberpflegerin Frau Bisek, sowie ein Pfleger oder eine Pflegerin. Beide Termine, Visite und Oberarztvisite, waren für Napooh mit großer Aufregung verbunden, wurde doch hier entschieden, ob sein friedliches Plätzchen am Fenster ihm weiter gewährt oder strittig gemacht werden sollte. Seine Zurückhaltung war jetzt dahin, aufgeregt beklagte er sein psychisches Skellet. Die Ärzte und den Rest der Kohorte ließ er vor lauter Angst und Sorge um seine Anstellung als Vogelbeobachter kaum zu Wort kommen, dabei rieb er sich aufgeregt mit den Händen die Oberschenkel, oder knetete nervös seine Hände. Er hinterließ so, reibend und knetend, wohl doch einen besorgniserregenden Eindruck, denn kürzer als vierzig Wochentage waren seine Aufenthalte im Normalfall nicht. Während einer Visite sagte die Oberärztin ohne äußeren Anlass plötzlich: „Ich glaube Ihnen, dass sie Angst haben“. Napooh war so im Schwung seiner Klagen, dass er weiterredete. Sie schaute Ihn an, als würde sie gar nicht mehr zuhören, und sprach erneut: „Ich weiß, dass es Ihnen schlecht geht“. Napoohs Fluss der Rede stockte, er schaute sie an, dann zu Boden, und schwieg: Woher wusste sie, dass er Angst hatte?
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- Ob er, Napooh, bei seinem Spaziergang zur Ruhe oder in die geschlossene kommen wird, weiß er noch nicht. Ich weiß es schon, macht euch keine Sorgen, alles wird überstanden werden, am Abend des nächsten Tages dann: Die Waffeln aus Reis wird er essen, die beiden Bananen und einen Apfel, wieder zuhause wird er die Erbsensuppe kochen, mit Zwiebeln, Porree und Ingwer, er wird sie, die Suppe essen, wird lesen und ins Bett gehen. Die Arme um sich selber geschlungen wird er mit kuhgroßen Augen in das dunkle Zimmer gucken, Musik hören, von Webern, auf bessere Zeiten warten dabei, vergeblich, und auf den Tod.
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- Soweit sind wir aber noch nicht, ich habe vorgegriffen. Man, und in diesem Fall bin das Ich, beherrscht die verschiedenen Zeitformen der deutschen Sprache, und will hier und da auch mal was sehen lassen davon. Kehren wir also ins Präsens zurück. Unser verkrampfter Engel der Verkündigung ist gegenwärtig auf dem Zenit seiner täglichen Panik angelangt. Der Atem flacht ab, schnappt an der Oberfläche nach mehr vom Odem, sofort wieder abgerissen muss er japsen, verhärtet die Muskulatur der Glieder, der Magen verkrampft. Hetzt sich ab jetzt um sein Leben, bloß nicht nachgeben den Gelüsten der Geisterwelt, reiben sich schon die Hände, seibernd läuft ihnen das Wasser zusammen in Maul oder Mund, mit Mühe und Not hält er die köchelverzeichnet-erlesene Königsbrut in ihrem eigenem Schatten, klafftertief der, so einen Sprung schafft sie auch nicht alle Tage. Klarschiff auf beiden Seiten, es geht ums Ganze. Die Außenwelt scheint auch stillzustehen jetzt, in den dürren Herbstblättern kein kleinstes Säuseln nur von Wind, die bunten Blumen am Vorgartenstrand der städtischen Strassen abgestorben blass schon, hier wird nichts mehr versprochen, auch nicht mehr leise. Wie zum Beweis liegt auf der Fahrbahn eine Elster, tot schon, an der Napooh vorbeitaumelt, zunächst ohne sie zu bemerken. Der Schatten einer alten Weide vielleicht, oder eine Pfütze aus Öl. Steht plötzlich, fünf, sechs Meter später, still. Greift mit der Rechten nach seinen Lippen und knetet sie, wie um einen verlorenen Gedanken zu suchen. Dreht sich um dann, jählings, sieht sie, die zu namenlosem Matsch gefahrene Elster, die keinen Menschen oder Spatzen mehr was schert. Knetet weiter auf seinen Lippen, mit den Zähnen jetzt und weiß oder will nicht mehr weiter. Von der Panik keine Spur mehr. Ekelt sich vor dem toten Stück voll Blut in seinen Händen, schämt sich auch, als er sie in eine Mülltonne gleiten lässt, und verlässt mit hängendem Kopf das Schlachtfeld der gutmenschlichen Moderne.
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- Die Episode könnte ich so ganz gut stehen lassen, aber ich wollte ursprünglich auf etwas anderes hinaus. Dass ich vom Weg abgekommen bin, soll uns nicht weiter stören, wir haben den massentauglichen Verlauf der Abenteuer noch nicht ganz aus den Augen verloren. Napooh entrückt sich mit faustischem Drang in die hochkulturellen Gefilde. Er brütet über den tatenlosen Macbeth als des Pudels Kern seiner Misere. Er meint damit natürlich Hamlet, ist aber durch die abgestorbene Elster ganz aus der Fassung geraten. So was passiert ihm sonst nicht, in geistigen Fragen kann man ihm nicht so leicht an den Karren spucken. Das haben auch die Herren Professoren und Doktoren zu spüren bekommen. Weswegen er ihnen verhasst war wie der Wolf den Hunden. Der misslungene Versuch eines Kompromisses mit den realen Verhältnissen, die Entsorgung der Elster in der Tonne, hat ihm offensichtlich nicht nur gar nicht gut zu Gesicht gestanden, sondern auch die Birne weich gemacht. Ganz verblödet ist er aber noch nicht davon, der Fauxpas und falsche Friede ist ihm nicht entgangen. Er beschließt, die Elster nach dem Spaziergang ordentlich im Garten zu vergraben. Lassen wir meinetwegen jetzt die frühzeitig entlassene Komparse Pia erneut die Bühne betreten. Ich muss ein paar Seiten füllen, und kann nicht so mir nichts dir nichts die spärlichen menschlichen Kontakte Napoohs abbrechen lassen. Napooh steht gerade fassungslos vor einer riesigen Kastanie, mit der er zunächst und eben noch nichts rechtes anzufangen wusste. Von daher blieb er stehen, erstmal, und wartete auf ein Zeichen. Er könnte ja auch anders, aber er steht noch immer hier und wartet. Jetzt gerade blüht es in ihm auf, dass ein Unheil über ihm schwebt, wieder mal. In diesem Fall auf ihn zustrebt, vom Ende der Strasse her. Zu sehen ist noch nichts als die formlose Gestalt, mit bloßem Auge, trotzdem weiß er schon Bescheid jetzt. Freude und Angst überrumpeln ihn. Noch bevor er sich entschieden hat, welchem der Impulse er nachgehen möchte, steht sie schon vor ihm. Wenig überrascht, auch sie, als wären sie täglich hier verabredet, unter der Kastanie. Freud sich auch; maßlos, bis über beide Ohren. Und hat die Spuren derselben Angst um die Augen geworfen. Wissen beide nichts zu sagen, -und liegen sich schon in den Armen.
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- Kuss, - und Aus. Verderben wir uns das nicht, indem wir es an die Oberfläche einer Sprache ziehen, die von mehr als Erbsensuppen und Elstern nichts zu erzählen weiß.
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- <h2>Lochstickerei</h2>
- Das deutsche Volk und deren Lohnschreiber stehen mal wieder im Begriff, sich in einem nationalen Großereignis zusammenzuschließen, sagen wir mal eine Weltmeisterschaft im Fußball, um noch einen draufzusetzen ausgeführt im eigenen Land. Der Streit der primitiven Volkstämme ist auf Eis gelegt, man kennt jetzt keine lokalen Vereine mehr, nur noch schwarz rot gold schlägt das heimatliche Herz. Für Miesepeter gibt es in solchen Zeiten nichts mehr zu lachen, ich erspare euch von daher meine Meinung über die biersaufenden Bauern und deren verspätet-vormodernen Nachfahren. Dass aber Menschen, die z.B. mit Fußball nichts, aber auch gar nichts zu schaffen haben auf den Zug der national erweckten Gutmenschen bedingungslos aufspringen, gibt mir in Bezug auf die geistig moralische Verfassung der Deutschen nu doch zu denken. Es ist ja schon erstaunlich, dass andere europäische Nationen ihr Selbstbewusstsein aus politischen Aktionen beziehen, bzw. beziehen können, sagen wir mal aus der selbstgewählten Verfassung, in Deutschland dagegen das ganze Herz für Fußball, Weihnachtsbäume und sonstige Lichterfackeln zu brennen scheint. Jede Banalität wird genutzt, um in eine Frage der nationalen Identität umgemünzt zu werden, wer dem Taumel der Begeisterung sich nicht voll und ganz fügen will oder kann (weil er z.B. schlicht keine Ahnung von Fußball hat), sollte sich hüten, davon etwas sichtbar werden zu lassen. Ich würde schon sagen, dass ich ein wenig in Fragen des Mannschaftssportes mitreden kann, ob aber die deutsche Nationalmannschaft (also „Wir“) den Titel holen, oder z.B. die schwedische Nationalmannschaft, ist mir Wurscht. Wir sind Weltmeister, du bist Papst und ich bin Deutschland? Wie gesagt, wir lassen das jetzt sein. Die öffentliche Stimmung ist begeistert, von was auch immer. Napooh dagegen scheint mit Problemen anderer Natur zu Gange zu sein, was ihn zumindest für mich symphatisch macht. Ich habe ihn gesehen, im Supermarkt. Er fällt ja seit eh und je aus dem Rahmen, so dass ihn zu übersehen nicht ganz einfach ist. Seine Lage scheint sich allerdings verschlimmert zu haben, wir können wohl von einem qualitativen Fall ins Bodenlose sprechen. Gewöhnlich, wenn ich ihn gesehen habe, schien er mir in Gedanken versunken zu sein, so dass er seinen besonderen Teil am ganzen Wahnsinn nicht wirklich anzunehmen schien. Wie woanders wackelte er durch die glanzlose Realität, ohne Notiz zunehmen von dem, was sich ihm von sich selber her anbot wie eine rotlippige Brünette zur Paarungszeit: die üppigen Lappen geöffnet schon wie die Lichtung des Seins im feuchten Moos durch Morgentau. (Ich habe einen Witz über die Phänomenologen und ihre Dinge gerissen, es darf gelacht werden: Rrrr, Rrr, Rr … und raus damit Herr R.-R., von dem ich, am Rande bemerkt, sehr viel halte). Wo wir gerade von Lichtungen gesprochen haben erinnert er mich jetzt eher an ein Reh, welches mit spiegeleiergroßen Augen in eine Welt blickt, in welcher ihm, dem Reh, nichts Gutes blüht. Wie in Auflösung huscht er durch die Halogenfluten der Gänge; ohne den Steg der kalten Abstraktion hegelscher Dialektik; vom Kopf auf die Füße gestellt, und später dann, im Winkel der Polhöhe, die sprachliche Struktur (seinslos zwischen Horizont und Himmel geworden) dekonstruiert; scheint er verloren hier. Hier, im Supermarkt, Bäh sei Weh: hier in den Bewältigungsstrategien der alltäglich aufgeführten Misere.
- Die Menschen sind mit Erklärungen für die Vorgänge in der wirklichen Welt alles andere als sparsam, und die Beendigung der Beziehung sexueller und emotionaler Natur zwischen Napooh und Pia kann uns vorläufig als Auslöser seiner jetzigen Lage ausreichend erscheinen. Selbstzufrieden lassen wir uns in den Ledersessel gleiten, verschränken die Arme hinter dem Kopf und lassen das Ich und seine Anhängsel von anderen Nächten träumen. Wir haben es eigentlich immer schon gewusst, das wird er noch zu lernen haben, dass die harten Fakten der Realität die tagträumerischen Ideen des metaphysischen Weltenbummlers Napooh dann oder wann zum Einkrachen bringen werden würden. („Bringen werden würden“! Das soll mir erst mal einer nachmachen. Als hätte ich die Biegungen und Brechungen der Sprache mit der Muttermilch eingesogen, in einem der 60qm- Wohnlöcher der gebeutelten Arbeiterklasse. Durch die zahlreichen Schlampereien im Bereich von Rechtschreibung und schlüssiger Gedankenfolge mache ich die Sache wieder mehr als wett, Ihr braucht euch um eure schlecht bezahlten Posten bei den deutschnationalen Kotzblättern aus Hamburg, Frankfurt und München also keine Sorgen machen.) Apropos Gedankenfolge: Erstens ist es noch lange nicht ausgemacht, dass der Zusammenbruch des weltentrückten Sonderlings zum ganz gewöhnlichen Alltagswrack seinen Grund im Scheitern seiner libidinösen Bindung zu Suchen oder Finden ist. Gleiches gilt, zweitens, für seine Marotte mit der Metaphysik. Haben wir das jetzt wohlgeordnet auf dem rechterhand liegenden Spickzettel? : Napooh hatte einen Zusammenbruch, von welchem er sich bis dildo nicht hat erholen können. Seine metaphysische Neigung war nicht der Grund, sondern die Folge seines grundsätzlichen Erliegens. Das Ende der geschlechtlichen Abenteuerreise mit der Gespielin Pia dagegen ist nicht die Folge seiner Krisis, sondern Ausdruck der geschmacklichen Abneigung Napoohs gegen das Alltagsgeschäft, Museumsbesuche und Smalltalk auf hohem Niveau, also das höfliche hin und herschieben von guten oder schlechten Argumenten für Dinge, nach denen ihm nicht der Sinn und nicht die Laune stand. Mit todernster Mine über die neueste Verfilmung von Harry Potter, die neue CD von der isländischen Schreigöre Björk oder die Bombardierung der Hauptstadt des Landes vom soundsovielten Hitler zu quatschen, all das in einem einzelnen Zug von schlechtem Atem, es braucht keinen großen Denker, um da den Spaß am Mittelstand zu verlieren. Im Gegenteil, man muss schon sehr auf den Hund gekommen sein, um seine Zeit so sorglos zu vertrödeln. Dass die ausgiebige Begutachtung der Zimmerdecke, die ornithologische Erforschung von Kohlmeisen und Sperlingen im Garten und die Lektüre Diltheys auch nicht gerade jedermanns Sache sind, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.
- Letztendlich scheiterte das junge Glück also an der Zerrissenheit einer Seele, die am warmen Ofen nicht ihr letztes Stündchen finden kann, mit Pia nicht und auch sonst nicht unter den Menschen. Wie ein herrenloser Straßenhund frisst er zunächst aus jeder Hand. Begierig, :zu schnell und hastig. Ist der Hunger nach Zotteln und Fell erstmal gestillt, steigt die Sehnsucht nach Einsamkeit und Winterwanderschaft wieder in ihm auf. Die Fremdheit wird ihm bewusst dann, schmerzlich könnte ich sagen, Wutanfälle und Raserei sind an der Tagesordnung. So in etwa hat sich der Leser die verfahrene Lage der beiden königlichen Gestalten vorzustellen, die voneinander nicht gut lassen konnten, aber auch nie zueinander haben finden können. Napooh ist traurig über das Ende und Aus. Pia ist auch traurig, aber mehr leer dabei, mit Rändern unter den Augen und tränenverschleiertem Blick, und für beide ist es das Beste so, mit einem Leben, das weitergeht ohne den Anderen in seiner Anderheit. (Ihr werdet es schon bemerkt haben: Es ist mir die liebste unter den Floskel, dass das Leben weitergeht. Sagt nichts, -und passt doch.)
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- Der Schock, unter dem Napooh steht, hat seinen Grund, wie gesagt, nicht in den Wahnvorstellungen wirklicher Vorgänge. Nicht einmal die stark sedierenden Medikamente haben ihn aus der Bahn seiner Sterne werfen können. Der Schmerz der schlagartigen Verwundung, dass Vernunft allein die Welt nicht ändern kann, ist ihm aus dem Nichts in den Rücken gefallen. Er schafft nicht, auch ihn noch zu vernarben. Das Ziel der Zukunft, sei sie auch fern der Küste, hat er aus den Augen verloren, im treibenden Kielwasser der titanischen „Europa“. Der Zerfall seiner Hoffnung stellt ihn vor den Abgrund seiner schwersten Frage: Wie weiter? Er wird keine Antwort wissen werden. Nicht mehr weiter. Und nirgends zurück ein Stück fest-vorhandenes Land noch in Sicht. Ein Niemand, von nirgendwo nach nirgendwo. Es wird still um ihn werden. Er ist Vergangenheit.
