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- <title> Anwalt </title>
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- <!-- author: MT, written 2008-->
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- <h1> Der Anwalt </h1>
- <h2>Eins </h2>
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- Gewissenhaft lässt Ernst die Klinke der Badezimmertür los, nachdem er die Tür mit ruhiger Hand wieder in den Rahmen gedrückt hat. Die feuchte Luft vom Duschen soll und braucht sich schließlich nicht im ganzen Haus verteilen (Das Fenster wird seine Frau später auf Kipp stellen, nachdem sie sich eingeseift und kurz abgebraust hat: Im dichten Nebel seiner Düfte aus nächtlichem Schweiß und markantem Aftershave, beides herb und männlich. Sie hat sich längst daran gewöhnt, und die Einsparung an Heizkosten ist, über das Jahr gerechnet, tatsächlich enorm). Zufrieden betrachtet Ernst die restlos geschlossene Tür für einen Augenblick, fasst erneut an die Klinke, und zieht die Tür nochmals gegen seinen fülligen Körper. Seine Lebenskräfte sind noch längst nicht erschöpft, stolz erhebt sich der massige Oberkörper über die durch seinen eisernen Willen gebeugte Erde.
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- Der feiste Leib ragt unbeugsam über der felsigen Taille, wie früher über der festen Schreibtischplatte im Büro seiner Kanzlei. Die beiden Hände wütend darauf gestützt, um der bestürzten Sekretärin die Milde seines Verhaltens, im Vergleich mit seinen immensen Möglichkeiten, auch sinnlich greifbar vor die Augen zuhalten. Auch sie war ihm in erster Linie ein blanker Spiegel seiner Größe, so wie seine Frau es für ihn daheim zu sein hatte. Nicht selten nutzte er die Gelegenheit, ihre Fehler und Ausrutscher beim Tippen nicht weiter zu ahnden, als es in solchen Fällen nun einmal nötig ist Als ein Zeichen der gerechten Rangordnung musste sie bloß die berechtigten Standpauken über sich ergehen lassen, ohne weitere Folgen für sich und ihre materielle Sicherheit fürchten zu müssen. Ihr Hintern hatte seinen Händen schließlich beiläufig für einen freundschaftlichen Klaps zu Diensten zu sein, und die Angelegenheit war damit für ihn beigelegt und beendet. <br/>
- Er schindet auch heute noch gerne Eindruck: als ein Mann aus vollem Fleisch und Blut, im Frieden mit seiner gesegneten Gesundheit und großen Appetit, und mit breitbeinigen Lachen im geselligen Kreis der gleichgestellten Kollegen. „Streng und hart, aber gerecht.“ Die juristische Arbeit fehlte ihm kaum, seit er sich aus dem Berufsleben zurückgezogen hatte, vor ein paar Jahren. Die Neckereien mit den strammen Schreibkräften dagegen können weder durch seine sporadischen Besuche in einem besseren Bordell noch durch die Frau, die ihm zu Willen ist und ihm gehört, voll ausgeglichen werden. Seine Lebensfreude hat unter dem Verlust der greifbaren weiblichen Angestellten dennoch nicht wirklich gelitten. Unbetrübt davon betrachtet er sein berufliches Lebenswerk und den ansehnlichen Wohlstand, den er sich erwirtschaftet hat. Er schaltet und waltet jetzt über sein Heim mit derselben herrlichen Willkür, wie ehemals über seine Kanzlei. Am Nachmittag tauscht er sich im Club mit den Männern gleichen Ranges aus: über alte Fälle, aktuelle juristische Fachprobleme und die Aktienkurse im Allgemeinen. Ein Mann in seinen besten Jahren. Er genießt er das Leben in den vollen Zügen einer abendlichen Zigarre.
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- Gekonnt nimmt er die Hürde der Flurtreppen, schreitet ins Erdgeschoss herunter, ohne Hast aber zielstrebig, bleibt vor der doppelt verschlossenen Haustüre kurz stehen, öffnet den Briefkasten, nimmt die Frankfurter Allgemeine mit der linken Hand heraus und klemmt sie sich unter den rechten Arm, greift behutsam mit der Linken nach den zwei Briefen, die auf dem Boden des verchromten Behälters liegen, klappt den Deckel wieder zu, nimmt dann auch die Allgemeine in die linke Hand, und geht gemächlich in die ausgedehnte Wohnküche.
- Ordentlich gefaltet platziert er zunächst die Tageszeitung am abgelegenen Fußende des Tisches. Im neunzig Grad Winkel zu seinem Platz, um bei seinem Frühstück nicht versehentlich von den Schlagzeilen abgelenkt zu werden. Ohne den beiden Briefen Beachtung zu schenken, lagert er sie in einem gebogenen Halter ohne Verzierung, um sie nach der Lektüre der tagespolitischen Kommentare, der außenpolitischen Entwicklungen und einem flüchtigen Blick über das Feuilleton in die entsprechenden Ordner zu sortieren.
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- Bevor er den Kaffe kocht, deckt er mit der folgenden und aufwendigen Prozedur den Tisch für zwei Personen: <br/>
- Er nimmt zwei Frühstücksteller aus dem modernen Küchenschrank, stellt den ersten auf den Platz seiner Frau und dann den zweiten auf seinen eigenen Platz. Die Unterteller werden von ihm in der gleichen Reihenfolge schräg rechts über der Mitte der Teller abgestellt, und nachdem die Kaffeetassen mit dem Henkel nach rechts auf den Untersetzern postiert sind, gibt er der der Schranktür einen leichten Schubs, so dass sie unmerklich, mit einem sachten Flüstern in die leisen Scharniere aus Edelmetall gleiten kann. Er öffnet betont lässig die brave Schublade mit dem Besteck, greift sich schamlos zwei Teelöffel, und legt sie jeweils schräg unter die geschwungenen Henkel der beiden verzierten Tassen. Zum Abschluss wird von ihm auch ein Brotschmiermesser neben dem Teller zurechtgerückt. Zuerst an der offenen Stelle, die seine Frau später besetzen wird, um an seinem Platz den Tisch dann formvollendet zu Ende zu decken. Zufrieden streicht er sich mit Daumen und Zeigefinger kurz über die Nase, wirft versunken einen flüchtigen Blick über sein dekoratives Werk, und dreht sich in einem energischen Schwung dann davon ab, um sich davon lösen zu können. <br/>
- Er öffnet nach zwei festen Schritten den Kühlschrank ohne zu Zögern, greift sofort und zügig nach der streichzarten Butter im mittleren Fach, stellt sie auf die freie Arbeitsplatte neben den Kühlschrank, nimmt dann eilig die feiste Käseplatte mit Petersilie und geviertelten Tomaten in seine frischen Hände, trennt sich auch davon, und stellt die kleine weiße Porzellanschale mit Wildbeermarmelade akkurat neben Butter und Käse. Nachdem er die Kühlschranktür wieder geschlossen hat, gewinnen seine souveränen Handgriffe wieder ihre aufgelegte Gelassenheit und zufriedene Ruhe zurück. Fröhlich hebt er den gläserne Deckel von der Butterdose, schiebt ihn bis an das Ende der Arbeitslatte, gegen die Kacheln der Wand, und bringt die glänzende Butter zum Frühstückstisch. Auf dem Rückweg wirft er einen beruhigenden Kontrollblick auf die geschlossene Kühlschranktüre, setzt vorsichtig die zerbrechliche Haube der Käseplatte ab, bekommt von dem strengen Duft schon erste Lust auf einen morgendlichen Happen, bevor er sich am Tisch wieder davon trennen kann, eilt dann zu der klebrigen Marmelade, die er mit Deckel und Löffel als das Tüpfelchen auf dem I erst am Frühstückstisch öffnet. Mit den Fingern macht er sich freudig daran zu schaffen, als ein flüchtiges Vergnügen.