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- <h2>Amor fati </h2>
- Wurschtele durch den Zwang der Gänge, hier komm ich auch nicht mehr zurecht. Kracht ein jetzt, das Gebäude aus Sinnlichkeit und Verstand, Raum und Zeit und die Kategorien gleich hinterher, von wegen Kausalzusammenhang von Ursache und Wirkung oder Modalität mit Dasein und Nichtsein, und der ganze unnütze Quatsch. Paragraph Sechzehn, das war auch son Klops aus Königsberg im Schlepptau von Rene, dem Advocatus dei. Die Nerven hab ich mir ruiniert damit, und Schneisen in die Schlingseile des Wirklichen kann man sich nicht gerade damit schlagen, beidseitig stumpf das Schwert, auch wenn Ihr das nicht wahrhaben wollt. Mit Gott dem Herrn als Pater familias und dem Kauderwelsch der Katholiken ließ sich jahrhundertelang doch ganz behaglich einrichten im Hier und Jetzt, aber Beweise wollten die Herren Aufklärer uns auftischen, für nichts und wieder nichts. Wofür sollte das gut sein? Und für wen? Niemand wollte was wissen davon, aber sie konnten ja keine Ruhe geben. Wie Kröten, Ziegen und Krähen treiben wir uns herum jetzt, unter dem Banner des brennenden Kreuzes, die geknoteten Seile stets zur Hand der neuen Herren: Goaties, das wär der richtige Name: jetzt, so sang und klanglos hängend wie die stumpfen Saiten der Moderne. Die Moral habt Ihr gleich mit neu erfunden, von höchster Stelle und vom höchsten Wesen wohl erfahren, was? Der Teufel will und wird jetzt seine Schuld eintreiben, merkt euch das, und eure Zeit mit mir wird nicht verschwendet gewesen sein. Hölderlin? : hat sich noch rechtzeitig den irren Blick angelegt vor dem alten Klugscheißer und seinen beiden Bundesgenossen, wird oder würde wohl heute nicht mehr hinhauen, sich so mir nichts dir nichts aus der Affäre zu stehlen. Wie wahnsinnig ich, im Gerümpel der besten aller Welten, Rasiermesser muss ich mir auch kaufen, wo die wohl zu finden sind in der Kirche der guten Bürger? Der Camembert verlässt meine Hand, tummelt sich dreckt tangogleich im Regal. zwischen dichtbesetzten Paletten von französischem Frischkäse aus Kräutern und Knoblauch: jetzt. Keine Ahnung, wo ich den aufgeklaubt habe. Angst macht sich über mich her, dass der Lynchmob mich zur Rechenschaft zieht. Wegen dem Käse, den ich ( wie immer) falsch entsorgt habe. Einer von denen, die den Stein werfen, halt; sie sind im Falle eines Falles immer gleich zu jeder Stelle. Vorm Gemüseberg dann, wie erleuchtet die Runkelrüben unter dem Neonlicht, fällt mir der Einwegrasierer wieder ein. Messer hab ich nur so, wegen der Tangotänze unter den schwarzen Dächern von Paris, auf den Tisch gestellt. Ich weiß keinen Rat in der kippeligen Frage, also Suche nach Joghurt, Vanille im Viererpack zu fünfundsechzig Cent, inklusive Mehrwertsteuer. Es ergibt wohl keinen Sinn, dem Überangebot aus konformistischem Kompost noch weiter auf den Leim zu gehen. Die erotemanische Frage jetzt: Wie kann ich mich aus der Affäre ziehen, am eigenen Schopf, ohne das Misstrauen der eulengroßen AllerweltsAugen schon wieder auf mich zu lenken? Gucken ja nur schäl wie hinter Spiegeln, in solchen Fällen, wenn man sich an der Schlange vorbeimogelt, ohne was erpicht und erbeutet zu haben. Aber dazu was sagen? Traut sich wohl auch keiner der Konföderation aus Mob und veralteter Elite. Auffallen will ich trotzdem nicht. Nicht nötig das. Ich hab das Gefühl zu platzen vor Angst, klaustrophobisch bedingt jetzt und schweißnass. Stinkt auch, der Schweiß der Angst. Wie das Kielwasser des Lebens eben: Brack.
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- Hat mich doch gleich erkannt, aber spricht mich nicht an, dem Herrn sei’s gedankt. Ich weiß nach den Wochen gar nicht mehr, wie meine Stimme sich anhört. Wenn ich dann mal Danke sag, hört sich es sich an, wie aus anderen Welten. Da schaudert es den Anderen dann auch. Verstummen und frei wie ein Vogel über das Nest fliegen, Kaugummi kauen und Basketball werfen, es wäre wohl doch das Beste. Der Wasserspender dann als Happy End? Weiß nicht, aber suggestiv hab ich Brand wie ne Bergziege. Ich drucks mich son Bisschen um die Süßigkeiten, und verstohlenen Blickes ist er nicht mehr zu finden: dann. War ihm auch peinlich mit mir, oder er hat mich gar nicht erkannt. An der Schlange fallen mir die Dutzend Packungen mit Toiletten-Papier in die Augen. Auch die auf Paletten. Ca ira, dideldum dideldumdei. Aus dem Sinn schlägt mir das Manöver wie eine Eskapade in den Klitsch-Klatsch meiner bleimüden Beine, mühsam aus der Erschöpfung in Gang gesetzt: schon. Tempo und Lautstärke der Camouflage nehmen ab, ohne Eindruck hinterlassen zu haben. Kein noch so kleiner Keks wird den Gang aller Dinge heute nicht zu gehen haben, durch den Kanal. Ins Krankenhaus also, Abteilung für Wahnsinn und andere schwermütige Tragödien, und Abbitte leisten wie eine Turnübung zu Reck: Ein spätes Zeichen sind wir nur da noch, aber eben auch sprachlos. Wie die Adler.
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- <h2>Stelldichein bei Darjeeling</h2>
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- ?:„Anal“.
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- Dal Segno.
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- Welches Zeichen?: „Anal“
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- Am Anfang war lange nur das eine Wort, in Penetranz drängt es Napooh zurück in die Einheit von Welt und Bewusstsein im Ich. Nie gewiss das, -und flüchtig. Trotzdem klammert sich ein Schlag von Irrfahrern und Seeleuten daran, als den letztgültigen Beweis der eigenen Existenz. Wir sind Magier darin, lässt Beckett Estragon sagen. Oder vielleicht auch Wladimir, Deckname Didi. Es folgt eine Warteschleife, öd-legere Musik (nicht zu aufdringlich, die Kundschaft möchte nicht gestört werden bei ihrem Geschäft; Karstadt, sagen wir mal, …oder Horten und Hertie). Abwesenheit von Wirklichkeit und Leben. Eine Spanne an Zeit lässt sich nicht ausmachen, so. Sekunden meinethalben, Terzsprünge von Ewigkeit zu Ewigkeit im Reich der blanken Spekulation, nicht der Rede wert, wir könnten darüber hinwegsehen. Und Gehen. Dann wieder: ?:…- „Anal“. Die Falle des Lebens schnappt zu, ein Kinderspiel für sie: in ersten Zweifeln, noch sprachlos die. Gefühlt nur die Scham: „Hört Einer? Spricht … Einer… da? Auch hier? …-im Orkus?“
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- Das gerechtfertigte Ich rottet sich zusammen aus geworfenem Nichts, wird schon wieder gehen, mit der Zeit. Nach und nach, wir werden noch sehen. Das extreme Säuseln der Sirenen lässt schon nach. Zeitgleich mit der Auferstehung des fleischlichen Napooh. Löst sich auf im Licht, hallt hier und da noch nach, das Singen solcher Sachen.
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- Undeutlich-nebelig. Lässt uns ins Leere von Sagen und Sein laufen. Es hat seinen Zweck erfüllt. Er, Napooh, denkt nicht weiter an Wörter, Leben und Licht. Schiebt den ganzen Wust zur Seite, unwirsch, wie es seine Art ist. Welt und Wirklichkeit gewinnen wieder die Oberhand.
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- Desinfizierte Sauberkeit brennt und beißt in der Luft, gereizt, die Flügel der Nase. Der Atem wird ihm geraubt, davon. Beim Schlucken schmerzen die geschwollenen Lymphknoten quälend. Auch diese lange Nacht hat die Knoten nicht lösen können, also. Der Mund voll trockenem Staub. Die Zunge klebt und pappt am Gaumen. Die Lippen rau wie ein modriger Lappen. Der Muff von Wüstenwanderschaft und Staub der Winterwinde. Wächst und wuchert wie ein Geschwür, der Ekel im Schlund. Das Hirn im Kopf zusammengeschrumpelt und ausgelaugt wie Trockenobst, vom Stich der Wespe damonisch traktiert. (Damonisch? Dämonisch eben, der ganze Schwindel.)
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- Lassen wir es dabei gut sein. Napooh ist wieder mal vorübergehender Gast einer Heil- und Nervenanstalt, was zu erwarten war. Er ist von irgendwo gerade wieder zu sich und seinem Geist gekommen. Ein Gläschen Wasser wär ihm lieber als der Geist, er traut sich aber nicht zu fragen. Wen auch, mitten in der Nacht? Der durstige Körper wird notwendig noch ein Weilchen an der Kost zu knabbern haben, welche Napooh ihm ungefragt aufgetischt hat. Napooh liegt da, gerädert wie er ist, hört dem Rauschen der allraunenden Autobahnbrandung zu. Genießt die Abwesenheit der taktlosen Stimme. Eine Stunde vielleicht. Mit geschlossenen Augen. Sie, die braunen oder blauen Augen, die nicht durch das Guckloch der Tür schauen können, schmerzen noch, auch bei der halb dunklen Nachtansicht der Herberge des möglichen Heilands. (Zugegeben: Ich habe auf Kosten eines Euch gewiss gut bekannten Buches eines scharf-schützigen Beobachters der dringenden sozialpolitischen Probleme unserer Tage ein paar Zeilen gefüllt. Oskar hatte nach diesem Brocken von Buch keine Worte mehr. Vom Autor aber, diesem Windhuhn und faulem Ei, kann man dies nicht gerade sagen. Ganz im Gegenteil.) Die Zeit verstreicht ziellos, ihr bleibt keine Wahl. Das Ich bläht sich tatenlos mit Sein auf, mehr geschieht nimmer nicht, während die Zeit so wahllos verstreicht. Das Leben der Sterblichen wäre ein anderes, würden die leiblichen Überreste nicht nolens volens und immerzu dazwischenfunken. Der Nominalismus könnte zu guter letzt doch noch Recht behalten. Vom Standpunkt der Leiblichkeit aus betrachtet, versteht sich. Napooh gibt nach und nach auf. Er sammelt sich schließlich, um das stille Örtchen mit seiner Anwesenheit zu entzaubern. Die nass geschwitzte Decke gibt seine ausgemergelte Haut und ein paar knochige Rippen wieder frei. Sie werden jetzt bloß noch vom klinikeigenen Leibchen bedeckt. Er reißt sich zusammen und („mit Mühe, mit Not“) die Senkrechte wieder an sich. „Der Mensch steht aufrecht, weil er aufrecht stehen will, sagt Hegel“ hört Napooh sich selber sagen. Und denkt: „Recht hat er gehabt, auch damit“. Soweit sind wir aber noch nicht, Sagen und Sein ist alles andere als ein und dasselbe, die hockende Stellung auf der Bettkante zugunsten der stehenden Position aufzuheben ist mit größeren Un-annehmlichkeiten verbunden, als er, Napooh (=Nicht-Hegel) sich zumuten möchte. Arg kalt, um nicht schon wieder von Ärschen zu sprechen, lauert der mit Plastik überzogene Estrich auf die empfindlich weichen Sohlen der schwächlichen Sonderlinge, verwöhnt wie sie sind von den molligen Betten. Napooh versucht, sich abzuwenden von der Vorstellung des kalten Bodens, sucht kläglich nach einem Ausweg aus der Misere. Er heftet seinen Blick voll Hoffnung an den Schatten im Eck, der wohl ein Nachttisch sein muss. Auf der kleinen Tischplatte ist nichts zu finden. Wie leergefegt, die Reinemachfrau scheint wirklich und wahrhaftig auf Draht zu sein. Die Hand klaubt in der Schublade vor und zurück: Nichts. Die Heilige Schrift ist nirgends nicht zu finden, ihre Zeit scheint auch hier abgelaufen zu sein. Auch sonst kein alter Krempel taucht auf. Socken zum Beispiel, zurückgelassen von einem geheilt geglaubten Vormieter, wären in diesem besonderen Fall wohl hilfreicher als Glaube und Liebe (als dem größter Übeltäter von den Dreien) oder Hoffnung. Es nützt Napooh Nullkommanichts, sich wie der Wurm am Haken zu winden, falls ich diesen Kalauer nicht vorhin schon mal gelandet habe. Er hält sich die Nase zu, um den Atem anzuhalten („bloß keinen Mucks von mir geben“) und lässt die beiden Füße mutig auf den Boden fallen. Zu seiner Überraschung ist dieser nicht kalt, wie erwartet, sondern muckelig und warm. Wie gekachelter Boden von öffentlichen Schwimmbädern und Badeanstalten, zum Beispiel. In seinem riesigen Krankenhausleibchen aus weißen Leinen lässt Napooh den Flurgraben hinter sich zurück und steht, wie geplant, mit nackten Füßen (verwachsen die) vor dem Pissoir der öffentlichen Herrentoilette… Wie mit grauer Asche gezeichnet schauen ihn seine dürr abgestorbenen Augen danach dann aus dem Spiegel heraus an: Die Wangen sind eingefallen zu Kratern. Er hat Schlimmeres erwartet. Er wäscht sich den alt gewordenen Schweiß von den Händen, lässt lauwarmes Wasser über seine kurzen Haare niederschlagen, schneuzt sich mehrmals die Nase, indem er die Hände zu einer Wasserkuhle formt und nimmt sich dann den Intimbereich gründlich vor. Nachdem er auch die Füße einer osmologischen Rundumerneuerung unterzogen hat, fühlt er sich noch immer nicht wie neugeboren. Frisch wie Tau vielleicht? Also weigern wir uns nicht zu sagen: ein wenig besser. Wir sollten nicht aus den Augen verlieren, dass gewisse Medikamente aus dem industriellen Kölner Umland seine Ansprüche haben sinken lassen. Wer nicht viel verlangt von der Welt, ist mit der Abwesenheit von verbreiteten Übeln wie Hunger und Gestank schon gar nicht schlecht bedient. Ich werde mich nicht dazu verleiten lassen, ihn ein Lied flöten oder einen Takt anstimmen zu lassen. Aber den Umständen entsprechend könnte es durchaus schlimmer um ihn bestellt sein.
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- Ich muss nun ein ernstes Wort an die verbliebenen Leser richten, um deren Wohlergehen ich durchaus hier und da einmal besorgt bin. Wir befinden uns jetzt am Ende der Einleitung dieser Geschichte. Napooh ist in der Psychiatrie zu neuem Bewusstsein gekommen, und hat sich soeben gewaschen. Er wird gleich in die Teeküche übersiedeln, um seinen Durst zu stillen. Hier wird es zu einer Szene kommen, die auch durch das Schlüsselloch der Literatur zu beobachten, nicht unbedingt allen zu empfehlen ist. Wer das Geschehen der Leiber, das zwischen Bauchnabel und Kniescheibe vor sich geht, lieber nicht genau unter die Lupe nehmen möchte, sollte sich den Rest der Geschichte ersparen. In Zeiten, die selbst das öffentlich-rechtliche dazu ermuntern, allabendlich nacktes Fleisch über den Bildschirm zu jagen, möchte auch ich mir die Freiheit in Wort und Bild nicht nehmen lassen. Ich gebe euch ein wenig Bedenkzeit. Ich gehe in den Keller, um das Eingemachte aus den verstaubten Regalen der ganz und gar misslungenen Revolution im Bereich der Geschlechterbeziehung zu kramen. Davor möchte ich Euch noch etwas zu bedenken mit auf den Weg geben, für den ihr euch entscheidet: „ Spätere Zeiten werden sich einmal fragen, wieso wir soviel Energie an ein so kleines Teilstück unserer selbst verschwendet haben (das Sprechen über den Sex).“ Diese lauthalsfreizügige Gequatsche über dirty Talk, S und M, Rudel- und Doppelbedeckungen und sonstige Vorlieben der werten Zeitgenossen, als würde von Morgens bis Abends das Gebumse gar kein Ende mehr finden, ostentativ vorgetragen wie von einem vertrocknetem altem Marktweib, das alles kann einem schon ganz schön auf die Nerven gehen. (Die Spitze ging gegen einen bekennenden Sozialdemokraten aus Köln, der zu später Stunde dem veralteten Publikum von acht bis achtzig mit seiner sexuellen Freizügigkeit und politischen Borniertheit in den geil gespitzten Ohren hängt. Wir sehen, auch Schwule sind im Normalfall ganz gewöhnliche Spießer. Wieso sollte das anders sein?)
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- Ich denke wir haben genug Zeit verfließen lassen, um uns über unser Vorhaben Klarheit zu verschaffen. Napooh hat die Zeit genutzt, um in der stoischen Ruhe, die gewisse Medikamente und unsere Abwesenheit bei ihm hervorrufen, die stationseigene Teeküche anzusteuern. Er überwindet die gläserne Eingangstür ohne größere Schwierigkeiten, obwohl eine Gestalt im Bademantel den räumlichen Verhau längst bezogen hat. Napooh, so wie wir ihn kennen, hätte in einem solchen Fall den Rückzuck in die warmen Kissen, der Inbegriff der Geborgenheit, dem Wunsch nach einem warmen Getränk ohne Zweifel vorgezogen. Aus einer langen und ungewissen Polarnacht, durchzogen mit den versammelten Schrecken seiner eigentlichen Finsternis, ist er scheinbar nicht ganz als der Alte hervorgegangen. Der Bademantel, dessen hellblaue Farbe und flauschige Beschaffenheit uns nichts weiter verraten, ist trotz der späten Stunde der blitzblanken Spüle auf den Leib gerückt. Emsig und energisch wischt der schäumende Spüllappen die Keime und Bakterien von der silbrig-geriffelten Brutstätte. Von hier wird Krankheit, Tod und Wahnsinn nicht die Tür ins Menschenreich geöffnet werden. Napooh will sich gerade vom Wackelpeter der beiden Gesäßbacken hypnotisch fesseln lassen, als zwei versteifte Brustwarzen das verengte Feld seiner Blicke gebieterisch verstellen. Der Tag der voyeuristischen Gnade muss wohl noch weiter auf sich warten lassen. Napooh lässt die Strafe der Augen über sich ergehen, ganz ruhig, als ob er nicht zu beleidigen wäre. Wie ein gereizter Sturm erhebt sich die schrillende Stimme über dem still-versunkenen Horizont des nächtlichen Störenfrieds. Ein Nichts und Niemand, soviel steht fest für sie, kommt ihr wegen einer Lappalie in die Quere, und hält sie von der Arbeit ab. „Nach elf dürfen wir nicht mehr in die Teeküche“. Napooh kommt nicht mehr dazu, sich über ihre Anwesenheit in der Küche, oder über die gehärteten Warzen beim Putzen zu wundern. Den strafenden Blick der Attraktion kennt er doch, denn vor längerer Zeit hatten die blühenden Knospen ihn schon mal auf sich aufmerksam gemacht. Er konnte die Situation mit Ach und Krach meistern, damals, auf ein Wiedersehen war er nicht scharf geworden. Noli me tangerere kann von solchen Augen auch als kategorischer Imperativ an den Mann gebracht werden. Der gejagten Göttin verschlägt es auch die Sprache. Damals war er noch schmieriger gewesen, der ewige Mistfink, aber das Gaffen konnte ihm in der Zwischenzeit keiner austreiben. Fehlt nur noch, dass er anfängt, zu sabbern. Kein Fatz kann ihm helfen, soviel steht für sie, Diana, fest. Hier nicht, im städtischen Hospital, und auch sonst nirgendwo.
- Nachdem sie ihre Kräfte zu einem letzten Akt zusammengenommen hat, um Heiko, ihren Mann, vor die Tür zu setzen, ist sie ganz ohnmächtig und krank geworden vor Verzweiflung. Die Vorstellung, wie der es jetzt munter mit diesem jungen Flittchen treibt, wo sie ihre schönsten Jahre mit ihm verplempert hat, hielt sie nicht mehr aus. Der Hausarzt hat ihr zunächst mit ein paar Beruhigungspillen über den Berg helfen wollen, sie dann aber doch zu einer stationären Behandlung überreden können. Einstellung der Medikamente und Stabilisierung. So was kommt vor, sie konnte nichts dafür, und überhaupt: spätestens Ende nächster Woche wird sie entlassen werden. Das ist wirklich keine Schande, da steht sie drüber. Heiko war seine Schlampe in der Zwischenzeit auch schon wieder los, jetzt kann er sehen, wo er bleibt, und was er davon haben wird. Mit so einem runtergekommenen Subjekt wie der hier will sie aber wirklich nicht in Verbindung gebracht werden, das war nu doch unter ihrem Niveau.
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- Um das beredte Schweigen der Küchenfee abzubrechen macht Napooh mit der Hand eine geringe Geste zum Mund, die seinem Wunsch nach Trinken andeuten soll. Und sie, jetzt voll mit Hass auf Heiko, und alle anderen Männer gleich mit: „Hat`s dir die Sprache verschlagen vor lauter Maulaffen feil halten, oder wie?“. Um den Spinner endlich los zu werden, nimmt sie eine benutzte Tasse, füllt sie aus dem Wasserkocher, und klatscht zum Abschluss einen Beutel Schwarztee herablassend rein. Napooh nimmt die Tasse, und greift nach dem Zucker. Dabei läuft ihm die kochende Brühe so schmerzlich über die Hand, dass er die Tasse scheppernd auf den Boden fallen lässt. Schuldig blickt er dem zartbitteren Schmerz der Scherben nach. Dianas Gesicht verliert die Züge, die Lippen pressen sich säuerlich aufeinander, und um ihn loszuwerden, zischt sie ihn dornig an: „Pass doch auf, du Trottel. Ich… - mach das bestimmt nicht weg.“ Eilig gehorsam ist Napooh schon abgetaucht, er hatte mehr als genug Schläge verordnet bekommen in seinem Leben. Vornüber gebeugt versteckt er sich zwischen den Resten aus Tasse und Tee vor den Zeichen des Sturms, wie das wütende Heulen der Winde, wühlt sich in den treibenden Sand, um verschont zu werden, dieses Mal, nur. Er hat es leid: nichts hat er verbrochen, und er will es doch auch wieder gut machen. Hoch wie ein Krähennest thront Diana über dem verzweifelten Kampf Napoohs um Anerkennung und Schonung. Mehr als ein eisiges Schweigen ist nicht mehr zu hören von oben dort. Das verkommene Subjekt widert sie an. Wie ein Wurm kriecht er vor ihr auf dem Boden herum, winselt um ihre Gunst, er war ein Nichts in ihren Händen, nicht einmal die Ehre hat er im Leib, sich so vor ihr zu erniedrigen, wie ausgeliefert. Der jämmerliche Anblick der blanken Füße ruft kein Mitleid in ihr vor, lieber will sie ihn noch weiter in den Schmutz treten, er hat es nicht besser verdient, die letzten Reste der Erinnerung an die Verwandtschaft zwischen ihm und ihr will sie auslöschen. Endgültig. Die Verachtung und der Zorn der Jahre steigen auf, in ihr. Den Pferden, die jetzt mit ihr durchgehen, gibt ihre Phantasie noch die Peitsche. Zwischen Einbildung und Wirklichkeit kann sie kaum noch die trennende Linie ziehen. Es juckt sie in den Fingern, ihren Urin über ihn zu ergießen. Wahrscheinlich würde er noch Danke sagen. Wie ein schmelzender Gletscher werden die verknasten Hemmungen von ihr abgespült. Kein Mensch würde ihm glauben, zu tief steht er unter ihr. Ist es tatsächlich möglich, dass sie dem beißenden Druck nicht mehr standhält jetzt, den Knoten ihres Bademantels eben schon gelöst hat, geistesabwesend, dass sie schon fast nackt, nur die Schultern noch bedeckt, überwältigt vor ihm steht? Napooh stützt sich mit dem linken Arm auf, um die Scherben mit dem rechten nach oben zu hieven. Verwundert legt er die Scherben wieder auf den Boden. Er blickt unverwandt auf die pechschwarze Schampracht der Nacktheit, die sich ihm vor seinem Antlitz dartut. So selten dicht ist die weibliche Schönheit, die Diana ihm vor die Augen stellt, dass Angst und Zweifel von der Wollust überwältigt werden. Als wolle er ein neues Land entdecken, greift er nach dem üppigen Hügel aus duftigen Büscheln. Diana erschrickt über den Wahnwitz des Geschehens, und weicht wortlos zurück. Der Küchentisch im Hintergrund verhindert ihr Weiterkommen. Als Napooh ihr, wie von Sinnen, auf allen Vieren durch die Pfütze aus Darjeeling nachspürt, werden die standfesten Stützpfeiler ihrer Moral von der Lawine ausbrechender Erotik endgültig unterspült. Sie will es drauf ankommen lassen, vor ihm braucht sie sich nicht zu schämen. Strullen konnte sie immer noch, später: er im Halbschlaf wieder unter ihr, um ihm zu zeigen, was sie von ihm hält. Befreit vom Ballast der Hormone, und befriedigt. Napooh ahnt nichts von den widersprechenden Impulsen. All seine seelischen Knoten haben sich in die einfache Suche nach einem kurzen Stück irdischer Ewigkeit aufgelöst. Dem Kontrast zwischen dem splitternackt rasierten Körper und dem verborgenen Fabelwesen ist er hilflos erlegen. Unter dem lächerlichen Leibchen ist mit ernster Mine Napoohs Penis auf den Plan getreten. Schon beim ersten Anblick vom Schopf hat er sich gedehnt und erweitert. Jetzt, da Napooh zum Zweiten versucht das Niemandsland mit den Händen zu greifen, als wolle er sich seiner Wirklichkeit vergewissern, sind die Schwellkörper vollständig gefüllt. In jeder anderen Stellung als der liegenden schwingt das steife Glied Napoohs wie eine Fahnenstange im leichten Wind, was ihm peinlich ist. Er bemüht sich stets, das Pendel im Gleichgewicht zu halten. Durch den Anblick Dianas verliert er die Schuldgefühle über den Schandpfahl, nach dem er niemals gefragt hat, völlig aus den Augen. Er ist außer sich, am Ende der Schuld, falls das jemals enden kann, bei etwas anderem, ein Fenster zur Welt hat sich ihm aufgetan. Er nimmt ein Büschel nach dem anderen zwischen die Finger und krault ungläubig und wie verzaubert daran. Ihre Augen haben sich geschlossen, die Luft wird ihr genommen, stumm kaut sie auf der unteren Lippe, wie von Lampenfieber wird sie leicht geschüttelt. Die Schamhaare um die Vagina sind längst nass wie die offene See, als die Finger über die äußeren Pforten zu gleiten wagen. Mühelos kann Napooh die Innenwand der Scheide mit Zeige- und Mittelfinger streicheln und massieren. Diana stellt ihr linkes Bein auf einen Küchenstuhl, damit er sie besser liebkosen kann, mit seinen Händen. Ihre geöffneten Augen stört der lächerliche Anblick des Krankenhausleibchens, so dass sie es Napooh über den Kopf zieht. Währenddessen guckt sie ihm in die verlorenen Augen, dann ohne Scheu nach seinem versteiften Geschlecht. Jetzt erst, beim Anblick der farbigen Eichel, entlädt sich ihre Erregung in einem erotischen Seufzer. Von nun ab atmet sie nicht mehr aus, ohne leicht dabei zu stöhnen, wie um sich aufzubäumen gegen die unerträgliche Schwere der steigenden Lust. Napooh schaut nach oben, ob der Seufzer nicht doch ein Zeichen des Schmerzes ist, lässt seine Finger unmerklich aus ihr schlüpfen und küsst mit offenen Lippen ihren Schoss. Mit seinen Händen streichelt er ihre Oberschenkel unter dem Gesäß, wo die Haut empfindlich ist. Und kitzelig, die Lage ist heikel. Sie, Diana, muss sich nicht ins Kichern flüchten, tabulos gibt sie sich ihren Träumen hin. Mit beiden Händen greift sie Napoohs Hinterkopf und drückt ihn leicht gegen ihren Unterleib. Willig lässt er sich führen, von ihr und ihren Händen. Sie streicht ihm dankbar über den Kopf, da sie die Nachsicht von den Männern so nicht gewöhnt ist. Wenn sie feucht genug war, wurde sie nicht weiter bearbeitet, von den Männern. Wie ein Stück Land kam sie sich vor, das ein Bauer fruchtbar machen will. Zu seinen Zwecken. Auch an den Ohren entlang, wovor er sonst immer Angst hat, streichelt sie ihn. Wir wissen warum er Angst hat, wärmen wir das nicht immer wieder auf. Napooh wird nicht müde, mit der Zunge die Nymphen auf und ab zu wandern, gelegentlich stupst er sie, die Zunge, in die Vagina, kurz nur, um seine gleitende Bewegung gleich wieder aufnehmen zu können. Mit dem Daumen sucht er die Klitoris, - vergeblich. Sie, Diana, spürt seine Enttäuschung, nimmt seine Hand und führt ihn an den kleinen Hügel. Sie muss ihm mehrmals den Weg leiten, bis er nicht mehr von ihm abzukommen droht. Oder ihn im Falle eigenständig wieder findet. Mit ihrem Zeigefinger zieht sie die Haut direkt über der kleinsten Insel des Archipels nach oben, so dass sie freiliegt, und sich ein Stück nach vorne wölbt. Mit der Kuppe des Daumens kreist Napooh ein Stückchen Zeit auf dem schwellenden Gebirgsstück, um dann Tempo und Richtung zu ändern. Auf und ab reibt er sie den orgastischen Gesängen der Entladung entgegen. Er dringt ohne Brutalität mit der linken Hand in sie ein, und an der konvulsischen Zuckung des Beckenbodens bekommt er die Beben ihrer Ejektion zu spüren. Er zieht den Kopf zurück und beobachtet die gespalten Lippen, mit der linken Hand besänftigt er die bebenden Wellen, damit sie sich vollständig erleichtern kann. Glücklich strahlt sein Lächeln an ihr hoch, als würde er die Sterne aufgehen sehen. Das Gesicht schweißnass, ihre Hände am eigenen Busen, die Brustwarzen fest zwischen Daumen und Zeigefinger gekniffen, nur um sich daran halten zu können, entspannt sich nach und nach ihre Muskulatur. Sie wirft die Hände hinter den Kopf. Napooh versinkt in der Betrachtung der Höhlen ihrer Achseln. Die Spannung ist auch von ihm gefallen. Er hat sich nicht zunächst zurückgehalten, um nun seinen Lohn zu empfangen, für ihn ist der Akt gelungen und die Vereinigung vollzogen. Mit der Selbstzufriedenheit der Männer nach der gezähmten Bezwingung einer vermeintlichen Festung sollten wir die Ruhe Napoohs nach dem Sturm aber nicht in Verbindung bringen. Er ist kein schachernder Cicisbeo, der planvoll gibt, um reichlich zu empfangen. Und sie? „Cosi fan tutte“, das mag in den Opern und Vorstellungen der Menschen von sich seine Berechtigung haben. Im vorliegenden Fall lässt auch das weibliche Pendant die angebliche Verdorbenheit und aufgeschwatzte Sünde der geschlechtlichen Vereinigung wie zwei Schlampen im Regen stehen. Sie will sich im folgenden Geschehen für nichts revanchieren, fühlt sich für nichts zu Dank verpflichtet, ohne die Hintergedanken der Kaufleute hat sie Geschenke gegeben und genommen. Um ihrer eigenen Wollust wegen wagt sie sich den passiven Schatten ihrer Verklemmung und weiblichen Verdammung zu überspringen. Ihre Begierde zieht Napooh an den Armen zu sich hinauf. Sie streicht im über die Wangen, lange, spürt sein warmes Glied an der Haut ihres Bauches, erregt sich, saugt den Geruch von Tropfen der Sehnsucht auf, und lässt den störenden Bademantel über ihre Schultern fallen. Nackt fühlt sie sich der Verletzung ausgesetzt, greift nach seinen Händen, um sich zu halten, schlenkert die Arme dabei, verlegen, und schaut zu Boden. Die Angst Napoohs, ihr weh zu tun, liegt in der Luft, so dass sie den Mut wieder sammelt, sich ihm anzuvertrauen, um ihn zu leiten. Achtlos verworfen die leeren Phrasen der Selbstbehauptung. Sie schaut ein wenig vom Boden auf, und betrachtet sein leicht geschwollenes Glied. Die Vorhaut ist über der Eichel zurückgezogen. Wie eine gehäutete Südfrucht glänzt sie, die Eichel, feucht und farbig. Der Stamm ist eben und gleichmäßig gebaut, deutlich sichtbar zieht sich eine Vene wie ein Strom über ihn. Die Hodenhaut hat die unbehaarten Hoden zusammengeballt und an den schützenden Leib gezogen. Diana löst ihre rechte Hand und berührt Napoohs Geschlecht. Zunächst ganz unbestimmt, nur um zu sehen, wie er reagiert. Lustvoll stöhnt sie auf, und merkt, dass sein Atem gleichmäßig das Stocken der Angst überwindet. Er will sich trauen, ihre Berührung anzunehmen. Um ihn besser streicheln zu können, stützt sie mit Zeigefinger und Daumen der Linken seinen Schwanz am Schafft, und umgreift mit den anderen Fingern seine Hoden, die sie sicher wiegt und krault. Die Finger ihrer rechten Hand befeuchtet sie mit ihrem Speichel, um leichter über die Regionen der Eichel gleiten zu können. Den kleinen Lippen über der winzigen männlichen Öffnung, im Vergleich mit denen ihre Schamlippen von monströsem Ausmaß erscheinen, schenkt sie eine lang anhaltende, detailverliebte Zärtlichkeit. Den Phallus noch keines Mannes hatte sie mit solchen Augen gesehen. Wie eine fremde Pflanze aus einer fernen Märchenwelt hält sie die Ausstrahlung der geformten Materie in Atem. Die Eichel sitzt bizarr und blau-violett wie eine selten schöne Blüte auf der kräftigen Wurzel und schimmert, während die Hoden mit der Kraft unscheinbarer Findlinge das Bild im Hintergrund erst zu versvollständigen scheinen. Sie kann sich kaum Sattsehen an dem Zauber der Lenden. Sie harrt ihn lang dauernd steif zu halten mit den Griffen ihrer Gunst. Wir wissen nichts mehr von der Zeit, aber die Stunde der Onan ist dann abgelaufen. Diana führt Napooh in das Tal der wilden Rosen, begeistert geht sie staunend voran. Wie Hand in Hand führt sie ihn in dem unbekannten Garten durch das unwegsame Gelände der Lust. Napooh spürt wie sich die Nymphen über ihn stülpen. Als die Wände der Vagina ihr Sekret um ihn spülen, dringen Gesänge durch seine Ohren, die um Gnade beten und doch jubeln. Prall hat sich sein Schwanz aufgebäumt, um die salbende Reibung Dianas zu empfangen wie die Weide den Wind. Sie hat sich um ihn geschachtelt und schäkert geschmeidig mit der unbeweglichen Festung, die sie im Nu erobert hat. Napooh erinnert an maritimes Klima und leichte Brisen, die melancholische Sehnsucht der Jugend nach dem anderen Ufer des Meeres steigt in ihm auf, wie der Geschmack von bitteren Mandeln. Wilde Erdbeeren überwuchern die Schemen seiner Wahrnehmung;
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- Dianas Beine werden müde. Sie hebt ihr Gesäß vollständig auf die Tischplatte, zieht ihn entschlossen zu sich, und winkelt ihre Beine zum Busen hin an. Für kurz schaut sie Napooh in die Augen, damit er den Mut der Sterne findet, um die Führung der Feder in die Hand zu nehmen, um nach dem Einsetzen seiner zaghaften Bewegung ihren Kopf auf die Tischplatte zu legen. Napooh gewinnt zunehmend Sicherheit im ungewohnten Terrain. Obwohl er sich am Abgrund des höchsten Punktes bewegt, rammelt er nicht wie ein menschlicher Hengst oder Bock sinnlos dem Ziel entgegen. Er hat einen Halt machen können in Dianas Amphiethater und wollte hier bleiben, wie ein schlangenähnlicher Fisch tummelt er sich zügig durch ihre Gewässer. Wie eine Lavamasse steigt die sexuelle Energie in ihm und ihr weiter auf, in das Schmecken der spielenden Geschlechter stimmen aus beiden Kehlen Laute der Lust herzhaft mit ein. Diana kostet ihren nächsten Orgasmus ganz aus, indem sie ohne Scham und Hemmung ihre Arme und Beine dem Zappeln und Zucken der Nerven überlässt. Sie braucht ein wenig Erholung, um wieder zu sich zu kommen. Um ihm den Höhepunkt jetzt zu erleichtern, schiebt sie ihn behutsam aus der Verschachtelung, dreht sich um und stützt sich mit den Unterarmen auf dem Tisch ab. Ihr Gesicht ist nach vorne gerichtet, und der Blick erhoben.