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- Jetzt, da der Tisch gedeckt ist, kann er den Kaffe zubereiten. In ein paar gewandten Handriffen bringt er die Maschine von Krupps zum laufen. Geräuschvoll strömt das gebrühte Wasser durch den beigen Milettafilter mit frischfarbigem Sud. Ernst nimmt zwei Scheiben Toastbrot aus dem Brotkasten, lässt sie im Toaster verschwinden und schiebt den Hebel mit seinem Daumen zärtlich nach unten. Während die beiden Scheiben leicht geröstet werden, stemmt er die Arme in die Hüften und schaut verträumt den Tropfen zu, die vom Filter unablässig in die gläserne Kanne laufen. (Noch bevor er sich das erste Bot einverleibt haben würde, wird die Kanne bis oben hin gefüllt sein. So wie jeden Morgen. Er wird dann, bevor er die zweite Scheibe Toast mit Butter und Marmelade bestreicht, den Kaffe in die silberfarbene Thermoskanne füllen, diese in der Mitte des Tisches abstellen, sich setzen und dann selbst einschenken: „süß und blond, das wird mir schmecken “, so sein geflügeltes Wort in Bezug auf den morgendlichen Kaffe.)
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- Das Wasser läuft ihm freudig im Mund zusammen, als er es sich nach dem gleich bleibenden Ritual morgendlicher Monotonie auf dem Stuhl bequem macht, um sich leiblich ergiebig und ausreichend für die Schlacht des Tages zu stärken. Nach einer kleinen Verschnaufpause, die er sich aus Gründen des guten Benehmens angeeignet hat, bestreicht er das erste Brot mit der goldgelben Butter und dem kandierten Gel. Mit dem Daumen reinigt er das beschmierte Schneideblatt, leckt den Daumen langsam und ausgiebig dankbar sauber, um die Vorfreude noch ein wenig zu genießen, legt das Messer dann aus der Hand, greift mit gespreizten kleinen Finger endlich nach dem köstlichen Leckerbissen, und löst sich vorab von dem leichten Druck seiner Bedürfnisse, indem er wohlig seufzt.
- Den Kaffe lässt er abkühlen, während er das zweite Toast verspeist, nimmt dann einen kleinen Schluck davon, steht auf, geht zur Anrichte, wartet geduldig darauf, dass der Toaster die beiden Scheiben wieder frei gibt, setzt sich an den Tisch, greift sich eine Scheibe Emmentaler-Käse, rollt sie sorgfältig zusammen, steckt sie sich im Ganzen, aber ohne sichtbare Gier sicher in den Mund, spült den Geschmack mit etwas Kaffe herunter, und isst die beiden nachfolgenden Scheiben Brot ebenfalls mit Marmelade. Einen kräftigen Schluck Kaffe trinkt er jeweils, nachdem er ein ganzes Brot restlos gegessen hat, seine Finger reinigt er dagegen, sobald er sich mit einem rötlichen Spritzer versehentlich bekleckert hat. Abschließend steckt er sich erneut eine Scheibe Käse in den Mund, bringt dann die Frühstücksutensilien in umgekehrter Reihenfolge von vorhin wieder zur Küchenzeile, verstaut sie wie gehabt im Kühlschrank, und setzt sich beglückt an den halb gedeckten Tisch. Er schenkt sich mit sichtlichem Behagen dann die zweite Tasse Kaffe ein, lässt das Frühstück sacken, trinkt einen Schluck, und schaut ohne Interesse aus dem Fenster. Er trinkt hin und wieder einen Schluck, bis zum letzten. Dann setzt er die Tasse nicht mehr ab, sondern trägt sie sofort zur Spülmaschine. <br>
- Nachdem er die Sachen einsortiert hat, setzt er sich wieder an den Tisch, um einen kurzen Blick auf die Absender der Briefe zu werfen, bevor er sich mit der Zeitung in sein Arbeitszimmer zurückziehen zu gedenkt. <br/>
- Ein Brief ist von der Bank, vermutlich ein persönlich adressiertes Rundschreiben oder eine Einladung zu einem Vortrag im Foyer. Er legt den Brief zurück in den Halter. Der zweite Brief ist von seinem jüngeren Bruder. Ernst nimmt sich vor, den Brief seines Bruders zu öffnen, bevor er die Tageszeitung lesen wird, da weder ein Feiertag noch ein anstehender Geburtstag der Grund für das private Schreiben sein kann. Um sich nach dem Wohlbefinden zu erkundigen, rufen er und sein Bruder sich unregelmäßig gegenseitig an. Auch Einladungen und Verabredungen werden gewohnheitsmäßig telefonisch ausgesprochen. Der Schriftverkehr zwischen ihnen beschränkt sich auf Geburts- und Feiertage, reicht dabei über eine formlose Karte aber nie hinaus. Der Brief muss somit einen außergewöhnlichen Grund haben, den Ernst gerne erfahren möchte, bevor er sich wieder seinem Alltagsgeschäft zuwenden wird.
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- <h2> Zwei </h2>
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- Während Ernst den Brieföffner mit Bedacht zurück in das lederne Etui schiebt, öffnet sich zaghaft die Tür der Küche. <br/> <br/>
- Um einem Streit aus dem Weg zu gehen, zieht seine Frau gehorsam und ohne einen verbliebenen Rest von Trotz die Türe sofort und lautlos wieder hinter sich zu. Sie hat sich seit langem angewöhnt, die Türen ebenso leise und geflissentlich zu schließen wie ihr Mann. Auch sonst hat sie sich seinen Wünschen in Bezug auf die häusliche Ordnung unterworfen. Es fehlt ihr bei der Verrichtung der vielen kleinen Pflichtgebote aber die Würde und erhabene Sorgfalt, womit Ernst auch den alltäglichen Handlungen mühelos eine festliche Weihe und nahezu erhabene Stimmung verleiht. <br/>
- Im Verlauf der ersten Jahre ihrer Ehe hat sie sich nur quälend seinem geschlossenen System aus Willkür und unnachgiebiger Strenge fügen können. Manch verbalen Ausbruch und ungerechten Anfall hat sie in den Lehrjahren der Zweisamkeit über sich ergehen lassen müssen, bis ihr die vielen starrsinnigen Vorschriften in scheinbar nebensächlichen Fragen langsam und somit nachhaltig in lebendiges Fleisch und Blut übergegangen sind. Sie hat sich an seine mächtigen Ansprüche nach und nach angeschmiegt, und sich zu guter Letzt daran erwärmen können. Trotz der ersten und enormen Schwierigkeiten waren Ermahnungen durch den Herrn des Hauses jetzt nur noch selten nötig, um sie auf dem schmalen Pfad aus beschränkender Sparsamkeit und gewissenhafter Pflichterfüllung, beides unter dem Joch seiner engstirnigen Grundstimmung, zu leiten. <br/>