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- Napooh lässt seinen Schwanz wie einen geölten Hering zurück in ihren schmatzenden Schoß gleiten. Entgegen der Annahme Dianas bleibt die Bewegung seines Beckens auch ohne die Führung ihrer Beine und Füße konstant und stetig. Zügig, aber ohne Hast. Die beiden Geschlechter werden von Napooh und Diana nicht mehr als grenzende Körper, sondern als ein einziges, verschlossenes Wesen empfunden. Über dem Horizont der Tischplatte erheben sich die beiden Pobacken Dianas in dieser Stellung wie zwei Sonnen. Hinter ihrem Rücken liegt ihr heimlicher After. Vor ihm wie ein schönes Gemälde. Napooh kommt wie gefesselt vom Glanz des Anblicks aus der angeborenen Deckung in erlösende Bewegung. Seine Hände hauchen über die festen Muskeln, schleichen sich so näher an die empfindliche Öffnung. Diana veranlasst ihn durch ein Zeichen, das kaum wahrzunehmen, aber nicht zu übersehen ist, ihrer analen Fixierung auf den Grund zu gehen. Als Napoohs Finger in kleinen Zirkeln den Schließmuskel mit dem gesammelten Sekret der Scheide benetzt, schiebt sie sich seiner Berührung ein wenig entgegen, indem sie sich gegen die Tischplatte stemmt. Mit leichtem Druck versucht Napooh den fest geschlossenen Kreis zu weiten, verringert dann den Druck, massiert wieder den Ringel aus kleinen Falten, setzt von neuem an, vergisst nicht die Schwurfinger regelmäßig in ihrer Scheide, oberhalb seines lose stecken gelassenen Schwanzes, zu befeuchten. Öffnet so ihren Anus, ohne ihr Schmerzen zu bereiten. Diana hält erstaunt inne, dass die Perforation so mühelos gelungen ist, und schließt jetzt wieder die Augen. Der Schrecken der Finsternis und die Abart sind vom Anathema der Analerotik abgefallen, sie will sich auch diese Befriedigung endlich gewähren. Napooh zieht seine Finger zurück und betrachtet jeweils den gespannten Muskel, bis er ihn nochmals zu öffnen wagt. Nach kurzen Minuten öffnet die Abwechslung der Finger geschmeidig den sonst fest verschlossenen Sesam. Er beugt sich vor, hinter ihrem Kopf findet er nicht die passenden Worte seiner Bitte, und beißt sie aus Verlegenheit vorsichtig in den Nacken. Sie versteht die Frage, die er nicht zu stellen weiß, und ächzt vor Freude ein „Bitte“ und ein „Gebe es mir“. Als Napooh sein feuchtnasse Glied im Mündungsdelta einzuschälen beginnt, hallt noch mehrmals ein „Oh bitte“ flehend nach, bis es im Stöhnen verebbt. Sie gibt sich schamlos die Blöße leise zu betteln, ohne ihrem Stolz den kleinsten Abbruch zu tun, da Napooh ihr die Ehre und das göttliche Recht gibt, welches in der Welt der Menschen ihr nie ward. Wie eine nackte Haut offenbart sie sich ihm, vertraut sich schutzlos an. Die Größe des Gliedes, im Vergleich zu den Fingern, senkt das Tempo der analen Penetration vorerst ab. Nachdem die Eichel den wunden Punkt durchwandert hat, schmiegt sich der Muskel fest um die Eichel zusammen. Napooh zögert kurz und zieht sich zurück. Der Muskel ist gleich wieder dicht und fest, löst Napooh ihn nochmals mit der Eichel. Mit langem Atem wiederholt er das Ganze unzählbar. Unmerklich verschwindet mit jedem Anlauf ein Stückchen mehr vom Stab der Zärtlichkeit zwischen dem Zauber zarten Fleisches. Wie ein Vogel, der singend in das Nest seiner Sehnsucht zurückkehrt. Diana findet so den eigenen Rhythmus, ihren Anus zu öffnen und zu schließen. Als würde er gleichmäßig und ruhig nach Luft schöpfen. Als das Rektum den ganzen Schwanz umhüllt hält, hebt sie erneut den Kopf. Der leicht brennende Schmerz, wie von einem kleinen Splitter in der Hand, öffnet die Furcht in den Augen: Seltsames Staunen. Am Schopf der Haare stützt Napooh ihren Kopf, wie um sie, Diana, in Schutz zu wiegen. Langsam zieht er sich ganz aus dem Geschehen, um in einem Schwupp abermals in der ganzen Tiefe des Raumes unterzukriechen, bis an die Grenze von Möglichkeit und Mastdarm. Das Tempo steigert sich stetig, bleibt aber im Ganzen ruhig und andächtig. Dianas Gesäß wird heftig von der ungewohnten Lust geschüttelt. Sie verliert sich plötzlich, und taucht unter der Last ihrer Erinnerung ab. Sie hat das Gesicht ihres Vaters jählings vor den Augen, voll Verachtung und Wille zur Vernichtung. Sie muss sich wieder über die Toilette beugen, den Rock hoch- und den Schlüpfer heruntergezogen. Der Lederriemen saust wie ein wütender Wind auf sie nieder, die Backen wippen schmerzhaft im Rhythmus der Schläge, sie beißt die Tränen runter, und zählt laut die angegeben Schläge ab. Nach jedem Schlag wartet ihr Vater lange genug, um die Pein ihrer Angst noch zu steigern. Emsig hüllt er sich in sein Schweigen. Strahlt auf in Macht, Schmerzen zu machen. Für Tage wird er jetzt ein anderer sein, wie befreit und erlöst von einem übergroßen Druck, der ihn zu ersticken droht. Diana hofft, dass die Erinnerung an die Tage der Kindheit von der wohligen Wärme der Penetration abgelöst werden wird. Für immer. Dass sie das Gesicht ihres Vaters vergisst in dieser Nacht, ihre Pomuskeln wie freigeschüttelt von den hartgewordenen blauen Flecken. Einsam dann, und ohne Hoffnung, aber verlassen von den geheiligten Träumen der Familie und der ganzen verlogenen Bande. Napooh weiß nichts von den seelischen Qualen, die eben über Diana hereingebrochen sind. Das Leid ihrer Tränen kann er nicht sehen. Er wittert die gerätselte Seele schon zittern, verlässt das schützende Rektum, und die flüssige Lösung wird durch das unwillkürliche Zucken des Gliedes in mehreren Schüben erschöpft, er verschwendet sich ganz, verschleudert restlos die Überfülle seiner Säfte auf ihrem Rücken: Diana. Als er beginnt, die zähen Tropfen zärtlich ihren Hüften einzucremen, will er nicht Dank haben, noch etwas zurückgeben. Im Untergang des Ich hören beide plötzlich eine scharfe Stimme:
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- „ Bist du noch nicht fertig?“ Wie das Platzen der Blase aus Traum und Rausch knallt der Satz in das lustlose Gefüge aus Raum und Zeit. Mit Ach und Krach packt Napooh die letzten klebenden Scherben der Tasse auf den verlängerten Arm der keifenden Küchenschabe, ein schwarzes Kehrblech aus Plastik. Seine geröteten Finger kühlt er mit der eigenen Puste erfolglos ab, wischt sich im Aufstehen mit den restlichen Tropfen Tee ein paar gut sichtbare Flecken auf das makellos reine Leibchen der städtischen Nervenklinik, vermeidet jeden Blickkontakt, obwohl er zunächst rückwärts die Flucht angetreten hat, öffnet die Glastür, und wird schon, als hätte er den Flur gar nicht überqueren brauchen, von der Tür seines vorübergehenden Einbettzimmers verschluckt. Dianas Mine blickt dem nächtlichen Störenfried noch säuerlich nach. Sie dreht sich zur Spüle, und will sich erneut an die Arbeit machen. Ihre zu Stein gefrorenen Pupillen schmelzen beim Anblick der restlos gereinigten Aluminiumfläche. Sie vergießt ein paar Tränen, die wie das Läuten des Angelus ein Land verkünden, in dem es möglich wäre, all das restlos zu vergessen. Währenddessen öffnet sie geistesabwesend den Gürtel ihres Bademantels und wischt sie sich mit einem Fetzen Küchenpapier die Spuren einer verloren gegangenen Zeit unten rum weg.
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- (Wir wissen nicht, wer dem Gesang der Sirenen auf den Leim gegangen ist, Napooh oder Diana. Für mich ist das ganze Vorkommen nicht erklärbar. Vielleicht waren es beide. Ich kann mir sogar vorstellen, dass Ihr euch das eingebildet habt. Aber das ist unwahrscheinlich. Wenn ich es war, oder gewesen bin, so ist mir der Versuch misslungen. Man möge es mir verzeihen. Um den Geschlechtsakt aus dem Sumpf der Sünde zu ziehen, müssten andere Dinge geschehen und andere Wörter geschrieben werden. Die Ordnung der Welt würde die Bücher tatsächlich nicht fassen, die dann zu schreiben wären.)
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- <h2>Schscht… ah.. Peaceful</h2>
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- Wir können an dieser Stelle beruhigt einen Zwischenstopp einlegen, damit ich mich ein wenig orientieren kann. Oder, wie viel zu viele sagen werden, wieder zur Besinnung komme. Viel interessanter als der Überfluss an allem Gesagtem ist für mich das jeweils nicht Gesagte und das, was unter der Freiheit der Meinungen alles nicht gesagt werden kann. Ich habe gerade eben zwar durchaus recht offenherzig über sexuelle Vorgänge gesprochen, glaube aber nicht, herablassend gesprochen zu haben. (Wenn dem so ist, möchte ich mich bei Leserinnen und Lesern dafür entschuldigen.) Ich habe euch einiges zugetraut und zugemutet. Aber nicht mehr, als das ohnehin Bekannte ohne die üblichen Umwege zur offenen Sprache gebracht. Wer immer sich nicht ganz und gar abgestoßen fühlt davon, mag, vielleicht ganz vorsichtig und nur zur Probe, einmal versuchen, meinem Gedanken in Bezug auf die körperliche Liebe auf die Schliche zu kommen. Er kann ihn, den Gedanken, meinethalben dann, nachdem er ihn im Jenseits von Schuld und Sühne schamlos durchwandert hat, ruhigen Gewissens wieder zur Seite schieben. Damit ihr mich und den Gedanken hier auch wirklich versteht: Ich glaube nicht, dass es uns neueren Europäern geglückt ist, aus dem Schatten der alten Welt von Wissenschaft und Religion zu treten, und die Kunst in der körperlichen Liebe endlich aufgedeckt zu haben. Trotz aller Experimentierfreudigkeit im Bereich des bloßen Redens.
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- Lassen wir es gut sein damit, ich wollte ja von etwas ganz anderem, nämlich dem Stand der Dinge, sprechen:
- Napooh ist nicht Ich, soviel sollte klar sein. Ob wir uns ähnlich sind, ob wir uns vielleicht sogar kennen? Ob wir nicht sogar in ein und demselben Wesen wohnen? Sobald ich über ihn schreibe, muss er gezeichnet die leeren Felder räumen? Und sobald er dann durch den Morast der Welt wankt, habe ich nichts mehr zu bestellen? :Das Wispern der Wörter schwankt über den Bildschirm, ich schleiche mich weg, dem fürchterlich realem Geschehen meiner Träume bin ich nicht gewachsen. Ich habe den Mut zum Schwach-Sein nicht wie Napooh, wenn es den Anderen zur Stärke provoziert. Wie ein bekannter Ritter steht er tapfer seinen Mann, wo alles längst verloren ist. Ich dagegen habe längst den Mut verloren, und meine Deckung bezogen. Was bleibt ihm, nicht mir, auch anderes übrig, wollt ihr mich fragen? Schaut euch noch mal unter Euresgleichen um, ihr neunmal Klugen, was ihm alles übrig bleiben würde, wenn ihr ein Denkmal sucht! (Si monumentum queres? Circumspice, oder so ähnlich. Quelle unbekannt; sagen wa Mal Schmidt, Arno, irgendwo da. Ich scheiß aber auch ganz gerne klug, lasst euch davon nicht kirre machen). So oder so bekomme ich ihn nicht zu fassen. Er rinnt mir durch die Finger, wie der Staub der Straße. Sicher, ich habe ein schönes Bild von ihm entworfen, vor dem man staunend friert. Ein Hanswurst oder ein Heiliger, je nach Betrachtung. Und er? schert sich nicht darum, und schaut sich nicht nach meinen Ehren um. Ist nie der, den ich erwarte. Nie da, wo ich ihn suche. Schaut mich lachend an. Als der Andere. Ohne Spott und Hohn freut er sich an dem Spiel, und wechselt schon wieder seine Maske. Verloren wie ein Kind, das den Ernst noch hat beim Spielen? Schon wieder nichts als ein schönes Bild, der Ernst des Kindes, doch der Spiegel des Velasquez bleibt weiterhin leer. Kommen wir so weiter? Ich denke nicht. Wir haben ihn genug gespiegelt. Pia, zum Beispiel. Ich selber auch. Ein paar Randfiguren, hier und da eingeworfen. Auch sie verdienen eine nähere Be-trachtung, lasst euch das gesagt sein. Ihr habt schlussendlich auch das eine und andere beigetragen, und mehr als Ihr euch eingestehen wollt. Macht euch doch nichts vor. Wir alle sind mitten drin im gemachten Geschehen, immernotwendig und überall. Haben versucht, auch ihn zu beleuchten. Wie mit Kerzen, oder meinetwegen mit Taschenlampen, haben wir in den dunklen Raum geleuchtet, in dem er zu einer Welt gekommen ist. Hier und da haben wir auch unklar etwas zu sehen bekommen. Schaffen wir es jetzt, uns vorzustellen, dass er uns lange hinter sich gelassen hat? Uns, - und unseren Lampen. Dass er davon nichts mehr wissen will, und das Licht ihn nicht mehr angeht? Wenn wir das schaffen, dann könnte es sein, dass wir eine Ahnung davon zu spüren bekommen, was wir von ihm zu halten haben.
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- Der Raum wäre dann leer. Von mehr wissen wir nichts.
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- <h2>Restposten und Denkmalpflege</h2>
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- Liebe Kolleginnen und Kollegen,
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- der oben bezeichnete Patient N. hat sich im Februar `98 aus freien Stücken in unsere fachärztliche Behandlung begeben. Seitdem befindet er sich in stationärer Behandlung. Diagnostiziert werden kann eine mittelschwere bis schwere depressive Episode. Chronisch psychotisches Geschehen kann ausgeschlossen werden. Während der sechzehn Wochen seines Aufenthaltes in unserer Klinik hat er stets mit großem, teils lebhaftem Interesse an den Therapieeinheiten teilgenommen. Ich-Ressourcen sind, besonders im intellektuellen und künstlerischen Bereich, deutlich vorhanden, liegen zum Teil aber brach. Körperliche Schäden lassen sich nicht diagnostizieren. Trotzdem klagt der Patient mehr über somatische Beschwerden (Gliederschmerzen, Schlaflosigkeit und starke Müdigkeit) als über depressive Verstimmungen oder neurasthenisch bedingte Unruhezustände. Begleitet wird die Depression von einer generalisierten Angststörung, die ihren Grund unter Umständen in traumatischen Erlebnissen während der frühen Kindheit haben. Wir empfehlen von daher die Fortsetzung der medikamentösen Behandlung mit einem angstmilderndem Antidepressivum, bis auf weiteres die teilstationäre therapeutische Behandlung zur Stabilisierung der Tagesstruktur, sowie begleitend eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie. Bei Rückfragen stehen wir Ihnen gerne telefonisch zur Verfügung.
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- Mit kollegialem Gruß
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- Dr. A. Flieder
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- <h2>Der heilige Frühling </h2>
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- Ein gewisses Insekt macht sich mit einem Biss am Unterarm Napoohs zu schaffen. Gleichgültig lässt er sie ihr lebenspendendes Werk vollenden. In den Klauen der medizinischen Grube, die ihn, wir wollen das nicht verschweigen, in den letzten Monaten vierzehn mal und mehr über den Kalvarienberg gehievt hat, ist ihm die Scham vor Eingriffen in sein Innerstes verloren gegangen. Trunken vor Lust schwiert die Mücke beschwingt ihrem Ende und Schicksal entgegen.
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- Schwalben zum Beispiel. Schon fliegen sie tief unter dem Rauch und Mehl der wenigen Wolken. :„Heut wird es wohl noch Regen geben.“ Allein mit sich reinigt Napooh den juckenden Stich mit seiner eigenen Spucke. In Blasen brodelt dies Gebräu von Hexen wie die Gischt einer späten Miles Davis Produktion auf der Wunde einer Haut, die sie nicht heilen kann. Die Spuren der Welt werden verwischt, und Napooh vergisst sich, die Mücke und das notwendige Ende aller Dinge. Er ist auf dem richtigen Weg, das hat der Stationsarzt Dr. Wallerius ihm auf jenen noch mitgeben müssen. Beim Ent-assungsgespräch. Bis zur Endstation der Straßenbahn ist er schon gekommen, im klopfenden Herz aufgeregt gefangen dabei, aber dieser Weg war natürlich nicht gemeint. Die Angst flattert schon mit den Flügeln, sie weiß, ihr Tag bricht wieder an: Es war alles nur ein Traum. Napooh schenkt dem Parkplatz, der von den Bahnschienen eingekreist seinen städtischen Zweck erfüllt, keine Weite der Beachtung. Starr hält er die nervös flackernden Augen in Richtung Boden befestigt. Lieber würde er sie schließen, doch wer weiß, ob er sie wieder öffnen würde. Hier ist kein Ort, um in Ruhe zu verwesen, also lässt er die Klappen noch nicht fallen. Ohne von ihm bemerkt zu werden, haben zwei unbeteiligte Beobachter, Benn und Eich, seine medizinische Selbstversorgung durch Speichel mit Abscheu und Ekel bemerkt. Sensationslüstern fallen sie mit genügend giftigen Worten zischend in die Latrine seines neu beginnenden Lebens schädigend ein. Das Inventar der menschlichen Mängel müsste auch von ihnen einmal geschrieben werden: Sie haben einen gebührend scharfen Blick dafür. Und vergessen nicht. „Wer redet, ist nicht tot“, so geht der Kurpfusch im Credo ihres gelebten Lebens. „Und nicht allein.“ Den Sturz vom hohen Ross der stoischen Ruhe im schützenden Rahmen der Klinik gönnen sie ihm aus ganzem Herzen. Die Genugtuung nehmen sie mit in die Straßenbahn, um breitbeinig darauf zu sitzen wie zwei Gutsherren, die wissen, wer sie sind. Dass sie noch vor dem Abendessen wieder auf Station sein müssen, sich in das Ausgangsbuch zurücktragen, ihren schriftlichen Tagesbericht bei der Nachtschwester bis einundzwanzig Uhr ausliefern, im Raucherraum dann auf die Nacht und das Nichts warten, :das alles kann ihre Freude über den schlotterigen Scherben-Haufen, Napooh mit Namen, nicht schaden. In den nächsten Stunden nicht. Oder sogar den immerselben Tagen. Wie mit Sandpapier angeschmiert hängt der antike Höhlenforscher Napooh wieder wie klassisch in den Seilen und Fangstricken der Phänomene. Das muss brühwarm ausgekostet werden, bei den Mahlzeiten, und auch sonst, hinter vorgehaltener Hand, wo der Seier lüstern lechzt. Die Seile und Fänge scheinbarer Wirklichkeit sind im vorliegenden Fall, um den es jetzt geht, holzschutzimprägnierte Bretter, die zu einer Bank bearbeitet worden sind. Von einem uns unbekannten Zimmermann. Oder von einem Hilfsarbeiter(=1Euro-Wert). Von irgendwem eben, der nichts Besseres mit sich und seiner Zeit anzufangen wusste. Napooh hört das Quietschen der kreischenden Schienen. Er hebt den Blick. Ungläubig. Der Lärm stoppt. Auf dem Bahnsteig hat es eine Handvoll Leute zu keinem PKW gebracht, erleichtert fällt die Last zu Warten von ihnen ab, in den bezogenen Plastiksitzen lassen sie sich zu ihren gesteckten Zielen hin stückchenweise befördern. Die Türen stöhnen beim Schließen erleichtert auf, und die Bahn verschwindet stockend zwischen den gestreckten Gleisen.