- Selbst nachdem er vor wenigen Jahren die Kanzlei nur dem Namen nach noch führte, kam es zu keinen schwerwiegenden Konflikten, da sie seinem Bild einer guten Ehefrau seit langem vollkommen und fehlerfrei entspricht. Er hat sich in ihr längst einen verlängerten Schatten seiner selbst und seiner Vorstellungen geschaffen. Beharrlich, und nicht ohne die Mühsal einer harten und langatmigen Zucht, hat er mit Erfolg an seinem ehernen Leitsatz immer steif festgehalten: Keine Nachlässigkeiten in den Nebensächlichkeiten. Einzig in der Wahl ihrer Kleidung steht er ihr, von öffentlichen Anlässen einmal abgesehen, eine gewisse Selbstständigkeit zu. In dieser Frage ist sie, seiner Meinung nach, ausreichend stylsicher, um unabhängig und eigenständig ihre Entscheidungen treffen zu können. – und somit auch zu dürfen. <br/>
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- Der halbdurchsichtige Slipdress fließt in leichten Wogen um ihren schmalen Körper, der ein wenig zu mager ist, um die Phantasie durch pralle Nacktheit anregen zu können. Auf Anweisung des Familienoberhauptes hin gibt sie ihr Bestes, um für seine Bedürfnisse ausreichend „appetitlich“ zu bleiben. Drei mal wöchentlich besucht sie ein Fitnesstudio mit Sauna und Solarium, geht regelmäßig im öffentlichen Freikörperbad Schwimmen, und hält an einer fundierten Trennkost-Diät mit eisernem Willen dauerhaft fest. Ernst ist mit dem Ergebnis zufrieden, sie gibt für ihr Alter noch einiges her, und er braucht sich mit ihr in Gesellschaft nicht zu schämen. <br/>
- Erst als er den Klang der Absätze auf sich zukommen hört, legt er den Brief aus der Hand und dreht den Kopf zur Seite, damit sie ihn wie üblich auf die Wange küssen kann. „Guten Morgen, mein Schatz“ murmelt sie mechanisch und ohne Spuren von Zärtlichkeit an seinem Ohr, führt die spitze Geste mit dem Kussmund nur unbestimmt in den Nebel aus anspruchsvollem Aftershave aus, um mit der Begrüßung schnell fertig zu werden. Sie sieht seitlich, im letzten Winkel der Blicke, den Briefumschlag auf der Tischplatte liegen, während mit schneller Hand ein Hieb auf ihrer Pobacke angebracht wird, und sich das schlagende Geräusch mit dem „Guten Morgen“ eines ganzen Mannes munter verbindet. Sie dreht sich nach der Zeremonie ab, ohne den Mund zu verziehen, nachdem sie im Vorbeigehen die gefüllte Kaffeetasse in ihre nervöse Hand genommen hat. Ihre schmalen Hüften schaukeln gekonnt und gewohnt kokett in Richtung Kühlschrank. Während sie den Kühlschrank öffnet, fragt sie betont unbeteiligt: „Von wem ist denn der Brief?“, ohne wirklich mit einer Antwort zu rechnen. Während er die Antwort kunstvoll verzögert, um sie schließlich ganz zu verweigern, greift sie die Cognacflasche aus dem Getränkefach. Der goldfarbene Verschluss lässt sich mühelos abschrauben, und sie gibt sofort einen Schuss davon in den lauwarmen Kaffee. Mit dem Teelöffel rührt sie achtlos den Cognac unter. Gerade will sie fragen, worum es in dem Brief denn gehen könne, wieder ohne eine Antwort zu erwarten, da ahnt sie ein Geräusch, fast lautlos: Die Stuhlbeine quietschen bloß verschwiegen auf dem sanften Parket. Sie hält ungläubig den Atem an, und hört dann tatsächlich seine dringenden Schritte auf sich zufallen. Sie nimmt einen raschen Schluck, stellt die Tasse ab, schiebt sie dann von sich weg, legt bereitwillig ihre beiden Hände auf der Arbeitsplatte ab.
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- <h2>Drittens</h2>
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- Ernst schaut seiner Frau hinterher, die in natürlicher Eleganz ihrer Neigung nachgeht, morgens einen beruhigenden Tropfen zu sich zu nehmen. Ihre graziösen Bewegungen lassen ihn stets an Empfänge, mit Sekt und Kaviar am Buffet, und feierlich schwarzer Abendgarderobe denken. Sie gestattet sich keine Nachlässigkeiten in der Körperhaltung, auch nicht an einem verkaterten Morgen. Da der private Brief seine morgendliche Zeitungsroutine ohnehin durcheinander gebracht hat, will er sich wenigstens das bisschen Zeit für ein weiteres Stelldichein mit seiner Gattin gönnen, bevor er die schlechten Nachrichten nachlesen wird. In der vergangenen Nacht hat er wuchtig den Beweis seiner Männlichkeit an ihrem erklecklichen Genital vollbracht, jetzt will er seine üppige Potenz an die Grenze der Glaubwürdigkeit und in den Anus führen. Einmal unter sexuellen Strom gesetzt, kann er sich durch einen einzigen Erguss nie restlos entladen. Seine Frau ist das nicht neu. Früher hat sie versucht, gegen die nachfolgenden Begattungen Protest einzulegen, sich auch über seine uferlose Begierde oftmals gewundert, sich darin aber zunehmend eingefunden, und zu guter letzt, einmal an die sichtbare Helle seiner Tage gewöhnt, auch ein ergiebiges Vergnügen daran gefunden. Gewöhnlich gilt die Nacht dem geschlechtlichen Verkehr, am kommenden Tage gilt sein Interesse dann immer dem Afterkult, gelegentlich auch anderen Extravaganzen. Von daher ziehen sich ihre ungeschonten Gedärme in Vorsicht zusammen, als Ernst den Küchenstuhl zurückschiebt, um sich zu erheben. Mit gezielten Schritten geht er, ohne zu Zaudern, direkt auf das Objekt seiner fleischlichen Begierde hin zu. Einmal erworben ist sie sein angestammter Besitz. Es ist also weder nötig, seine Frau vor dem Übergriff eigens zu stimulieren, noch benötigt er ihr Einverständnis für die eheliche Pflicht, und doch hält er hinter ihr kurz inne, greift ihr mit beiden Armen um die Hüften und umarmt kurz ihren Bauch, schiebt seinen Kopf über ihre Schulter, wobei er seinen schlechten Atem, wie faulendes Fleisch, in ihr Gesicht schnaubt, und beißt ihr kurz in ein Ohrläppchen. Wie die angeborene Reaktion auf einen schematischen Reiz streckt sie ihr Gesäß flach gegen seine unruhige Hüfte, und trifft dort auf das Pochen des warmweichen und wartenden Pimmel. Die gewaltigen Ausmaße seines Geschlechtsteiles bilden neben der strammen Standhaftigkeit und verlässlichen Ausdauer den ganzen Stolz seiner Leiblichkeit. Anerkennung, Ehrfurcht und Erschrecken, sind ihm gewiss, wem immer er sich das erste Mal mit der Gewalt der ganzen Größe zeigt. Er braucht den Vergleich nicht zu scheuen, und kann über die Frage der Wichtigkeit von Größe und Umfang leicht lachen. Ohne Reste von Zweifel trägt er einen großen Stab zwischen den Beinen, der zum herrschen berechtigt. Allzeit bereit, sich die Welt zu unterwerfen und den Beweis seiner überlegenen Natur zu erbringen.