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- Ratlos starrt Napooh ins Leere. Er will nichts Großes. Den Wagen des hoellenischen Vaters will er noch nicht einmal lenken, nur nach Hause gebracht werden davon. Mehr nicht, und noch dafür ist seine Kraft heute zu klein. Denn die höhere Gewalt lässt die Pest der Photonen wie brennende Sterne vom Zenit auf das Phlegma der Erde fallen. Sein Kopf lodert vor brennender Ohnmacht und schwelender Verzweiflung. Seine Füße schwärzen sich vom Wirbel aus Asche und Staub der rasenden Stahlrosse, die zur Mittagszeit dem Leben der Erde den Atem rauben. Napooh sehnt sich nach kurzen Tagen ohne dogmatische Sonnen und mystischen Schein. Um sich als ein wandernder Schatten unter dem Schutz der Dunkelheit, in den Spalten der Berge, zu halten. Wo, glauben wir den Dichtern, keine Hoffnung mehr ist, und nur noch Schmerz. Die geil-großen Augen der scharf-schönen Adler verlieren ihn, bedeutungslos klein und hässlich wie ein Abgrund. Und aus der Sicht so. Für ein paar Monde nur, die Abwesenheit von Schikane und Sensation, dann wird die Haut wieder blank und frei zu Markt getragen. Unbeteiligt beobachtet keiner nach der Notzeit des Winters die freche Opferung der neugeborenen Nacktheit im Frühling. Wie wichtig wir sie nehmen, die ersten, bleichen Wochen vom Schorf der ekzematösen Wahrheit: Fortpflanzung und Erhaltung, wir wollen versorgt werden, mit ausreichend Nahrung und besorgender Nestwärme. Wir -; um mich hier zu Ende zu bringen, und zu Napooh, der Haltestelle und dem Licht der Sonne zurückzukommen; - also noch mal: WIR richten uns so miteinander und Möbeln von Ikea wohnlich ein. - Und zu.
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- Napooh dagegen glaubt nicht, dass ihm auch nur der Platz auf der harten Plastikbank der Endhaltestelle zusteht. Um nicht steckenzubleiben, lässt er sich von einem Kiosk zu einem Becher Kaffee ermuntern. Ein leichter Wind briest wie eine kurze Fontäne in ihm auf, er hievt sich unter Anstrengung in die Höhe.
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- (Bin ich bei Effi Briest von Fontane etwa gestrandet, jetzt-plötzlich? Ne, bei Herrn Professor Nietzsche in Turin, denn=) Die zerrissenen Sohlen lassen ihn im Abwesen von Droschken und Pferdestärken, im bewanderten Schatten des Sonne&Regen nicht scheuenden Überbaus; mit einer kalt-tränenden Schnute auf den Kiosk hin zufallen.
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- Wie mit geflügelten Sandalen schummelt sich ein rissiger Mensch an Napooh vorbei, sein Ziel und Glück am Ausschank in den starren Höhlen der Augen dabei. Wie gelähmt vom bissigen Sieg der überlegenen Natur stellt sich Napooh in die Ein- Mann-Schlange. Mit langem Atem flüchten sich die beiden Schatten in die beliebten Floskeln der letzten Menschen, lächeln zum Abschied, wollen die erbeuteten Ohren dann doch noch nicht fahren lassen, und kehren den ewig selben Singsang wieder und wieder hervor: „So ist es“ und „was will man machen“. =Sie wollen es nehmen, wie es kommt. Monoton stimmt das plärrende Transistorgerät in den Stumpfsinn der Welt und der Menschen mit ein, nach der Pause wird der erste Satz symphonisch wiederholt. „Wird das je enden?“, denkt Napooh in Bezug auf die gefallene Sprache der fröhlichen Meute. Hört dabei unter seinem Ärger die Bahn schon wieder die innenstädtischen Lichter der modischen Welt mit maschinischen Pferden bereiten. Von Angst und Liebe weiß er jetzt (=im Ärger) nichts mehr, wenn er jemals etwas in dieser Beziehung gewusst haben sollte. Dreht sich vergeblich nach der Bahn um, sieht ein Mädchen ihrem Freund zum Abschied aus dem Fenster winken, fasst sich ein Herz und verlangt vom Kioskverkäufer jetzt endlich einen Kaffee heraus-zurücken. Vor Ärger schlabbert er ein wenig über die ausgelegten Zeitungen, stellt sich mit dem braunbeigen Plastikbecher neben die orangefarbene Mülltonne, und wartet ungeduldig-rauchend auf die nächstbeste Bahn. „Unerbittlich ist neben dem Tod nur der letzte Rest der Menschheit“, denkt Napooh. „Meine Klagen erfüllen sie mit Abscheu, und sie drängen sich nicht wie das Wild um den Baum meiner Hoffnung: Still der eurydikischen Stimme horchen, die selbst ihn, den Tod, zu Tränen rührt.“
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- <h2>Das gewachsene Volk, zusammen gehört </h2>
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- Juni, zu heiß und ausgestorben schon jetzt das Jahr, irgendein Provinznest der Republik, ein Kiosk an der Endhaltestelle: folglich mit reichlich Holzgewächs und Park and Ride Vehikeln, vom Halbkreis der Bahnschienen eingekreist. Hier und da vereinzelt ziellose Bewegung: Zeitvertreib, bis zur Ankunft der Bahn.
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- Napooh an der Mülltonne, mit Kaffee und Zigarette, Plastiktüte am Boden neben seinen Füssen liegend: Die Siebensachen.
- Zwei Männer, der Kioskverkäufer, und sein Stammkunde. Beide in billiger, aber keimfrei gekochter Kleidung von Kik oder Woolworth. Jeans, weißes Unterhemd und Halbarmhemd. Um die fünfzig, kräftig, =mit selbst-zufriedenem Bauch.
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- Ein Transistorradio krächzt belanglose Evergreens, wenn die optimistische Stimme des Moderators mal nichts zu plappern hat. Munter.
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- Hermann: <br/>
- Bier is die Nahrung des LEBENs, gib mir NOCH eins, dat ich nich KRANK wärd. Und noch am kackn bleib. <br/>
- Dieter:<br/>
- Iss jut, red dich nich müd.<br/>
- Hermann: <br/>
- Dank dir, wo simmer?<br/>
- Dieter: <br/>
- Waat mal … neunundachzich!<br/>
- Hermann: <br/>
- Dat jeld is uch nix mea wät. Un sonne penna tun se dat fressen im asch blase, wat mänse, de iss doch usse KLAPSMÜHL, oda watt? Kaum <br/>
- ISsa fott, spielt a sich uff, wie Graf Rotz vonde Reinbrück, de ABSCHAUM da, dem könnt ich so kapott schlache, dat schwache Aschloch da.<br/>
- Dieter: <br/>
- Mach kinn Scheiß man, dann HASSe wieda Schererein mit de Schmier. Wennde jache will’s, waat bis de Johanna ZU HAUSE is.<br/>
- Hermann: <br/>
- watt meinsde watt mia dat scheissejal is, früha hätt ich den inne LUFT zerissen, un no jelacht dabei. Vohm frühstück, dat kannich dia sajen. Weissja wie ich früha wa, da hät kena dat maul uffjemacht, wenn ich beim Carlo rinjejangen bin, weisse dochuchnoch, oda?<br/>
- Dieter: <br/>
- Hör uff jez, dat iss doch kene Jegna, de IST feddich, dat siehse doch. Un de Johanna reist dia de Asch uff, wenne schon wieda vonne Wache komms.<br/>
- Hermann:<br/>
- Wat soll dat heissn, meinse ich hab ANGST voa dea oda wat, ich hab de Hose an zu huss, die hat zu kuschen, pass up jez<br/>
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- Die Bahn fährt vor, Napooh und zwei drei weitere Passagiere steigen ein, und die Bahn fährt ab. <br/>
- <br/>
- Dieter: <br/>
- GOTTsei dank<br/>
- Hermann: <br/>
- Willse sowat auchnoch beSCHÜTZEn, oda wat? Den hamse doch in asch gebommt, glaubmir dat, im Knast wird dea nich zweiwochen bei UNSmitmachen, paamal amtach nehmn se sowat VOR, bissa nich mea sitzn kann, de hat dat waascheinlch jän, wenna de asch vajoldet krich, früha hamma die imma rundjemacht, mit de Kumpels vom KRÄMER, den kennseuchnoch, oda?, wo ich früha im Laga gestandn hab, …dann hatta dichjemachd…<br/>
- <br/>
- Dieter: <br/>
- Weiß ich noch, wie LANGE isn dat hea?<br/>
- Hermann:<br/>
- Dannhamma uns freitachs jetroffn, und ab ins Bermudadreieck, wat meinsde, inne Hose ham de sich jeschissn voa ANGST, ena hat sich mal volljepisst, da hab ich den ussjezochn, un nackt über de Straß jejaacht, watt hamma jelacht, de isuch in de B0urch jelandetdann, HABich jehöat. Wenna verreckt: isauchnich schad drum, sachICH datis deabschaum vonneMenschheit, dahatte Adolf schonrecht JEHABT, is schade um jedn, dena verjessn hat, dat jesocks da, wenne mich nich dusselich jekwatscht hez, häddich mir den vorjenommen UND feddich, dann hätta DRECKt wieda inne Mühle jekonnt, wenna dat ÜBERLEBT hätte.<br/>
- Dieter:<br/>
- Sei mal FROH, ER hat dat nich …<br/>
- Hermann: <br/>
- GLAUBsE nich oda wat, ich hab noch jut ein drauf, glaubse nich, wat? So schnell bin ich nich mehr, mit dem KAPUTTE Rückn, abba wo ich hinlang, da wächst auch kein Gras mehr, für sone Tunte reicht dat noch dicke.<br/>
- Dieter: <br/>
- Isja jut, weisich doch, abba lass dat mal die JUNGEN machen, die ham noch nich soviel aufm Kerbholz , wat willse dich mit so was noch rumärgan.<br/>
- Hermann: <br/>
- ich hättn jedenfalls aufs maul jehaun, wenne mich nich abjehaltn häts. Tu mir mal paa Zündkerzen, schreibse an, ich bezahl ja, weisde ja.<br/>
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- Dieter gibt Hermann eine Dreierpackung Magenbitter und schreibt auf. Währenddessen wirft Hermann einen kurzen Blick auf den Aufmacher der Tageszeitung. Hermann öffnet dann die Packung, lässt ein Fläschchen in seiner Hemdtasche verschwinden, gibt eins Dieter und behält eins für sich. Beide drehen ihre Fläschchen auf, stoßen damit auf die Ablage und heben die Arme über Schulterhöhe, um sich zuzuprosten.<br/>
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- Hermann: <br/>
- Auf uns Dieda, los jib uns noch einn.<br/>
- <br/>
- Dasselbe wiederholt sich, Hermann guckt sich jetzt aber das Mädchen von Seite eins, das so genannte Montagsmädchen an. Mit den beiden Magenbittern in Reserve gerät er wieder in Fahrt.<br/>
- <br/>
- Hermann:<br/>
- Dea könnt ich auch mal ein verbratn, richtich kuschelich, und STRAMMe Dinga dabei, soll man nich glauben, nur den Bärn könntse sich kürzen, da musde jan Forstschein haben, abba die Hanna sah früha auch so aus, weisde noch, alle wan se hinta dea hea, abba nich mit mia, die weiß schon, wat jud is, zwei Kinda, und imma die Abeit, is ja kla, dass die nich mea wie siebzehn is jez, abba sons alles kla, weiß wat ich meine, ne? So was jibs bei mia nich, Zicken machen unso, glaubse nich, wa? Du bis doch nua neidisch, dat de Rosi dich nich mea lässt, die musse dir richtich erziehen, glaub mia dat. Dida.<br/>
- Dieter: <br/>
- is die denn IMma noch uffm SCHLACHTHOF zugange.<br/>
- Hermann:<br/>
- jakla, aber nich mea am Band, die tut jez Komissjon machen, da KRIEGt se auch mea, und jeht nichso auffe KNOCHEN, die brauch ihre Kräfte UND so für wat anderes, sachich doch, mit meim KREUZ kann ich die nich mea stemmn, is ja nich schlimm, wenne unta da Weiba liechst, die ham auch mea spass dann, glaub mia dat, abba hasse jelesen, den wolln se freilassn, datta jeheilt wär un so, hasse jelesn ne?, wia brauch mal wieda ne staake Hand, die aufräumt mit dem janzen Jesocks, wechsperrn füa imma, lange jet dat nich mea jud, bei de kleine Mann tun se de Hand aufhalten, und datt janze Jesocks kriecht alles, wat se brauchen, bei de Irana jibs so was nich, da wirse dreckt n Kopf kürzer jemacht, kurza PROZESS, auch wenne mit Drogen drann bist und so, hier musse ja Angs haben, wenne auffe Strasse jehst, un vonne Judn lassn se sich auch nich aufm Kopf rumtanzn, wenn de Ami nich wär, hättn se die schon lange ins Meer jeschmissen, glaub mia da, abba die machen auch wat se wollen, überall wollen se mitmischen, wat ham die dann da verloren, dene jehtet doch ja nich um de kleine Mann, die wolle doch nua dat Öl habn, hab-ich-recht, oda wat, die ham ja auch de TODesstrafe, dä Busch, wo de da noch dingens wah, ich weiss jez nich wia dat heiss, da hat dä auch imma untaschriebn, abba uns wolln se Vorschriften machn, wegen jede Scheiße, wie gross die Eier sein solle und so, jez solln wa auch noch wat bezahle da, bald wolln se uns noch voaschreibn, wann wa scheissn müssn, für janz Europa müssn wa bezahln, UND jez sin die Polen unso auch noch mit inde Union, die ham doch nix, dat is doch nix wert, von dene dat Jeld, abba bei uns haltn se imma die Taschn auf, sach doch mal, watt du davon denkst, dat is dia alles ejal, oda watt?<br/>
- Dieter: <br/>
- Ne, dat nich…<br/>
- Hermann:<br/>
- Dir is dat wohl alles ejal, wa? Guckse mich gross an, wie wennich n Nazi wär, früher jings uns bessa, mit där Maak, dat weissde doch wohl noch, machen wa bessa wieda alleine, und die janzn Kanaka solln guckn wo se bleibn, mitm Knüppl musse die ausm Land treibn, dat se bloss nich auffe Idee kommen wiedazukommen, dia iss dat auch scheissejal, Hauptsache die bezahlen, wa? Dat is doch alles auf unsere Kosten, da arbeitet doch keina von, Deutschland, schönes Land, ja, ja schönes Sozialamt, in tausend Jahren halten se uns dat noch voa, imma wieda, und imma halten se alle de Taschn auf, irjendwannn muss doch mal jud sein, da lebt doch keina mehr von, und wathammse mit de Pälästina jemacht, dene ham se auch dat Land wechjenomme, und wenn dä Ami nich wär, könnten se jar nix machen….<br/>
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- SOLITUS
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- Und so weiter, und so weiter. Von Stöcken kommt Hermann auf Steine, und Dieter kommt nicht zu Wort. Um Drei Uhr nimmt der wertekonservative Frührentner Hermann ein paar Flaschen Bier mit nach Hause. Von seinem Freund Dieter verabschiedet er sich mehrfach herzlich, bevor er sich endlich losreißen kann: „Gib mir deine Hände, wenn wir Freunde sind.“ Die Gerichtssendung im Privaten wird ihm Ersatz verschaffen. Dieter stellt das Radio ab, und wartet auf den Feierabendverkehr. Währenddessen studiert er den Sportteil einer überregional verbreiteten Tageszeitung, die auch sonst um das Wohl und Wehe der Menschen sehr bemüht ist. Sie hat wohl doch mehr als nackte Frauen auf der ersten Seite zu bieten. Die ganze Welt der Wahrheit.
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- <h2>Ein einsamer Clown im August </h2>
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- „Dies ist mein Tisch, und dies ist mein leerer Stuhl“, denkt Napooh. Er weiß nicht, ob er diese Worte nicht schon einmal gegen die Wand gebrüllt hat. Sie kommen ihm auffallend bekannt vor. Resigniert nüchtern, die Inventur der endgültig entzauberten Welt: „Dies ist das“ und „dies ist das“, und so weiter. Kurz und bündig, von jetzt und bis in alle Ewigkeit: die Welt, so wie sie ist. Vielleicht hat er sie, die nebensächlichen Worte, auch gehört, als das Schreien einer Kinderstimme, irgendwo im weltliterarischen Nebel. Nur um dann davon zu Stein zu werden.
- Auf dem Tisch: eine Kaffeetasse, ein Aschenbecher, die Leselampe, ein Stapel Bücher und mehrere Kugelschreiber. Ein Usambaraveilchen, fremd und seltsam, und ein geschenkter roter Jaspis. Der Kleiderschrank mit geöffneten Türen ist einigermaßen ordentlich anzuschauen, falls Ihr mit euren schäl-schrägen Späherblicken unbedingt einfallen möchtet. Und baldowern, wie es die übliche Art der Biedermeier ist. Es gibt hier nichts aufzudecken. Vor der Kommode, auf der das Radio die späten Kompositionen John Zorns wie kurze Wellen in den Nachmittagsäther sendet, stehen ungewöhnlich viele Paare Lederschuhe. Geputzt die. Auch hier nichts, was uns mehr verrät, als wir ohnehin schon wissen: Er, Napooh, versucht Scherereien aus dem Weg zu gehen, und gibt sich, nach Außen hin, unauffällig. So weit es in seiner Macht steht.
- Die Hitze ist im späten Frühling brutal über die meisten europäischen Länder hergefallen, sie hat ihre Herrschaft in den letzten neuneinhalb Wochen deutlich demonstriert. Selbst der spärliche Regen konnte dem strahlenden Ungeheuer keinen Grad der Milderung abringen. Nach der ersten Begeisterung über das endgültige Ende und Aus der kalten Tage ächzt jetzt, nur wenig später, alles, was Leben in sich und Blut in den Adern hat, unter der lang anhaltenden Dörre. Die Menschen bewegen sich nur absichtslos, -und andalusisch langsam. Als ob sie nicht mehr anwesend wären, wie tote Schatten im Schein der Sonne. Die Vögel singen lustlos, -und hörbar bloß zur Dämmerung am Morgen. Selbst das pralle Geschehen am letzten Rand der Blätter robuster Sträucher hat sich restendlich in kraftlose Schrumpel verzogen.
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- Die anarchische Kraft der ewig-widrigen Sonne hat Napooh zunächst achsel-zuckend in die melancholischen Winde seiner östlichen Wehmut geschlagen. Während der letzten Tage seiner stationären Behandlung in der Psychiatrie zunächst, und später, während der ambulanten Versorgung mit lebenspraktischen Ratschlägen in der Tagesklinik, dann auch. Unter der Sonne leidet er nicht mehr als unter der Kälte; oder unter dem nichts sagenden Nieselwetter regnerischer Tage im November. Nach seinem Geschmack wäre, wenn ihn jemand danach fragen sollte, kurzsparsames Licht mit grauleerem Himmel nach langem Halt in der Dunkelheit, aber ohne beim Schlafen frieren zu müssen. Jahrein und Aus, so ließen sich die gekerkerten Tage mühelos abbrummen auf Erden: die Sterblichen hätten keine längeren Weilen mehr zu füllen, mit ihren großen Taten und ihren lauten Worten. Hegel und Napoleon wären uns vielleicht erspart geblieben. Auf den Tod ließe sich so warten, ohne gescheitert die Geduld verlieren zu müssen. Nun, niemand hat uns nach unserer Meinung gefragt, die Welt ist so eingerichtet, wie es zu erwarten gewesen ist, und wir wollen uns nicht beklagen. Auch Napooh will sich nicht beklagen, zumindest in klimaforscherlicher Absicht nicht. Er hatte eine Zeitlang mit dem Gesundheitswesen zu schaffen gehabt, und liegt jetzt, seit Tagen, gestreckt matt auf seinem Bett, um beizeiten wieder zu sich und seinem Rappel zu kommen (Wie ein erschlagener Esel liegt er da. Mit einer Eisenstange. In einem bösen Traum - Ihr wisst schon: Schuld und Sühne- von Raskolnikow. Der Traum, nicht die Schuld). Seine Eingeweide seufzen dann und wann vor Kummer, dabei.
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- Die Herausforderungen der verrichteten Alltäglichkeit im klinisch strukturierten Leben haben ihm schwerer zu schaffen gemacht, als wir lebenstauglichen Tatenturner uns das in den Protz unserer kläglichen Sprache zerren können. In unseren krähenden Winkelköpfen noch immer völlig verkommen. Von Nestroy und Kotzebue doch längst auf die Schippe genommen worden: Wir. Und doch kommt noch immer kein gewisses Bisschen an Zweifel in uns hoch? Heilig die Sache, der wir lang und breit verschrieben worden sind. Wir können nicht anders, die Pflicht hat uns gerufen. Jedem Tag die Struktur der Zeit mit Essen vor-zuschreiben, ist nicht jedermanns Sache; der eine oder andere hat einen Hang zu abgeschiedener Einsamkeit und gedankenversunkener Tagträumerei; sportliche Übungen und therapeutische Basteleien im Trott der blödstumpf zusammen gekuschelten Herde wärmen nicht alle Wesen. Nachdem die Last der permanenten Berieselung mit eingedrückten Banalfragmenten von Napooh genommen worden ist (da, das kann ich mir schlecht verkneifen, die Budgets der Krankenkassen gewissen sozialdemokratisch abgesegneten Sparzwängen unterworfen worden sind), ist seine Seele in die Knie gegangen wie der dostojewskische Esel, der den wirklichen Karren tatsächlich nicht hat ziehen können. Auch unter den munterkräftigen Schlägen nicht, mit der schweren Eisenstange.
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- Bis in den Tod: Der Zwang der Sache (wenn wir so möchten). Heiligt alle Mittel.
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- Ihr habt mich verstanden!
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- Gönnen wir uns also eine Pause, und lassen das sacken. Ein Tässchen ayuverdischer Tee mit Honig und ein paar biologisch angebaute Kekse werden uns helfen, dem schwerholzigen Brocken, den uns die gelungene neuere Literatur in den Weg des Lebens gelegt hat, unbekümmert aus dem Weg zu gehen. Napooh lässt sowieso noch ein weiteres Weilchen die Wonne der Welt, die nicht die seine ist, fahren (Genau wie den Wind aus seinen Därmen. Wenn ich das hier so sagen darf). Die Schläge, die wir noch übrig haben, für ihn, können auf die Zeit, an der sie fruchtbar sind, noch warten. (:„fruchtbar sein werden?“, ich weiß: Schande über das muffige Mett im Rindenhirn meines Haupt-es. Und auch über das zickige Metrum der Wörter). Wir brauchen uns keine Sorgen machen: um ihn; das wird noch Reste von Tagen in Anspruch nehmen, bis er sich wieder verkraftet hat. Uns braucht er gewiss nicht dafür:
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- Wie ein Pfropfen in der Flasche mit rotschwerem Landwein drücken sich die nackten Fasern seiner Zehen in das Holzgestell am gebetteten Fußende. Zwei Bretter; mit Klarlack behandelt, zum Schutz vor Moder, Wurm und Fäulnis; die für Napooh den einzig denkbaren Zweck haben, den Muskeln und Sehnen seiner Schenkel unten Einhalt zu bieten, in deren philippinischer Wut nach zappelnder Bewegung. Sonst waren sie, die schweren Schwarzwaldbretter, für nichts weiter gut. Er könnte darüber auch seine Handtücher zum Trocknen aufhängen. -Zum Beispiel. Oder: Wenn ihm danach wäre, … -. Es ist ihm aber nicht danach, und außer als Stütze für seine Füße sind die beiden Bretter für Napooh ein Null und ein Nichts in der Enge seiner nichtswürdigen Welt. Wahrscheinlich weiß er nicht einmal, dass sie überhaupt eine Eksistens ihr Eigen nennen. (Dass die Bretter selber nichts von sich wissen, brauche ich wohl nicht extra mit meiner Postille in die geistreich-modernen Mägen zu spülen. Es erklärt sich, wie das Sein und die Zeit, von sich selber her. Der Rest wird ein Geheimnis bleiben, zumindest was mich angeht.)
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- Als wäre ihm ein Licht ausgegangen, kurz hinter dem gestopften Leck im Kopf, plinkern und plinzen die Pupillen nur so unbestimmt vor sich hin. Ohne sich mit dem; zugegeben etwas unverbindlichen; Reiz da von draußen zu verknüpfen. In stummer Klarheit schweigt der sonst plappermäulige Papagei den immernotwendigen Monolog im Innenraum wohlmöglich? Jetzt noch zu Tode. Die Lippen Napoohs sind blutleer, -und fahl davon. Ein Flüstern, wie von Kreide zerfressen, murmelt das Er von Zeit zu Zeit durch das ausgetrocknete Flussbett des fließenden Äthers. Er braucht jetzt dringend ein paar Antworten. „Reden? Ja? Wenn ja, dann worüber? Und wird das etwas nutzen?“ Wir haben nicht richtig viel Ahnung von solchen Fragen, die sich für uns nicht stellen können. „Was ist los mit dem Idioten“, und „so was macht mich depressiv“, mehr fällt uns nicht ein, - dazu. Lassen wir ihn auch damit alleine. Er wird so oder so seine Entscheidung treffen müssen. Wir dürfen weiter gelassen sein.
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- Die Arme baumeln verzogen am hölzernen Bettkasten herunter. In vertauschbaren Abständen schummeln sie sich wieder in den Fuchsbau der geschlossenen Leiblichkeit Nehmen im spitzen Winkel auf der Brust ihren Unterschlupf. Wie von fremder Hand geführt kneifen Daumen und Zeigefinger fest in die Warzen. Streichen zum Abschied in adeligen Kreisen sinnlos um den verschlossenen Hof. Vom lebendigen Geist der wahrhaftigen Schmerzen verlassen, verzweifeln die Arme auf ihrem Weg, und fallen zurück in das Koma ihrer neu=jungfräulich verordneten Einsamkeit.
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- Vom Rest des Körpers lässt sich nichts Aufregendes erzählen. Der starre Oberkörper ist unbedeckt, wegen der Hitze. Die Sporthose hängt locker um das gemähte Gemächt und das schlappschwache Muskelgesäß; das schnellzügige Schlabbern der Beine, butterweich die Knie dabei, lässt den Stoff geflochten seine Wellen schlagen. Die Bauchdecke flattert in ungleichmäßigen Abständen, als würde der erfolglose Nabel gierig nach Luft und Leben schnappen, und dann ersaufen im Luftstrom der freigelegten Hirn-Winde (in Niki-Nike Hose und nahtlosem Hirn):
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- „ Heiliger Bimbam, in den Hafer geschissen, Odyssey, Seerosen, im mittleren Westen, Frosch, Sirenen, und die Verwandlung, die Hure von Babylon, wieder einmal stimmen wir überein, zungengelähmt, Forrest Gump, unanständig und vulgär, die Welpe einer Hure, wie die Gnade Gottes…“
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- Leise verebbt das Murmelspiel im versandeten Schwund. Auf ein Neues krampft sich der Körper unter Sauerstoffmangel zu dem geistigen Unrat im (Hier und) Nu-n zusammen:
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- „durch Hammerschläge schärfen, Irreführung, Täuschung und Tarnung, der Anfang des Revolutionsliedes, an Tempo und Lautstärke abnehmend, dichtbesetzte Chuzpe, der falsche Sprung eines Schulpferdes, Tod und Auferstehung, Erznarren, die Kunst der richtigen Fragestellung, Eulen und Spiegel, Eskamotage, farbechter Fallrückzieher, die Küchenzettel der Kökkenmöddinger, chronologisches Verzeichnis der Werke Mozarts, Oh-Oh, so La-la, machen es alle Frauen, Silentium, Leben noch krank, Klapsmühle ist Abschaum, Hass und Angst in der Luft zu Hause, Gott schütze uns vor Krämer, Angst und Dreck überlebt: Ich, der Glaube des kaputten Jungen, im Schlachthof, dann der Prozess, Krieg meinen Knochen, und am Kreuz soll ich schweben, tot und einsam, dem Fluch der Stille hört nur der Dämon zu, unverwandt, bei Poe und aller Mannigfaltigkeit vom Elend der Menschen, gottverlassen wir, und warum?...
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- Zu guter letzt siegt doch immer die Eine Grammatik; unbewegt bewegt sie den letzten Menschen auf dem Blitz ihrer Gleise; auch durch die düsteren Berge und finsteren Täler führt der Weg immer nur zum Licht der Vernunft. Lobet Parmenides, und alle, die ihm nahe stehen. Lasst uns dann ein episches Requiem für sie anstimmen, frei von Widerstreit und Gegensatz, unser Lachen und Schreien soll kein Ende mehr finden, wenn die Mädchen starr und stumm am Ufer stehen. Bei Zeus, wollen wir die stierenden Grammatiker zu guter letzt etwa auch noch das Tanzen lernen? Auf ihrem einem Bein gar?
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- Napooh hat jetzt jedenfalls gehörig genug von dem wortreich gehoffenbarten Hick Hack, und brabbelt: „Papperlapapp“. Er will sich auf ein stilles Örtchen verziehen, um den nötigen Abstand eilends zu gewinnen. Zwar nicht ohne Mühe wird die Kiste aus Federn von ihm zurückgelassen, aber der Gnadenstuhl am Ende des Ganges scheint den Kraftakt der Glieder zu lohnen. Das Bett zu nässen wäre bei der brütenden Hitze nicht der Rede wert, aber den Urschleim des Kaviars in die Kissen zu koten wäre auch ihm zu viel des Guten. „Mensch sein, und Mensch bleiben“ heißt demnach unsere denkwürdige Devise, verbreitet auch in den ernsteren Fragen der entleerten Bedürfnisse.
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- Vor der Tür der möblierten Behausung, schräg gegenüber seines gemieteten Domizils, frickelt Jens Peek mit seinen Fingern den Dreck aus dem Zimmerschlüssel. Ungeschickt, und bis zum Halse voll mit Ungeduld über den Brass mit den alltäglichen Banalitäten. Wie eine verzogene Violine quietscht Napoohs Tür in den Angeln. Mit dem überzogenen Tenor des überzeugten Heiden reißt Peek mit seiner Stimme die Arme hoch: „Salute, te deum laudamus“ (Der heilige Vater, den er, Peek, gern mal lobend auf die Schippe nimmt, empfängt nun mit überschwänglicher Freude den flotten Otto:). Ah, Boha, wo er denn so lange gesteckt habe; und ob er auch ein Bier wolle, und was das für eine Affenhitze sei, seit Wochen schon. Napooh braucht nicht nach der Suche für eine Antwort aufbrechen, der Mistralsturm der peekschen Fragewut lässt ihn erst gar nicht zu Wort kommen. Er konzentriert sich verlegen darauf, der vorzeitigen Defäkation durch autogen-antrainierte Atemtechnik Einhalt zu gebieten. Mit Schwindel im Kopf und viel Schwarz vor den Augen lehnt er Peeks Einladung zu einer Partie an der Konsole entschieden ab. Gar nicht seine Art sonst, aber der Zwang der Gedärme bestimmt derzeit das Geschehen: Ein andermal, bestimmt, aber jetzt müsse er dringend auf Klo. Mit hochrotem Kopf quetschen sich Napoohs verspannte Arschbacken bis zum Ende des Flurs. Peek wiegt resigniert seine Bierflasche hin und her, steckt den verstopften Schlüssel ins Schloss; (und siehe da: jetzt erfüllt er seinen Lebenszweck); und betritt seine verrauchte Drogenbude. Hier wird nicht nur mit Haschisch versucht, den Schein der Individuation ein für alle mal aufzulösen; Peek meint es wirklich Ernst mit der Wahrheit im Nirwana; er hat bereits eine Stufe des Bewusstseins erlangt, auf welcher ihm auch eine längere Askese die Rückkehr ins Tal der lebenden Toten nicht mehr vermöglichen wird. Nebenbei vertreibt er sich die Zeit mit Ego-shootern und GTA-Versionen, wobei eine gehörige Dosis Amphetamin ja nicht unbedingt hinderlich ist. Jede geistige Anstrengung, die nicht dem Zweck dient, Drogen aufzutreiben, hält er für borniert-bürgerliche Verschwendung der göttlich wirkenden Kraft, die in ihm beständig nach oben strebt. Um seinen Körper kümmert er sich wenig; nicht mit schäumenden Seifen und schrubbenden Pasten; da, so Peek, dieser vermaledeite Leib nur Gefängnis und Ballast, bestenfalls Vehikel sei, den Geist in höhere Sphären der unsterblichen Götter zu hieven. Die Schlucht der biblischen Testamente, die Berge der vedischen Verse, die steinrollende Relativitätstheorie für Quanten und Quarks, der nativ und natürlich schleichende Schamanismus der –politisch korrekten:- Ureinwohner und die frommsche Kunst zu lieben; kurz: Nichts lässt er aus, um sich der Lochstickerei von ewigem Leben und letzter Erlösung als längst bewiesen hinzugeben. Anders als seine Weggefährten im Kampf um den wahren Glauben zeichnet ihn zumindest eine unbekümmerte Sorglosigkeit im Umgang mit der absoluten Wahrheit und seinen Mitmenschen aus. Sie hat ihren Grund wohl im gehobenen Spiegel seiner Blutwerte und einem zu Ende gelebten Fatalismus: Die irdischen Auswärtsniederlagen nimmt er mit Würde hin, ohne verletzten Stolz in sich runterwürgen zu müssen. Der himmlische Heimsieg ist ihm später, daran kann nichts an ihm rütteln, dagegen sicher. Er schmeißt im Vorbeigehen die Playstation an, wirft eine Handvoll Baguette-Brot in den Ofen, und verstaut ein halbes Dutzend Oettinger im sonst leeren Kühlschrank. …
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- Napooh schließt die Tür der Toilette, wischt lose mit dem Papier über die Brille, lässt seine Hose bis zu den Füssen runterfallen und setzt sich. Ohne sich quälen zu müssen, entlässt er die säuerlich einverleibten Exkremente und; (quasi als Bonus-Wrack, extendet Version); einen bleibenden Hauch süßer Verwesung in die Freiheit. An Verstopfung leidet er weiß Gott nicht, der Stuhlgang nimmt selten mehr als zwölf Sekunden seiner begrenzten Lebenszeit für sich in Anspruch, auch wenn er, Napooh, mal nicht unter der Rache des Montezuma zu leiden hat. Es ist nicht abwegig, wenn ich die These aufstelle, dass seine Verdauung das einzige an ihm ist, was unter keiner neurotischen Störung zu leiden hat. Worin der letzte Grund für seine einzigartig entspannte Art der Darmentleerung, immer und überall, zu finden ist, diese ergiebige und für die Nachwelt nicht unerhebliche Diskussion überlasse ich dem unergiebigen Forscherdrang der staatlich subventionierten Gelehrten. Zum Beispiel aus dem universitären Lager. Den Herschafften ist einiges daran gelegen, über gewisse Verhalte der neoliberalen Wirklichkeit nicht, oder so wenig wie möglich zu sprechen. Damit ihnen unter der Hand nicht die absurden Themen abhanden zu gehen drohen, haben wir ihnen eine Fragestellung vor die belederten Schuhe geworfen, die es in sich hat.