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- Er tritt einen Schritt zurück, streift ihr den leichten Stoff über die Hüften, und greift mit der Rechten zwischen ihre Beine, um sie ein wenig zu spreizen. Dann hält er sich kurz die Finger unter die Nase, um sich an den vereinigten Düften der nächtlichen Niederkunft zu bereichern. Er steckt die Finger in den Mund und befeuchtet mit dem Speichel seine dunkelviolette Eichel. Sein Glied zuckt nervös unter der Berührung. Bevor er zur Tat der Sünde schreitet, betrachtet er selbstgefällig das pralle Leben seiner Lenden, seine straff=vollen Hoden in der zufriedenen Hand. Voll mit Lob und Anerkennung, Er: „Alle Achtung“. Mit der Linken reißt er ruppig eine Pobacke zur Seite, bahnt sich seinen Weg ins Unwegsame, dirigiert mit der Rechten das klamme Tropfen der Eichel eilig in den Krater der Kimme. Er drückt und presst gegen die verschlossene Schwarte, ohne sie sofort durchdringen zu können. Ungeduldig zerrt er auch an der anderen Backe, reißt damit die Spalte auch ein wenig auf, und verleiht seinem Ärger angemessenen Ausdruck: „Komm schon, du Luder“. Seine Frau will es ihm, wie immer, recht machen, um ihn nicht wütend zu machen, und stützt sich gehorsam gegen die Küchenwand. Mit dem schweren Druck des ganzen Beckens presst er sein Heiligtum wieder gegen die winzige Öffnung, rutscht mit der Eichel zwar leicht ab, sticht im dritten Anlauf dann aber den Penis ohne nennenswerten Widerstand in ihr Inneres. Obwohl ihr Muskel im Laufe der Ehe oft genug gedehnt worden ist, er darunter sein zierliches Aussehen verloren hat und dem Betrachter wie ausgelutscht entgegenblickt, schmerzt sie die brennende Penetration ohne Gleitmittel. Die Tränen treten ihr trotzig in die Augen. Sie erstickt dennoch den Schmerzschrei und bleibt aus Erfahrung stumm, um ihn damit nicht frühzeitig anzuheizen und in volle Fahrt zu bringen. Die harte Sternfahrt, die er dadurch sofort in Gang setzen könnte, würde ihre momentanen Kapazitäten überschreiten. Ernst verharrt einen stielenden Augenblick schwülstig über seinem Glied, das mit der gewaltigen Eichel in der Arschmöse steckt, und genießt den mühsamen errungenen Sieg. Er zieht den steifen Schwanz ein Stückchen rückwärts, ohne ihn dabei aus dem After rutschen zu lassen, um ihn dann mit einem anlaufenden Mehr an Wucht vorwärts schrauben zu können. In wenigen und kräftigen Stößen hat er seinen prächtigen Stempel vollständig in ihrem Darm hinterlassen. Seine Frau krampft unter dem brennenden Schmerz im Hintern ihre Hände zusammen, lässt sich davon abgesehen aber nichts anmerken. Als der lockende Kelch beginnt, unter dem steten Fluss von Schleim zu erweichen, legt sie vorsichtig und langsam ihre beiden Handflächen auf der Platte ab. Sie lodert erregt auf, als Ernst, nachdem er seinen Steifen für einen Augenblick bis zum Anschlag hat stecken lassen, diesen routiniert in sie reinfickt. Nach wenigen Minuten liegt der Muskel offen wie eine überreife Frucht: Ernst zieht den Schwanz restlos raus, ohne Sorge beim Reinschieben an der Pforte stecken bleiben zu können. Mehr als das rektale Saugen und Schaben und ein leichtes Ächzen lässt die Frau nicht von sich hören, obwohl sie durch die anale Massage schon anständig aufgegeilt worden ist. Ernst will seine geschlechtliche Macht auch hörbar machen, und schlägt ihr mit der flachen Hand kräftig auf den Hintern. Als hätte der heilige Geist ein Fenster für sie aufgerissen, schreit sie wie erlöst auf, und löst sich davon in heftigem Stöhnen. Gereizt beschleunigt Ernst seine Bewegung und haut ihr nach jeweils einigen Stößen ohne zu Zögern wieder auf den blanken Arsch. Sie schreit jetzt laut und lang anhaltend unter den knackenden Stößen und Schlägen auf. Unter einem zärtlichen Seufzen verabschiedet sie dabei einen freigelegten Wind. Ernst betrachtet gerade selbstverliebt den fetten, mit Schmiere und Schleim überzogen, Köder: „Stramm strahlt und leuchtet er wie ein ferner Stern“ (Und dann: „?.!“). Schlagartig bricht Ernst den harten Ritt ab, Ein schokoladiger Köttel sudelt sich an seinem Glanzstück. Ungeheuerlich. „Du Miststück“, beschimpft er das durchtriebene Luder (= Als hätte sie den Teufel im Leib, das heilige Stück mit böser Absicht besudelt, und er sie auf frischer Tat ertappt). „Analgeiles Miststück. -Du. Dir wird ich helfen“. Er zieht ihr grob den leichten Fetzen Stoff über den Kopf, und wischt sich damit unwirsch den harten Klumpen Kot weg. Ohne Verzug will er sich daran machen, das blasphemische Vergehen zu ahnden. Er tritt zur Seite und rückt sie zurecht, damit sie die verdienten Prügel durch seine Hand beziehen kann. Den Impuls, aus dem Schlafzimmer im ersten Stock das nötige Accessoire zu holen, stößt er eilig aus seinem Bewusstsein, um sofort zur Tat schreiten zu können. Ohne den genauen Grund zu kennen, weiß seine Frau, was jetzt auf sie zukommt. Die körperliche Züchtigung gehört zum festen Repertoire ihrer geschlechtlichen Vereinigung, was ihr nicht wenig Blessuren und blaue Flecken verursacht hat. Er holt weit aus, und schlägt kalt, gleichgültig und gut überlegt, aber mit ganzer Wucht abwechselnd auf die beiden bebenden Pobacken. Wie ein Schmied, der auf den Amboss mit der ernsten Mine konzentrierter Arbeit einschlägt, zählt er halblaut mit, um ein vollendetes Meisterwerk zu Stande zu bringen. Seine Frau heult unter Schmerzen und gesteigerter Empfindung gellend auf, ihre Augen blicken irre vor Erregung gegen das Muster der Arbeitsplatte: ins Unendliche, ihr Körper windet sich in einer seltsamen Strömung aus Angst und Ungeduld, während ihr Kopf fasst leblos zwischen den Schultern baumelt. Die letzte Hürde der Lust kann von ihr nur durch den Einsatz harter Hände genommen werden, und schon lockert im Steiß der Keil der Verklemmung. Lange wird sie sich nicht mehr zurückhalten können. Nach zwölf Schlägen pausiert Ernst, pustet in seine Handinnenfläche, und lockert dann seinen Arm, indem er ihn lose ausschüttelt. Mit der Linken reibt er sich den leibhaftigen Prengel. Er schwillt davon an, als wolle er bersten. Die Gedanken gleiten dabei, trotz der äußerlichen Kühle, ins wahnwitzige ab: („Ich bin das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit, ich bin das Reich…“). Er spuckt sich in die Hände, fängt einen unklaren Satz an, in dem bloß die Worte „ausgelutscht“, „verschlissen“ und „nicht mehr zu gebrauchen“ zu verstehen sind, und beginnt noch einmal zu zählen. Seiner Frau sacken zweimal die Knie weg, geistesgegenwärtig kann er sie auf der Arbeitsplatte halten, und sein Werk zu Ende bringen. Er beendet die Bestrafung, schüttelt wieder seinen Arm aus, streicht ihr die Strähnen aus dem Gesicht, und bringt sich wieder in Stellung. Sie hat gesündigt und ist gerichtet worden, jetzt will er gütig vergeben. „Ihr auch etwas Schönes gönnen.