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- „Anything goes? Nothing comes!“, die Postmoderne scheint an Napoohs butterweichen Schiss ihre strukturale Grenze erreicht zu haben. Wir geben uns hier, wo die unsichtbare Hand des Marktes Heft und Feder in der Hand hält, mit wenigen Thesen in Bezug auf die napoohsche Verfahrenstechnik zur Entsorgung mühsam einverleibter Weltlichkeit zufrieden. Auf der seelisch-emotionalen Ebene stellen wir zunächst die Abwesenheit der schändlichsten aller Charakterschwächen unumwunden fest: Geiz ist ihm, Napooh, gänzlich fremd. Er ist froh wie ein König, wenn er den Ramsch, den man ohne zu wollen anhäuft wie die Wiesenblumen ihren Samen, wieder aus den Augen verliert. Mag damit sein Glück finden, wer immer dazu imstande ist, für ihn ist die Last materialer Berge an Besitz bedrohlich. Wie die auslaufenden Alpen auf den Schwarzwald drückt die Sorge um das Zeug ihm auf die Seele. Wenn ihm die Möglichkeit geboten wird, sich aus dem Morast der Materie tanzend zu lösen, greift er, der sonstige Verzögerer, zu, ohne zu Zaudern. Was weg ist, so sein Motto, ist weg. Von eben derselben Schlagkraft wie das soeben zur Schau gestellte Heiligenbild, welches im Normalfall als die Abwesenheit von der Fähigkeit, Verantwortung für sich und sein Leben zu übernehmen, ausgelegt (=also anmaßend und anspruchsvoll inter-pretiert) wird, ist die ungewöhnliche geschmackliche Ausrichtung Napoohs im Hinblick auf das leibliche Wohl. (Was für ein Donnerbalken an Satzbau, wenn da mal die Zeichen richtig gesetzt und gesehen sind. Ich wiederhole mich gern: „Wer“, so Nietzsche, „das nicht sehen kann, was groß und schön am Menschen ist, der sieht nur das, was klein und hässlich an ihm ist. Und er verrät sich selbst damit.“ Wohlgemerkt, das hat Friedrich Nietzsche gesagt, ihr solltet eure Vorurteile in Zukunft also besser abwägen, bevor ihr sie laut und ungefragt in alle Teile der Welt hinausposaunt.) Weiter im Text: Die leibliche Vorliebe Napoohs von der ich soeben gesprochen habe;( hört mir überhaupt noch jemand zu?); besteht zum einen im Trinken von großen Mengen an Wasser. Auf vier bis fünf Liter am Tag bringt er es mit Sicherheit. Von daher muss er zwar ständig die Blase leeren, was ihm längeres Sitzen völlig unmöglich macht. Die verdauungsanregende Wirkung der Urkraft des Lebens aber hat sich inzwischen unter die ersten Plätze der Diätvorschläge gemischt, und sich hier seit längerem behauptet. Zum anderen besteht die feste Nahrung, die Napooh in kleinen Mengen zu sich nimmt; die er, wenn ich so mal sagen darf, seinem Darm reicht wie der Ehemann seiner Frau am Frühstückstisch die Butter, was ja wohl nicht zuviel verlangt ist, da sie sich regelmäßig dazwischen, und Samstagnachmittag in jedem Fall, auf der Couch von ihm in wechselnd geöffneten Stellungen begatten lässt, damit er die Lust am Brötchen verdienen nicht unter der Woche zu verlieren droht, besteht, falls ihr den Faden noch nicht verloren habt, zu großen Teilen aus Vollkorngedreideprodukten in allen denkbaren Varianten (das tägliche Brot, Müsli, Haferflocken, Reiswaffeln, gekochter Reis oder gekochter Hafer, und hier und da auch mal Nudeln). Die Ballaststoffe scheinen es in sich zu haben, denn, wie gesagt, unter Verstopfungen leidet er nu wirklich nicht. Zurzeit hat er sich mal wieder auf Haferflocken spezialisiert, die bei Aldi neunundzwanzig Cent und im Bio-Laden zwei Euro fünfzig kosten. Die Rezeptur: Die Haferflocken kocht Napooh mit Wasser und Olivenöl, oder mit Reismilch, kurz auf, fügt dann einen guten Esslöffel Sesamkörner, einen guten Esslöffel Sonnenblumenkerne, eine Prise Meersalz, eine Prise Zimt und ordentlich Honig hinzu, und lässt den Brei etwa zwanzig Minuten auf kleiner Flamme köcheln. Anstelle von Sesamkörnern und Sonnenblumenkernen nimmt er auch schon mal Mandeln und Mohn, oder geraspelte Haselnusskerne und Sesam, oder Sonnenblumenkerne und Haselnusskerne, oder Kokosraspel und Haselnusskerne. Erweitern wir die Kernfolge auf drei verschiedene Sorten (Also: Haselnusskerne, Mandeln und Kokos; Oder: Haselnusskerne, Mohn und Sesam, und so weiter), so übersteigt die Errechnung der Wahlmöglichkeiten unser begrenztes mathematisches Vermögen. Napooh dagegen beschränkt sich im Normalfall auf Sonnenblumenkerne und Sesamkörner, was ihm ermöglicht, sein Leben einfach zu gestalten. Weder im Bio-Laden noch beim Kochen muss er für die Pflichtkür mehr Gedanken zu Tage bringen, als es seiner an-geschlagenen geistigen Gesundheit förderlich zu sein scheint. Haferflocken mit Wasser und Honig hätten die selbe erleichternde Wirkung auf seine Darmflora wie die erweiterte Rezeptur, und er überlegt ernsthaft, die biologisch-dynamische Liebelei mit erlesenen Gewürzen und klitzekleinen Körnern aus Faulheit und Kostengründen endlich an den Nagel zu hängen. Hierdurch würde er sich außerdem in die Lage der Freiheit versetzen, sein tägliches Menu ausschließlich bei Aldi, als die Insel der Glückseligen, erwerben zu können. In der sozialen Hängematte käme er aus dem darmgeschüttelten Schaukeln dann wohl kaum noch heraus.
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- Ich denke, wir haben uns jetzt ausreichend mit Napoohs Verdauung auseinandergesetzt, sein Hausarzt weiß in dieser Hinsicht auch nicht mehr als wir. Nehmen wir den Faden also wieder auf:
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- Im Aufstehen zieht er die billige Jogginghose hoch, dreht sich in der anderthalb Quadratmeter kleinen Zelle ungelenk um, zieht ab, und legt den Toilettendeckel leise auf die Schüssel. Ihm wird es wegen der sommerlichen Hitze schwummerig in den Gliedern, und er setzt sich vorsichtig auf die fest verschlossene Toilette. Der ganze Aufwand wegen seiner Essgewohnheiten eben war wohl doch ein wenig zuviel der menschlichen Nähe, denn er seufzt, da wir das Thema zu einem gelungenen Ende gebracht haben, erleichtert auf. Er hört David mit schweren Schritten seinem Feierabend über den trostlosen Flur entgegen wanken. Die Spielsucht hat ihn, der mit seiner gutbezahlten Fließbandarbeit sein kleines Familienglück lebenslang wie eine Eisenkugel hätte an sich ketten können, vor zwei oder drei Jahren im möblierten Zimmer , neben der Dusche und schräg gegenüber der Toilette, landen lassen. Er spricht wenig, was ihn für Napooh symphatisch macht, trinkt gelegentlich ein paar Bier, ohne je betrunken gesehen zu werden, und hält sich aus den Angelegenheiten der Menschen, die wie er zum Unterschlüpfen in 250 Euro teuren zwölf-qm Abstellkammern verurteilt sind, immer heraus. So gut es unter den gegebenen Bedingungen möglich ist, hat er sich ein wenig Würde und Menschlichkeit bewahren können. Napooh knipst vorsichtshalber das Licht aus, da er sich nicht sicher ist, ob er nicht wieder mal unwissend etwas Verbotenes verbrochen hat. Sicher: Regelmäßiges Häufchenlassen ist eine natürliche Notwendigkeit, aber mit solchen Allerweltsweisheiten brauchen wir dem verängstigten Napooh nicht zu kommen. Er hört wie die Zimmertüre von innen geschlossen wird, und beginnt vorsichtig wieder zu atmen. Da in der Dunkelheit außer dem geritzten Licht des Türrahmens nichts zu sehen ist, bemerkt Napooh mit geschärften Sinnen die kühle Luft im fensterlos gemauerten Raum der menschlichen Bedürfnisse. Der ätzende Geruch von altem Urin kommt in der Dunkelheit zwar auch besser zur Geltung, kann Napooh aber nicht davon abbringen, sich ein kurzes Weilchen im Verlies der Bedürfnisse von der quälenden Nachmittagssonne zu erholen. Um nicht weiter als nötig in die Sackgasse von Leben und Welt zurückzutreten, lässt er das Licht ausgeschaltet. Zu sehen gibt es eh nicht viel, was sich in der Abwesenheit von Licht zu verbergen weiß: Die leeren Kacheln reihen sich verlassen aneinander wie die Geschäfte in der Innenstadt. Über dem Toilettenkasten fristen ein paar spindeldürre Hausspinnen die trostlosen Tage ihres Daseins. Silberfische haben sich in die Ritzen geschlichen, wo niemand ihnen je auf die Schliche kommen kann. Die Glühbirne hängt lose und nichts sagend in der Fassung. Die Tür umstellt den Besucher endgültig zur Ansicht der Front hin. Kaum in Bedrängnis der Eindrücke genommen, hat Napooh einen Moment an Zeit, und zwar einen großen. Am liebsten würde er nie wieder aufstehen, das spärliche Licht im Türrahmen als den letzten Grund für weitreichende Spekulationen in Angriff nehmen, um die Fäulnis der wirklich zerrütteten Verhältnisse nach und nach in die Vergessenheit zu entlassen. Er beschwört alle Geister der Unterwelt, ihm einen weiteren Frühling zu ersparen. Hier ein paar stille Tage verbringen, und dann ohne viel Bohai den Posten des unbeteiligten Beobachters unbemerkt verlassen, das ist nicht gerade viel verlangt? Er seufzt mehrfach auf bei der bloßen Vorstellung, vom Joch des Daseins endgültig erlöst zu werden. Im vergleich mit seinem Bett, welches im tobenden Zimmer nur wenig Schutz zu bieten imstande ist, ist der abgedunkelte Sarg, den er in der Hitze des Heute neu für sich entdeckt hat, ein klarer Schritt nach vorn. Er kommt mehr und mehr zur vorletzten Ruhe, stützt seine Ellbogen auf die Knie, lehnt sein Gesicht in die geöffneten Handflächen, -und träumt von einem grau verwaschenen Hintergrund ohne klare Kontur. Wir können ihm nicht viel Zeit geben, eine Stunde vielleicht, nicht viel mehr, er soll es auch nicht besser haben, wir haben ihm eine Ruhepause gegönnt, das Leben muss weitergehen.
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- Vom Flur her tönen laut die Schläge von ledernen Absätzen gegen den Grund, die Türklinke wird energisch nach unten gerissen, und die Tür gegen den Rahmen gedonnert, laute Worte drücken und drängen sich in das selbstgewählte Exil der inneren Emigration, zerstören den Raum, der sich gerade erst zu bilden im Begriffe stand, bis der Tumult allmählich nachlässt und sich zum Ende des Flurs hin verflüchtigt. Napooh holt wieder Luft, knipst das Licht an, öffnet vorsichtig die Türe ein Stück, um über den Flur zu lugen, und schleicht auf schnellen Füssen zurück in sein Zimmer. Ohne die Toilettentür wieder geschlossen zu haben.
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- <h2>Kleines Glück in großen Herden</h2>
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- Die schwarze Polyester-Mütze hängt tief in den Augen, damit Napooh nicht zuviel zu sehen bekommt. Etwa von den Laubblättern, die sich im Spätsommerlicht verfärben, und in naher Zukunft vom städtischen Gartenamt in Plastiktüten an den Stämmen der Bäume vorübergehend gelagert werden. In der Mülldeponie werden sie dann mühelos verrotten, um abschließend an die Zunft der Kleingärtner als Komposterde verkauft zu werden. Alles fließt wie gewohnt in Strömen durch den Kanal der Zeit, um in wechselnder Formen den immergleichen Inhalt neu zu gestalten: Der Wille zu Sein. Weniger blumig bestätigt uns auch der letzte Schrei der lehrenden Wissenschaft vom Geschehen in Gesetzen, dass Energie im nichtigen Wandel niemals zu vergehen droht. Auch unser Napooh hat sich über das laufende Jahr gehörig verändert. Beides: Der Besuch in der Nervenklinik und die zurückgezogene Einsamkeit im Einraumzimmer danach haben ihm vor Augen geführt, dass er unter unzählbaren Übeln das kleinste nicht zu finden imstande war. Nachdem er sich über lange Jahre jeweils über das bestehende Schlechte lauthals beschwerte, wobei er wider alle Vernunft die Hoffnung auf die Verbesserung seiner Lage zumindest für theoretisch möglich gehalten hat, macht er es sich seit neuestem auf dem stillen Ruhekissen der stoischen Regentonnen-Resignation gemütlich. Er leidet nun, wenn wir so möchten in der Mitte des herbstlichen Aufbruchs, unter seinem zweiten Frühling. Der Welt entsagt hatte er in jungen Jahren ein erstes Mal, und sich für längere Zeit achselzuckend in das Schicksal gefügt, ohne schlecht damit gefahren zu sein. Nachdem er die Geschlechtsreife erlangt hatte, war es mit dem monotonen Frieden, wie von blinder Natur getrieben, dann vorbei. Die Flucht in die Welt der Bücher hielt ihm danach nur umso schmerzlicher die Wirklichkeit der negierten und wahren Welt vor seine Augen, die er so unmöglich finden konnte, \wie er nur wollte. Seine gekonnten Schimpfreden über den Jammer des Daseins machten ihn alles andere als beliebt, und die Hoffnung auf den ewigen Frieden ist, nach Ansicht Napoohs, noch lange nicht dingfest gemacht. Die kurze alternative Liste seines Lebens: weltentrückte Einsamkeit entweder hier, oder Tumult in der Klinik dort. Der Zwang seiner drückenden Lage hat ihn kürzlich psychisch komplett einstürzen lassen. Und dazu gebracht, den Leidenschaften der Dinge in ihrem Lauf bloß willenlos noch zu folgen. Anstoßenden Änderungen der Handlungs-Richtung, aus sich selber als der ersten Ursache und der eigenen Verantwortung heraus, will er sich still und duldig bis auf weiteres entziehen. Wenn sich die Notwendigkeit einer stationären Behandlung ergeben sollte, muss sie von selbst und ohne seinen Beistand ihre Schlagkraft durchsetzen können. Wenn dagegen das Schicksal ihn im Bett wollte vermodern lassen, wird es schon seine Richtigkeit haben damit. Er lehnt sich also zurück, betrachtete unbeteiligt das forsche Treiben des modernen Menschen, und wundert sich über den unsagbar neuen Blick, der sich ihm aufgetan und seine Aussicht wieder hat frei werden lassen. Wenn ich es auf den Punkt zu bringen genötigt werden sollte, kann ich seine Gemütslage auch so zusammenfassen, dass er sich in jeder, und auch kulturtheoretischer Hinsicht, aufgegeben hat. Nicht einmal auf den Tod wartet er noch, von dem er sich aus langer Erfahrung nicht allzu viel versprechen zu können glaubt. Wir können also von einer depressiven Episode sprechen, die weder mit Selbstmordabsichten noch mit größerem Leidensdruck verbunden zu sein scheint, dafür aber umso aussichtsloser mit den amüsanten Ansichten des Herrn Professor Schopenhauer, der sich und sein Leben in hohem Alter in Frankfurt zum Ende gebracht hat. Mit Hilfe einer Lungenentzündung, wenn ich nicht irre.
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- Die Muskeln der Glieder sind entspannt, das Gesäß sitzt ruhig und gelassen auf der städtischen Parkbank, die Hände liegen auf dem unteren Bauch, und der Oberkörper fällt vertraut gegen die intime Rückenlehne aus grünem Plastik. Wäre die Mütze nicht Gangster-gleich in den Blick gezogen, um die sehende Schärfe der Härte und Gewalt des Lebens zu entziehen, könnte der heitere und gelassene Blick der Resignation uns einen Schelm vor den Schlamm unserer Augen werfen, der mit sich und der Welt weitestgehend im Reinen ist.
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- (Jetzt muss ich aber doch einmal dazwischenfunken, es geht in der Reihe der Erzählungen zunehmend drunter und drüber, wie auf einem orientalischen Basar. Ohne Anfang und Ende wirft der Erzähler uns Bruchstücke aus Napoohs Leben vor die Füße, um uns im ungetrübten Sein ins Straucheln zu bringen. Anstatt ein klares Gemälde vor unsere alltagsgetrübten Augen zu stellen, mit welchem wir uns von der Last des Tages ein bisschen ablenken können, verwirrt er uns mit lose zusammengemischten Fragmenten aus Selbstzweifeln, Weltenhass und Depressionen. Der tatsächliche Sachverhalt ist bedenklich einfach, und lässt sich in wenigen und deutlichen Worten klar zur Sprache bringen. Lassen wir den ganzen experimentellen Mumpitz, der kaum zu verstehen ist, einmal beiseite, handelt es sich bei der zentralen Figur (Napooh) um einen Menschen, der seine schwere Verhaltensstörung durch betont passives Gebaren zu verbergen versucht. Er hat es nicht geschafft zum anderen Geschlecht in Person der Pia eine gelungene Beziehung aufzubauen. Ebenso wenig ist er in der Lage zu freundschaftlichen Beziehungen, die unverbindliche Bekanntschaften auf dem Flur überschreiten. Seine starke Neigung zu Produkten der Hochkultur ist die Folge seiner sozialen Isolation, und hat diese im Laufe der Jahre zunehmend verstärkt. Da sein sensibles und verzärteltes Wesen unter seiner nutzlosen Existenz schwer zu leiden hat, musste er zunächst medikamentös behandelt und dann stationär aufgefangen werden. Da er auch hierdurch zu strukturierter Arbeit nicht zu bewegen ist, kann ich durchaus von einem Scheitern der medizinischen Maßnahmen sprechen. Wie ein störrischer Esel beharrt er auf seinem unumstößlichen Pessimismus. Da auch ihm die aussichtslose Lage seiner Erkrankung klar geworden ist, hat er die erfolglose Suche nach einer merklichen Verbesserung seiner Lebensbedingungen zurzeit aufgegeben. Er lässt sich hängen, stöbert ohne größeres Interesse in seinen spekulativen Büchern, die ihn sonst immer in euphorische Stimmung versetzt haben, herum, und redet sich vor der zwingenden Konsequenz seiner Existenz durch weltfremde Theorien vom alles durchwaltenden Willen mehr schlecht als recht heraus. Das bisher zu Papier gebrachte habe ich so ohne viele Umstände verstehbar für euch zusammengefasst. Um seinen Feierabend damit abschließend zu genießen, taugt es mit Sicherheit nicht. Mit der Frage, wer ich denn nun bin, der sich hier zu Wort gemeldet hat, muss ich den Leser leider alleine lassen. Aufgesplittert in den allwissenden Erzähler, den unbedeutenden Teilnehmer am Rande des Geschehens und in Napooh, der auf diese oder jene Weise meinem Ich entsprungen ist, kann ich erklärende Antworten von dieser Tragweite hier nicht geben. Je nach Perspektive würden sie verschieden ausfallen. Eventuell verstörten Rehen habe ich mit ein paar Sprüngen auf die Lichtung des Verstehens geholfen. Gebt euch damit zufrieden, den Rest lasst im Dunkeln.)
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- Eine junge Mutter, achtundzwanzig Jahre alt, führt ihre ganze Persönlichkeit im Park spazieren, und schiebt ihren Schatz im Kinderwagen vor sich her. Ihre Nase hebt sich hoch über den Neid der Menschen, die ihr das Glück der Vermehrung gerne madig machen würden. Obwohl der Herbst sich schon ankündigt, ist sie noch immer mit der aktuellen Sommermode uniformiert. Ein paar weitere Nebensächlichkeiten fallen Napooh an ihr auf. Auch wenn nichts mit ihm los ist, ihr würde er, in einer besseren Verfassung als der jetzigen, schon gerne den Hof machen. Er ist sich sicher, dass sie zuhause nicht alles von dem bekommt, was ihr zusteht. Ein prächtiger Leckerbissen und knackiger Arsch, wie Rubens sich wohl gedacht hätte, und sie verkümmert in der monotonen Einwegstraße der stabilen Dreiecks-Beziehung. Des Kindes und ihrer eigenen kostspieligen Hobbys und Accessoires wegen. „Ich soll nicht ihr Geliebter sein“ flötet Napooh in der falschen Tonart, um sich zu besänftigen. „ Nicht einmal einen Tropfen Wasser würde sie mir gewähren“, „obwohl der junge Engel noch voll ist von einem Meer, mit welchem sich der Bauch endlich einmal voll schlagen ließe“. Um wieder auf anständige Gedanken zu kommen, überlegt er mit verschlossenen Augen, welchen Denker er als nächstes vor seinen Karren spannen soll. (Schaut in eines der griffbereiten Philosophie-Nachschlagewerke, ihr werdet die entsprechenden Namen dort leicht finden. „Sophies Welt“, oder „die philosophische Hintertreppe“, oder was ihr sonst zum Geburtstag oder Weihnachten für anregende Schinken habt geschenkt bekommen. Von einer interessanten und gebildeten Persönlichkeit aus dem Kreis eurer zahlreichen Bekannten.) Ich mache solange mit der keimfähigen Hippe weiter, die, amusisch wie sie ist, für uns von nur geringer Bedeutung sein kann, und deren Kommen und Gehen weder für Napooh noch für sonst wen eine größere Bedeutung hat. Ihrer eigenen Meinung nach liegt ihre Bedeutung in der Erhaltung der Gattung, und dafür hat sie ausreichend gesorgt. Der kleine Fratz würde in den Armen jeder anderen Amme zwar ebenso ausreichend für seine klägliche Rolle in der Welt von Produktion und Konsum herangezogen werden, trotzdem bezieht sie aus ihm den Sinn und den Zweck ihres Lebens: Die Versorgung der Brut. Dass das Pferd so von hinten aufgesattelt wird, und die folgende Generation sich wieder nur aus der Pflicht zur Erhaltung rechtfertigt, wollt ihr einwerfen? Zu so tragfähigen Zweifeln reicht das kerngesunde Denken der gewöhnlichen Mittelstandsmutter nicht aus. Aus einer Laune heraus gebe ich ihr den Namen Hendrike. Sie kommt ganz gut weg so. Ihr Ehemann und einstige Stecher nannte sie in der goldenen Zeit ihrer juristischen Studienjahre Dike, wegen seiner lateinischen Liebhaberei mit dem älteren Griechisch. (Jetzt, im Niemandsland, nennt er sie Mama. – Immer!) Sie wusste, was sie wollte, damals, und war eine geübte und gute Bläserin. Die auch sonst alles verschlungen hat, was er an klassischer Bildung wie Hagelschauer von sich gab. Damit ist es vorbei. Sie hatte ihr Ziel mit der Hochzeit erreicht, und die Geburt des kleinen Benni vor einem Jahr erstickte den letzten Rest der sexuellen Flamme mit der löschenden Decke ihrer Mutterschaft. Sie, Dike und Christian, haben das Thema mit dem Sex durch. Sie sind trotz ihrer Jugend Veteranen im Kampf der sonst immer stramm&glitschenden Geschlechter. Napooh hat es seit neuestem auch durch, wir brauchen uns hier also nicht länger mit dem höchsten aller Gefühle herumschlagen. Christian hat es noch nicht ganz durch, bloß mit der Mama. Sonst aber ist er zwar mittelmäßig, dafür aber anständig. Er sorgt sich liebevoll um seine Familie, und ist beliebt bei den Kollegen. Er hat keine bestimmte Funktion im medizinischen Lektorat, und arbeitet im mittleren Management. Er braucht dafür wahrlich nicht wie Hannibal die Alpen zu überqueren, wovon er als Kind wegen der Elefanten immer geträumt hatte, und kann sich gut damit abfinden. Die sittlichen Entgleisungen, zu denen er hier und da einmal getrieben wird, sind der Rede nicht wert. Ein paar hundert Euro im Jahr, da bekommt sie nicht mal das Make-up für. Im Normalfall muss in so einem Fall zwar immer eine sittliche Frage gestellt werden, jetzt aber nicht, denn Dike parkt im Moment den metallischen Rahmen, der gut gepolstert ist, gekonnt im rechten Winkel zum Weg. Sie will es sich auf der Bank und neben Napooh bequem zu machen. Sie greift sich aus der Ablage das Fläschchen mit Bio-Milch von Demeter und eine kleine Packung Dinkelkekse. Damit will sie vornübergebeugt ihren eingefahrenen Spross davon abhalten, ihr den Genuss der herbstlichen Sonnenstrahlen durch Quengeln und Nölen zu verderben. Der aber will weder plärren noch essen, sondern ist voll im Bann der komischen Figur, die mit geschlossenen Augen die durchlebten Lippen auf und ab bewegt, ohne dabei Geräusche von sich zu geben. Er, Benni, hat noch nicht viel gesehen von der Welt, und das ist nun doch etwas anderes als die birnenförmigen Hügel von Ma-Ma, das immergleiche und zufriedene Lächeln der zerfahrenen Gesichter über dem Himmel des Bettchens, oder das Prasseln von Keksen und Schlabbern von Fläschchen. Ma-Ma, die vor kurzem noch Dike und Duktus, vor langem Hendrike und ein fröhliches Mädchen war, versucht ihn durch rhetorische Schachzüge der akademischen Meisterklasse zu einem köstlichen Keks zu überreden. Weil er so was noch nie gemacht hat, vorher, in seinem Bettchen, sich dem Essen verweigert: „JA du du du, JA du du du, Ja du du du, JA schau mal, JA da schau mal, du, JA du du du, da ist der kleine Keks, JA die Mama hat den Keks für dich, JA die Mama hat den Keks für dich, JA was hat denn da die Mama für dich, JA was hat denn die Mama da für dich, JA du du du… „ – unersättlich und endlos so weiter. Napooh hat die Augen noch immer geschlossen, und die Faxen gleich dick. Er weiß also nicht, dass er, Benni, in seinem Bettchen so was bisher noch nicht gemacht hat, denkt folglich nicht an die Penelope von James Joyce, sondern dass die quakende Stimme neben ihm nicht mehr alle Tassen im Schrank hat. Er öffnet die Augen, -und staunt. Damit hat er nicht gerechnet. Dass sich die adrette Mittelstandsdame neben ihn gesetzt hat, hält er für mehr als sonderbar. In der Regel legt das bakterienscheue bürgerliche Pack viel wert darauf, auf Abstand und unter sich zu bleiben. Dass kindische Geplärre der rassigen Stute aber mit den klassischen Zügen der feinen Gesellschaft auf einen Nenner zu bringen, dazu wird Napooh wohl länger brauchen, als die paar Minuten Bedenkzeit auf der Parkbank. Er würde ihr eine so normale Stimme wie möglich gönnen, schlecht gebumst wie sie allem Anschein nach ist. Voll und ruhig. Sie hätte sie, die Stimme, die sie nicht hat, mit Anmut und Würde zu tragen verstanden. Dass es mit seinem herbstlichen Wohlfühlprogramm jetzt ein Ende hat, muss ich euch wohl nicht eigens noch anvertrauen. Das Geplapper, das sich selbst nur allzu gern für dumm verkauft, verbreitet in ihm den Zorn und Groll auf die ganze menschliche Gattung, den er gerade erst losgeworden zu sein glaubte. „Der behagliche Pöbel der warmen Stuben“, denkt Napooh, „wird nicht schon dadurch besser, dass er zu Geld und Wohlstand gekommen ist.“ Andererseits aber schämt er sich für seine zweitklassige Woolworth-Kleidung und den Mangel an körperlicher Pflege, den er nur schlecht mit billigem Deodorant zu verbergen sucht. Er will ihr nicht den Tag verderben, knickt den Rücken ein und rückt sich ein Stückchen näher an das Ende der Sitzfläche, neben den gefüllten Abfallbehälter aus Kantenholz. Der fremde Gestank der öffentlichen Restposten soll seinen üblen Eigengeruch überlagern, der so dicht an dicht mit dem gehobenen Mittelstand zu kräftig zur Geltung zu kommen droht. Um nicht zu allem Unheil noch Duftmarken aus den Blüten der Därme blühen zu lassen, kneift er die flachfaltigen Pobacken und den ausgelutschten Muskel der rotzfrechen Froschfut fest zusammen. Das Gesicht starrt emsig und verbissen vor sich hin, die Ellbogen klappern auf den Knien, und die linke und die rechte Hand sind zum Gebet der Verschonung wie hündisch gefaltet: Ekel und Abscheu aus dem Rumpf der fremden Nasen mögen ihm heute einmal erspart bleiben. Napooh will noch kurz die Demütigung der eigenen Deformation über sich ergehen lassen, dabei eine Zigarette rauchen, sie ungelenk am Rahmen des Mülleimers ausdrücken, und dann zügig das Weite suchen. Als hätte er das sowieso vorgehabt, und als wüsste er überhaupt nichts davon, welche Zumutung er für die ungetrübte Harmonie eines Menschen ihrer Dimension zu verantworten hat. Sie, so ist Napoohs Absicht hinter dem ganzen Manöver, kann es sich dann auf der Bank nach Lust und Laune gut gehen lassen, sich den belebenden Duft ihrer zahlreichen Pflegeprodukte um die Nüstern stauben lassen, ihr ein und alles mit allem, was der Drogeriemarkt an Leckereien zu bieten hat, wortreich in seinem Schweigen halten; und braucht sich nicht zu ärgern wegen ihm, mit dem sie gern Mitleid hätte, vor dem sie aber nichts als Ekel empfindet. „Alle“, denkt Napooh, „könnten dann für den Rest des Tages zufrieden sein. An sich habe ich danach meine Ruhe, sie hat die Bank für sich, und zusätzlich noch ihre nützliche Aufgabe zu erledigen, und das Kleinkind hat an sich, für sich und auch sonst genug Grund, (alle Gebote der Familientradition restlos-vollständig) zu essen. Hat es doch die ganze Herrlichkeit des Lebens noch vor sich, die einem jedem aber nach und nach die Kräfte raubt. Auch wenn man im Duft aus Rosenöl von Weleda, weichen Kissen, und der schützenden Liebe einer Mutter gebettet worden ist.“
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- Das was passiert, anders ausgedrückt: was mit Napooh nicht passiert, entspricht nicht den Erwartungen der in brünette Locken gewickelten Mama. Sie wollte sich hier, im anonym gehaltenen Park, endlich wieder einmal von den Blicken eines Mannes, der keines Kindes Vater ist, bewundern und ausziehen lassen. Nachdem sie ihm ihre makellose Haut eine Zeit lang unter die lange Nase gehalten hatte, wollte sie ihm dann in ihre herrlich heile Welt entschlüpfen, in der er nichts verloren hatte. Nicht ohne ihm einen verdorbenen Blick zum Abschied zu schenken, welcher ihm das Wasser im Munde würde zusammen-laufen lassen. Im Hort ihrer zahlreichen Bekannten kann sie sich solche Manöver, die keinem etwas schaden, nicht mehr erlauben. Einer Mutter sind die Reize der Weiblichkeit im Kreise anderer Mütter nicht mehr erlaubt, und sie werden nicht verziehen. Die Männer der Mütter unterdrücken den Blick bereits im Vorfeld der Begehren, wo die Frauen den Hass ihres Neides nur schwer im Zaum halten können. Sie kann nichts dafür, dass die anderen mit der Geburt ihre Figur in den Sand gesetzt haben, und würde gern gelegentlich mal das fantastische Feuerwerk der verruchten Versuchung zügig am Pfahl der Sünde abrennen lassen. Bloß in der Vorstellung versteht sich, ihr Verhalten in dieser Hinsicht war und ist tadellos. Sie will nicht mehr, als die lose Kontur gewisser Gefälligkeiten zu zeichnen, um sie gleich danach mit einem Zwinkern der Augen wieder auszuwischen. Dass sie so schroff und hartnäckig übergangen wird wie hier, ist ihr noch nicht untergekommen. Selbst die glücklichsten Väter können in ihrer Gegenwart nur schwer ihre Blicke wieder auf die eigene Frau und Gemahlin lenken. Den verschrobenen Sonderling mit dem traurigen Blick hat sie weder für einen Spielmacher, noch für einen Torjäger gehalten, was ihr gut ins Konzept gepasst hat. Dass er nicht einmal für einen Abstauber zu gebrauchen war aber, hat ihre Taktik für die visuellen Liebkosung vollständig vereitelt. Dike sitzt fest genug im Sattel ihres Lebens, um angesichts unerheblicher Niederlagen im Kampf um die Anerkennung der Anderen nicht gleich die Zähne zu fletschen. Sie braucht sich nicht ständig zu verteidigen. Ihr Glück und die entsprechenden Güter sind ihr selbstverständlich geworden, und stehen ihr selbstverständlich auch zu. „Er ist ein armer Wicht“, murmelt die Stimme in ihrem sorgenfreien Kopf, „mit dem es das Schicksal nicht gut gemeint hat. Im Prozess der Zivilisation ist er auf halber Strecke stecken geblieben.“ „Ich sollte ihm Kleingeld geben, als eine großzügige Schenkung an die Armen, falls er hungrig ist, aber dann muss ich mich von seinen schmutzigen Händen berühren lassen.“ „Ich lege ihm etwas auf die Bank, bevor ich gehe, vielleicht ist ihm damit geholfen“. Während sie ihren Plan in schöneren Worten fasst, als die unseren, macht sie ein zufriedenes Bäuerchen in die Feinen Glieder ihrer Rechten und ihren fleischfarbenen linken Fuß noch ein wenig länger. Auch sie kann schweigen, wenn es sein muss. Sie spreizt die lackierten Zehen. In milden Farben, wie geschälte Mandelsplitter, üben sie geübt den zarten Reiz aus, der bitterer ist als der Tod. (Napooh kann den gut dosierten Schuss Arsen auf der Pirsch jetzt nicht mehr übersehen. Er versucht sich ein weißes Reh auf die Wiese zu stellen, um sich abzulenken, und reagiert, nach außen hin, noch immer nicht. Schließlich senkt er traurig das Haupt.) Der Fetisch ihrer Füße hat seine Wirkung bisher noch nicht verfehlt, um die Augen der Männer zu bannen, spitzen und schärfen. Die Perlen ihrer Erotik will sie nicht nutzlos vor die Säue werfen, trotzdem spielt sie lose mit ihren Zehen weiter, an denen sie früher immer, um in Stimmung zu kommen, die Männer länger hat lutschen lassen, ohne den unmöglichen Fremden weiter zu beachten. Aus dem Kinderwagen ist kein Mucks mehr zu hören, obwohl und weil der junge Adler als einziger die Wirbel in der dünnen Luft des Unterbewussten klar und eindeutig wahrnimmt. Da er über keine Sprache verfügt, kann er nichts zur Klärung des Geschehens beitragen, welches er lautlos verwundert. Dike kann noch nicht wissen, dass aus ihrem Spross einmal ein international renommierter Psychologe werden wird, der die heruntergewirtschaftete Wissenschaft vom Menschen in ihrem Ansehen wieder heben wird. Sie schenkt ihm von daher im Moment keinen Teil ihrer Beachtung, und schaut sich weiter selber zu. In Gedanken wie ein Kind beim Murmelspiel, mit Lolly im Mund. Ob aber eine Verbindung zwischen dem Gebrodel der Impulse im Park und der akademischen Laufbahn mit Ehren bei Bennie besteht? Die Antwort auf diese Frage würde ein ganz neues Licht über dem begrenzten Horizont der Talsohlen und Abgründe aufgehen lassen, die wir den Menschen nennen.
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- Napooh steht auf, und geht über die lose Aussicht der Wiese hinweg: „Es gibt keinen Weg, dich und deine Mutter zu retten“, wispert er als einen letzten Hauch in den vergeblichen Wind, „auch wenn du mich liebst.“
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