“ Wie einen schweren Bolzen treibt er sein Glanzstück zurück in den gefährlichen Tümpel. Er fickt das fruchtige Mark sofort ungestüm, fällt ein mit dichten Angriffen, um es ihr jetzt möglichst bald zu machen. Sie weiß, dass er von ihr jetzt einen schnellen Orgasmus erwartet. Um ihn zufrieden zu stellen, wichst sie mit drei Fingern über Schamlippen und Kitzler. Die Kraft der Stöße nimmt zu, so dass ihre Fersen ein gutes Stück vom Boden abheben. Das vertrackte Zusammenspiel von vaginaler Stimulation, analer Penetration und den Folgen der Schläge scheint ihr die Sinne zu rauben. Sie schlägt blindlings mit der Rechten auf die Arbeitsplatte und schleudert ihren Kopf vor und zurück. Hart an der Grenze der sexuellen Entladung verliert sie die Kontrolle über die Blasenfunktion. Mit jedem Stoss ergießt sich ein stockender Schauer der dunkelbraunen Flüssigkeit über den Boden. Ernst greift ihre Schultern, und schüttelt sie im Rhythmus seiner rektalen Hiebe, so dass sie den angestauten Druck in einem wilden Zucken jählings von sich stoßen kann. Sie fiept und winselt unter dem Kitzel der Nerven. Kurz darauf schießt Ernst mit tiefen Atemzügen den warmen Sud seines Samen tief in ihr Gewebe, ohne dabei den gleichmäßigen Takt seiner Bewegung aufzugeben. Noch während er abgeht, umarmt er ihre Taille und legt seinen Kopf über ihre Schulter.<br/>
- Er verharrt in dieser Lage, bis sein erschlaffendes Glied von selber aus der Ummantelung flutscht. Er dreht seine Frau zu sich um, und schaut ihr unverwandt in das erschöpfte Antlitz, um das Ergebnis seiner Bemühungen abschätzen zu können. Vom vollen Erfolg überzeugt, will er den gebührenden Dank für seine Gaben eintreiben und sagt: „All das habe ich dir beigebracht.“ („Ich habe dich erschaffen“) Seine Frau nickt zwar bestätigend den Kopf, schweigt aber. Mit scharfem Ton fordert er sie auf: „Sag es“. Damit die Stille nicht zu einer seltsamen Stimmung anschwillt wiederholt er sich sofort streng. Bescheiden senkt sie den Blick, und gesteht ihm in leisen Worten ein, dass sie dieses Geschenk nicht verdient habe. Er streicht väterlicher über die Wange, fasst ihr unter das fein gegliederte Kinn, und hebt ihren Blick wieder an. Er genießt für einen Augenblick den majestätischen Ausdruck seiner vollendeten Geste. Sanft legt er ihr die gepflegten Hände dann auf die Schultern, und drückt sie entschieden in die Hocke. Sie strauchelt, und muss sich mit ihren Händen an seinen Lenden abstützen, um nicht zu stolpern. Geistesgegenwärtig gibt ihr der geübte Gentleman den nötigen Halt, indem er sie mit seinem festen Griff an den Schultern stützt. Sie blickt geborgen zu ihm auf, lässt sich fürsorglich über ihr getöntes Haar streichen, sieht, wie sich seine Augen schließen, und reinigt mit ihrem Mund sein schlaffes Glied von den Spuren. Sie nimmt das ganze Geschlecht in den Mund, und zieht mit schwachem Saugen daran. Sie führt das weiche Stück Fleisch mit der geöffneten Hand erneut zu ihrem Mund, und wiederholt den Vorgang. Schon strahlt er wieder in vornehmen Glanz. Trotzdem setzt sie ihre Bewegung, mehr als einen Ritus der Läuterung ohne praktischen Nutzen, fort. Als sie bemerkt, dass er wieder schwillt, blickt sie abermals zu Ernst auf, um seine Wünsche zu erforschen. Er zieht seinen Schwanz zurück, und sagt in abschätzigen Ton: „Einmal muss genug sein, mein Schatz. Wie gierig du bist“. Er dreht ihr den Rücken zu, um nicht auf dumme Gedanken zu kommen, und lässt sich ihr zuliebe noch die Kimme lecken. Mit Bewunderung guckt er sich währenddessen sein halbsteifes Glied an. Um die Sache zu einem Ende zu bringen, sagt er mit Herablassung: „dass Alles einmal ein Ende haben muss, und einmal am Tag genug des Guten sei“. Er lässt seine Frau auf dem Boden hocken, geht zum Waschbecken, wäscht sich energisch die Hände, und reibt mit den feuchten Händen mehrfach über den Penis. Dann trocknet er sich mit dem Geschirrtuch ab. Während er es zwischen ihre Füße fallen lässt, bittet er sie höflich: „Würdest Du das bitte wegmachen“. Er schließt in gemessener Ruhe vor ihr den Morgenmantel, indem er sorgfältig den Gürtel verknotet, streicht sich die Haare glatt, und setzt sich wieder an den Frühstückstisch. Seine Frau wischt zügig den Boden sauber, streicht sich dabei mehrfach eine Strähne aus dem Gesicht, und steht unsicher auf. Sie verlässt die Küche, um die beschmutzten Wäschestücke nackt in den Waschkeller zu bringen. Erst dann wird sie sich selbst im Badezimmer mit einem frischen Waschlappen notdürftig reinigen.
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- <h2>Viertens</h2>
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- Die Ehefrau vom Ernst erreicht das Badezimmer. Mit weichen Knien lässt sie sich umgehend auf den weiß lackierten Hocker fallen. Das feuchte Badelacken wirft sie nicht eigens über die Heizung, oder auf den Boden. Im Ganzkörperspiegel betrachtet sie erschöpft und geistesabwesend ihr Geschlecht. Das pechschwarz gefärbte Vlies glänzt in dem triefenden Nass der Körpersäfte. Wie eine wohlschmeckende Auster, die durch ihren Anblick der Kundschaft Appetit auf mehr machen wird. Der Kontrast zwischen dem blankem (=kahl) Umland, das unschuldig und nackt an die Jugend erinnert, und dem buschig geformten Hügel kommt dadurch stärker als gewohnt zur Geltung. Das Scheidensekret und der getrocknete Harn, die sichtbaren Reste der Umarmung, sickern, während sie die Verlockung ihrer Scham bewundert, in klebrigen Perlen auf das gebrauchte Handtuch unter ihr. Sie öffnet jetzt, da sie sich an ihrem Anblick satt gesehen hat, die Beine und schiebt das Becken vor, um den Zustand ihrer Schamlippen zu untersuchen. Die weiche Schwellung ist noch nicht ganz abgeklungen, wie ein Wirbel ebben die Spuren der Lust im erregten Gewebe zwar noch nach, aber es lassen sich weder Wunden oder Risse, noch andere Entstellungen mit bloßem Auge finden. Sie schließt beruhigt die Augen, stellt die beiden Füße nebeneinander und atmet tief durch. So verharrt sie für einen stillen Augenblick (=zeitlos), gewinnt Abstand von dem morgendlichen Manöver, und kommt mühelos wieder zu sich. Der geschlechtliche Verkehr mit Ernst ist für sie der Initiationsritus ihrer Identität. Aus ihm bezieht sie die souveräne Sicherheit ihres Standes und sozialen Position. (Kurz: die unbedingte Höflichkeit und vornehme Zurückhaltung der Gastgeberin einer Tischgesellschaft.) Sie öffnet erfrischt ihre reinen und unschuldigen Augen, hält ihre Haare zu einem Zopf gebunden hinter ihrem Kopf, um ihr Antlitz auf Makel hin zu untersuchen. Sie kann die Haare wieder zufrieden über die Schultern fallen lassen. Um die Augen herum ist sie zwar etwas mitgenommen, aber im Ganzen genommen gibt nichts Grund zu der Annahme, dass sie nicht gut um ihr Äußeres bemüht wäre. Sie streicht sich mit den Mittelfingern über die Augenbrauen, lächelt billigend, und steht auf. Während sie sich umdreht, um den Waschlappen aus dem Schränkchen zu nehmen, wirft sie einen Blick über die Schulter, und begutachtet die blauen Flecken auf ihrem Gesäß. Mit dem Ergebnis ist sie zufrieden, er ist nicht immer so in Form\und Fahrt. Heute hat er sie auffallend gründlich versohlt. Sie greift sich einen roten Lappen aus dem Fach, schließt schnell die Türe, und streicht sich mit dem Lappen zärtlich und tröstend über die brennende Haut. Sie genießt für eine längere Weile die sanfte Liebkosung, die nur durch die rohe Misshandlung zuvor ihre Anwendung finden kann. Allein um dieser wenigen friedlichen Minuten im Badezimmer wegen ist ihr das Sexualleben mit Ernst die Offenbarung ihrer Wünsche und Neigungen. Befriedigt beendet sie die Tröstung der beschädigten Stelle, erhebt sich wieder, und tritt ans Waschbecken. Erneut betrachtet sie prüfend ihre Züge im Spiegel, bevor sie den Warmwasserhahn langsam aufdreht. Sie stützt sich mit beiden Händen am Waschbecken auf und wartet einen Moment ab, bis das Wasser heiß wird. Mit der Linken wischt sie schnell unter dem Wasserstrahl her, um die Temperatur zu prüfen. Da das Wasser jetzt heiß ist, dreht sie den Hahn zurück und mischt kaltes Wasser dazu. Wieder wischt sie mit der Linken unter dem Stahl her, und stellt fest, dass das Wasser die richtige Temperatur hat. Sie schlüpft aus den Pumps, um sie sie gründlich abzuspülen. Während das Wasser läuft schüttelt sie das Wasser von den eleganten Schuhen ab, riecht kurz daran, und stellt sie zum Trocknen unter das zweite Waschbecken. Sie befeuchtet den Waschlappen unter dem Wasserstrahl, seift ihn dann gründlich ein, und reinigt zuerst ihr Geschlecht. Nachdem sie auch den Analbereich gereinigt hat, legt sie den benutzten Waschlappen weg. Sie holt sie sich einen frischen Waschlappen, und wäscht damit ihre braungebrannten Oberbeine, Schenkel und Füße mit Wasser und Seife ab. Sie stellt Wasser ab, legt den Waschlappen auf den Rand des Waschbeckens und trocknet ihre Hände ab. Sie geht für einen Moment in sich, um sich zu entscheiden und greift dann aus dem Toilettenschränkchen das Rosenöl. Sie gibt eine reichliche Menge davon in ihre Handfläche und verreibt mit Genuss und Geduld das duftende Öl in ihren Händen. Mit der Linken schiebt sie sachte die schmerzende Pobacke zur Seite, und massiert vorsichtig und mehrere Male über den halb geöffneten Anus. Nachdem sie auch den Geruch der Schamhaare und der Vagina mit dem lieblichen Balsam überdeckt hat, gleitet sie mit den eingeölten Händen liebevoll über ihren glatten Beinen auf und ab. Sie riecht abschließend an den Spitzen ihrer Fingern und stellt nichts unangenehmes mehr daran fest: Die Spuren der Leiblichkeit und der letzte Hauch der fleischlichen Begierde haben sich verflüchtigt. Sie summt leise den Schlussakkord der gelungenen Symphonie, während sie ihre Hände von Öl und Seife befreit. Sie geht dann in einem wohligen Nebel aus Rosenduft in das friedvolle Schlafzimmer, um sich für die vergnüglichen Pflichten, die der Vormittag ihr abverlangt, angemessen anzukleiden.
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- <h2>Fünftens</h2>
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- Ernst sitzt noch für eine Weile selbstgefällig in seinem strahlenden Glanz. Am Küchentisch. Seine geschlechtlichen Fähigkeiten sind nicht zu bestreiten. Er weiß aus langer Erfahrung, dass er jede Frau, auch eine frigide, und auch gegen ihren Willen, zum Gipfel führen kann. (Abwege und Irrwege.) Trotzdem sonnt er sich in jedem Sieg, den er ihr abgerungen hat, als wäre es sein erster. Er zeichnet sich ihrer sagenhaften Laute, das leise Wimmern\=Gurren, das Japsen und den ekstatische Urschrei, die aus ihr getreten sind, noch einmal nach: Voller Wonne leckt er sich dabei mit der Zunge über die Oberlippe, fasst sich dann mit Daumen und Zeigefinger an die Nasenspitze, und reibt sich zum Abschluss die patschenden Hände. Wie ein Händler, der gerade ein Geschäft abgeschlossen (und über die Bühne gebracht) hat. Gutgelaunt macht er sich jetzt, da er leiblich versorgt ist, an den Brief seines Bruders. Als er das vornehme Briefpapier in sicherer Entfernung vor sich hält, öffnet sich die Küchentüre, und seine Frau tritt wieder ein. Ohne sie zu beachten ließt er die kurze Mitteilung, die seine Schwägerin ihm macht, durch, ohne zu Stocken, legt das Papier kurz auf der Tischplatte ab, um sich die beiden Handflächen feste über das Gesicht zu ziehen, nimmt den Brief wieder auf, und liest ihn ein zweitesmal\erneut. (Nicht, weil er den Brief nicht gleich verstanden hätte, und nicht, weil er hoffen würde, das der Inhalt sich beim nochmaligen lesen als harmlos erweisen würde, sondern um seine Reaktion darauf planerisch gestalten zu können): Sein Bruder habe einen Infarkt erlitten, es sei mit dem Schlimmsten zu rechnen, und er möge so bald als möglich vorbeikommen, sein Bruder habe darum gebeten. Als er sich gefasst mit der Hand über den Mund wischt, stellt ihm seine Frau die Frage: „Von Wem ist denn der Brief?“ Er schaut ihr ins Gesicht, als würde er dort nach einer Antwort suchen, festigt sich endgültig und sagt: „Würdest du mir bitte den schwarzen Federhalter reichen?“ Sie ist gewohnt, seinen Wünschen ohne Umstände nachzukommen, und gibt ihm den Schreiber, der sich in einem Etui an seinem Rand des Tisches befindet. Während Ernst einen Fehler in der Zeichensetzung korrigiert, hat seine Frau das Interesse an ihrer Frage und dem Brief verloren, nippt an dem längst kalt gewordenen Kaffe, und blickt dabei gedankenverloren in die Leere, aus dem Fenster. (:Die Weide wiegt sich im herbstlichen Wind, und indem sie die lauen Sonnenstrahlen zwischen ihren Ästen und Zweigen bricht, strahlt sie die verwurzelte Ruhe der winterfesten Sträucher beim Wechsel der Jahreszeit sorglos aus.) Ernst nimmt sich selber das Funk-Telefon, erkundigt sich nach den möglichen Zugverbindungen für heute Nachmittag, und reserviert sich ein Ticket erster Klasse. „Würdest du mir bitte helfen, meine Reisetasche zu packen?“ Seine Frau ahnt zwar, dass er mit dem Brief keine guten Neuigkeiten erhalten hat, es hat zurzeit aber keinen Sinn, ihn nach den Gründen seiner Reise zu fragen. Es würde ihn nur unnötig reizen. Sie stimmt somit, ohne weitere fruchtlose Fragen über die Sache zu stellen, zu. (: Ja.) Ernst ist schon aufgestanden, ohne die Antwort abgewartet zu haben, öffnet die Türe, und geht durch den Rahmen. (Unerschütterlich.) Seine Frau schüttet hastig den letzten Rest Kaffe runter und folgt ihm, ohne im Vorbeigehen einen flüchtigen Blick auf den Brief geworfen zu haben.
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- <h2>Sechstens</h2>
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- In der Manier eines Mannes von Welt hat Ernst sich aus dem Taxi geschwungen, den Reisekoffer vom Fahrer in Empfang genommen, den Bahnhofsvorplatz mit federnden Schritten hinter sich gelassen, die Bahnhofshalle zielstrebig durchquert und soeben den Service-Raum der deutschen Bundesbahn betreten. Vor den Schaltern hat sich eine Schlange gebildet, der jeweils erste darin begibt sich an einen freiwerdenden Platz und trägt, vom Anstehen und Warten inzwischen missmutig geworden, seine Sache entsprechend ruppig vor. Im Gefühl der Überlegenheit ( die aus der freien Verfügbarkeit über die Zeit herrührt) reiht Ernst sich in die Schlange ein, nimmt die Reisetasche von der linken in die rechte Hand, und schaut auf seine Uhr: Das könnte knapp werden, mehr als fünfzehn Minuten hat er nicht, will er den ICE nach Hannover noch pünktlich erreichen. Ruhig und gelassen berechnet er den Zeitpunkt seiner Ankunft, sollte er den darauf folgenden Zug nehmen müssen. Die gespannte Atmosphäre um ihn herum, die von Zeitnot und Knechtsgeist Zeugnis gibt, hebt die Würde seiner Stellung nur umso stärker in sein aufgeblähtes Bewusstsein. Er schwillt davon an, und genießt den Vergleich seines gesicherten Ich mit der gehetzten Menge. (Auch hier: ganz der eingebildete Gockel) Schließlich ist er am Zug: Zögernd lässt er sich dazu hinab, den freigewordenen Schalter in gemächlichen Schritten zu betreten. Der Bedienstete begrüßt in höflich, schmiegt sich hündisch an die überlegene Macht, die sich vor ihm aufbaut hat, um zu richten. Ernst trägt sein Anliegen in bestimmten Worten vor: Er wolle das bestellte Bahnticket in Empfang nehmen. Der Bedienstete blickt zunächst erschrocken um sich, sucht dann nach einem Ausweg, und windet sich vor dem solventen Kunden in Ausflüchten, um ihn nicht vor den Kopf zu stoßen: Die Vorbestellung wird per Post zugestellt, der werte Kollege habe wohl einen Fehler begangen, unverzeihlich, gewiss, aber der Sachverhalt sei, trotz großem Bedauern, wohl so, wie gerade beschrieben. Ernst bleibt, ohne im Geringsten die Fassung zu verlieren, ganz der Herr der Lage. Gnädig und großherzig verzeiht er das Missgeschick. Er bittet um eine Fahrkarte für den nächsten Zug, inklusive Bahnverbindung, ja selbstverständlich: erster Klasse, und Raucher bitte. „Um Fünfzehn Uhr sechs auf Gleis vier, und zwanzig Minuten Aufenthalt in Hannover, Ankunft Achtzehn Uhr Vierzehn.“ Die Kundschaft wird an diesem Tag noch zu spüren bekommen, dass er es gewohnt ist, mit den Herren der Welt auf du und du zu sein. Ernst verstaut das Ticket und Getränkefreischein in der Innentasche des Jacketts. Er bedankt sich freundlich, wünscht einen angenehmen Tag und kehrt dem Schalter den Rücken zu. Betont lässig tritt er von der Bühne ab, die ihm einen seiner Auftritte möglich gemacht hat: Sich abzusetzen von der gewöhnlichen Art und Weise, wegen einer Unannehmlichkeit die korrekte Form zu vernachlässigen.<br/>
- Im Kaffe setzt er sich an einen Fensterplatz. Er schlägt sofort die Allgemeine wahllos in der Mitte auf, um anstatt der Lektüre das Treiben der Menschen in näheren Augenschein nehmen zu können. Er wird umgehend bedient, zündet sich eine Zigarre an, und freut sich schon an den letzten sommerlichen Kleidern. Der leichte Stoff weht über dem Beben der drallen Backen. Sie wollen sich dahinter wohl kaum verbergen, sondern vielmehr in Geltung gebracht werden. Ernst genießt das bunte und lebendige Treiben der neuesten Mode. Er schwingt innere Monologe über sein prächtiges Glied, erobert eine nach der anderen im Handumdrehen, vernascht die jungen Dinger scharenweise in der gekachelten Bedürfnisanstalt. Bekleckert sie dort mit seinem Ruhm, ohne nach ihren vergänglichen Namen fragen zu müssen. Die zwei Stunden sind wie im Flug vergangen. Ernst, in gute Laune versetzt, begibt sich zu dem entsprechenden Gleis. (Die eine oder andere Dame soll an jenem Abend unerklärlich erregt ihrem überraschten Gatten hitzig in die begriffslosen Arme gefallen sein, als wäre ein unheimlicher Anreiz plötzlich über sie gekommen. Aber das bleibt Legende.) Ernst bringt sich schon auf dem Bahnsteig in die Position der ersten Klasse. Er will den Unterschied zu den einfachen Leuten\ zum kleinen Mann, (Einfluss, Macht und Ansehen), auch sichtbar in Geltung gebracht wissen. Nach einer ausgiebigen Phase gelungener Selbstinszenierung will er einen oberflächlichen Blick über die wahllose Menge werfen, um dann gekonnt seine kostspielige Junghans-Uhr aus dem Ärmel zu schütteln, einige wichtige Schritte auf dem Bahnsteig zum Besten geben, und dann gemessen den Zug besteigen. Ernst blickt in Richtung der sonstigen Passagiere, um den
- Kopf sofort wieder abzuwenden, und wird, entgegen seiner Annahme und aller Erfahrung, von Niemandem beachtet. Auf die Schnelle lässt sich Nirgends ein triftiger Grund dafür finden. Um sich keine Blöße zu geben gibt er vor, in Gedanken von größter Wichtigkeit nur so vor sich hin zu gucken, im Nichts aus Bahngleise und Bahnhofsleere den Blick zu verlieren. Noch Nie ist ihm das vorgekommen. Rasch hat er sich wieder gefangen, und schaut sich gemächlich nach dem Geschehen um. Der Bahnsteig ist ungewöhnlich leer, nur einige aufgeregte Passagiere sind verblieben, und belagern den Bahnbediensteten (:aufdringlich\& mit nichtsnutzigen Fragen). Ernst begreift schlagartig, was vor sich geht und ihm in die Quere gekommen ist. Ein Blick auf die Anzeigentafel bestätigt seine vorläufige Annahme endgültig und restlos: Der Zug hat eine Verspätung von mindestens fünfundzwanzig Minuten. Er, Ernst, ist in den Schatten davon geraten, ein unglücklicher Zufall hat ihm den Auftritt verdorben. Er richtet sich gekonnt schwungvoll die Haare, hebt die Tasche vom Boden auf, und geht bis zum Ende von dem Bahnsteig, wo die Überdachung aufhört, ins Freie. Als wolle er die letzten Strahlen der herbstlichen Sonne genießen, kann er seinem Ärger unauffällig etwas Luft machen. Die Reise entwickelt sich zu einer Farce. Er wird sich gleich morgen bei entsprechender Stelle telefonisch beschweren, und, wieder zu Hause, ein gepfeffertes Schreiben zu dem Vorfall aufsetzen: Voll mit dem drohenden Potential der juristischen Phrasen. Er reibt sich schadenfroh die Hände, stützt sie dann auf die Brüstung, blinzelt über die strahlende Aussicht, und lächelt. So schnell lässt er sich nicht klein kriegen. (Vom Mut verlassen)
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- <h2>Siebtens</h2>
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- Fasst rutscht Ernst die Reisetasche aus der Hand, entschlossen hievt er sie in das Gepäcknetz, direkt über dem reservierten Fensterplatz. Was für ein Manöver. Er zieht energisch sein Sakko wieder glatt, indem den Aufschlägen reißt. Nach zweieinhalb Stunden Aufschub kann er sich endlich in dem gediegenen Sitz auf den Weg machen. Er holt, für einen Mann seiner Klasse etwas zu eilig, sein Zigarettenetui aus der Innentasche, zögert einen kurzen Moment, indem er schnaufend aus dem klaren Fenster schaut, öffnet dann das silberne Kästchen, greift sich eine Zigarillo, lässt das Etui in der sich schließenden linken Hand zuklappen, und legt es auf der Ablage ordentlich hin. Er holt sein Feuerzeug aus der Innentasche, zündet die Zigarillo damit an, bläst schnell hintereinander ein paar Wölkchen aus Rauch in die Luft, und legt dann das Feuerzeug neben das Etui auf die Ablage. Schon sind seine Gedenken von den Scherereien gelöst, den Ärger hinter sich gelassen, und macht es sich im Abteil bequem. Der Zug fährt an, und da kein weiterer Fahrgast das Abteil betritt, scheint er die Reise jetzt ungestört genießen zu können. Während der Zug die Stadt durchquert, und sie schließlich verlässt, raucht Ernst mit Genuss die bitteren Tabakblätter, lässt seinen Blick über die Dächer der Stadt schweifen, ohne großes Interesse an der sonnigen Aussicht zu haben, und bereitet sich emotional auf den Krankenbesuch vor. Sein Bruder und er sind immer wie zwei Streithähne mit schlagenden Argumenten aufeinander losgegangen, schon seit der frühesten Jugend hat der eine versucht dem anderen den Schneid abzulaufen. Er freute sich meist auf die scharfen Rededuelle, brauchte seinen Bruder in dieser Hinsicht auch nicht zu fürchten, denn er ist ihm rhetorisch haushoch überlegen, und hatte noch Tage nach der Abreise seine Freude an der Überlegenheit, mit welcher er seinem Bruder jeden Wind aus den Segeln der Sprache hat nehmen können. Dieses Treffen aber wird anders verlaufen, vermutlich wird er ihn das letzte Mal sehen, und Ernst weiß nicht recht, wie sie beide sich angesichts dieser neuen Situation zueinander verhalten werden. Ernst wendet sich von der Angelegenheit ab, indem er beschließt, so bald wie möglich wieder abzureisen. Er stellt sich nochmals die verschiedenen Variationen der Vereinigung mit seiner Frau vor die Augen. Die Einbildungskraft drängt ihm das Bild seines ansehnlichen Bolzens, blank gefettet und glänzend wie eine Kuchenform, in den inneren Blick. Verliebt in seinen stolzen Strempel, verweilt Ernst bei dem schönen Anblick. Alles, auch das Nichtswürdige erstrahlt für ihn unter dem Glanz, den der Leitstern seines Geschlechts der Welt aufzuprägen imstande ist. Er ist so sehr versunken in den Triumph seiner zahllosen Siege, dass er das Klopfen der Bahnangestellten zunächst nicht wahrnimmt. Sie hat den Servicewagen zum Stehen gebracht, und klopft nun ein weiteres Mal an die Fensterscheibe des Abteils. Ernst bittet sie durch ein höfliches Winken die Tür zu öffnen, und bestellt sich einen Kaffee und zwei kleine Cognac. Beim Kassieren stiert die junge Frau gebannt auf die deutliche Ausbeulung, fühlt sich, als sie wieder zu Sinnen kommt, wie ertappt, und überspielt die heikle Situation, indem sie eine unbedeutende Bemerkung über das Wetter fallen lässt. Ernst reagiert nicht auf ihre Worte, und fasst sie ins Auge. Er nutzt die schwache Position der kleinen Angestellten, die sich nicht wehren kann, schamlos aus. Nachdem er die Sache in die Länge gezogen hat, bezahlt er, und gibt er ihr eine Zwei Euro Münze Trinkgeld. Sie errötet und hält den Blick starr auf den Boden gerichtet. Sie fühlt sich sichtlich unwohl. Nach einer beträchtlichen Frist gibt er sie aus seinen Fängen endlich frei, da sie Ja wohl noch andere Gäste zu bedienen hätte, und wünscht ihr einen angenehmen Tag. Sie stolpert beim Verlassen des Abteils, und flüchtet sich in einiger Verwirrung über den Gang. Ernst schüttelt verständig den Kopf hinter ihr her, genießt dabei das wohlige Gefühl von Wärme und Leben, das ihm durch die vollen Gefäße aus fassbarem Fleisch und Blut strömt. Er verfeinert den Kaffee mit dem hochprozentigen Weinbrand und ordentlich Zucker, um sich damit in seliger Ruhe damit zu stärken. („Wer weiß, was wir Beide heute noch zu leisten imstande sein werden“, sagt er, und schwenkt dabei das abschwellende Licht seiner Lenden anerkennend in der Hand.) Die Asche der Zigarillo fällt ihm dabei zwischen die Beine. Er steht auf, reinigt den Sitz mit der flachen Hand von der Glut, und setzt sich wieder. Schon hat er die nebensächliche Episode vergessen. (Die junge Frau aber hat noch eine Weile an der fruchtlosen Demütigung zu knabbern gehabt, und soll den Blick für das Wesentliche fortan verloren hab. Was Ernst in den Sinn zu lassen nicht für nötig erachtet, in der penetrant bornierten Art und Weise der Menschen seines Schlages, die sich gerne gutgelaunt als brave Leute präsentieren, die ihren Spaß und es nicht so gemeint haben: Auf Kosten der Anderen, versteht sich)
- Bis Hannover ist es jetzt bestimmt noch eine Stunde Fahrtzeit, denkt Ernst. Er beschließt, ein kleines Nickerchen zu machen, um die Zeit nicht sinnlos verstreichen zu lassen. Die Entschlackung am Morgen und die Aufregung zu Beginn der Reise haben ihn über die gewöhnlichen Maße erschöpft. Er lässt den Pappbecher in den silbrigen Aschenkasten fallen, schließt sorgfältig den Deckel, verschränkt seine Arme vor der Brust, und senkt die schwermüden Lider. Die Sorge um den bevorstehenden Besuch, die körperliche Ermattung durch die Strapazen von privatem und öffentlichem Verkehr, sowie das Techtelmechtel mit dem drallen Ding, noch ganz die fleckenlose Unschuld, verschwinden sofort im fernen Nabel der Innenwelt. Der gute Ernst schläft ein, wie kein zweiter Gerechter in diesem Zug es tut.
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- <h2>Achtens</h2>
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- : \Die Toilettentür aus orange lackierten Spanplatten schwingt in den Scharnieren lautlos hin und her. Und hin und her, und hin und her. Als würde ein Fluch über dem ganzen Ort lasten, hängt entsetzlich die Stille in der Luft. Gebannt und schweigend schaue ich auf das beständige Schwingen: Und hin und her… Als mir vor Angst der Atem stockt, bemerke ich, dass auch der Atem in drückendem Schweigen vor sich gegangen ist. Ich lasse mich langsam und zögerlich von dem magischen Feld anziehen. Ich nehme die Türe in die Hand, um sie still zu halten, doch bevor ich sie zu fassen bekomme, kauere ich auf meinen Knien vor der Toilettenschüssel. Die Schüssel ist randvoll mit Kot. Mein Magen würgt unter Schmerzen seinen säuerlichen Inhalt vor, aber mich widert die Vorstellung an, mich hier zu erbrechen. Ich unterdrücke den Brechreiz unter Krämpfen, und will aufstehen. Als ich mich dafür auf dem Toilettenrand mit beiden Händen abstütze, beschmiere ich mich mit den abgelagerten Resten der Exkremente. Ich bleibe knien, öffne meine Hände und sehe sie mit gelähmtem Ekel an. In Panik suche ich nach einem Tuch oder nach Papier, um meine Hände zu reinigen. Jetzt sehe ich, dass auch die Wände restlos besudelt sind. <br/>
- „ Und soll ich das jetzt alles wegmachen?“, ein strenger Vorwurf liegt in der Stimme, die das Schweigen der Welt wie ein Schwerthieb durchbricht. Ich sage erst gar nicht, dass ich das nicht getan habe, weil es sinnlos wäre, zu widersprechen. Wütend fasse ich Mut. Ich lass mich nicht mehr davon unterkriegen. Kaum habe ich das gedacht, stehe ich schon hinter der Frau, die am Waschbecken keift. Sie ist unbekleidet, im Spiegel verfolge ich die Bewegungen ihre Brüste. Sie fuchtelt wütend an den Armaturen, macht sich daran zu schaffen, ohne etwas zu Stande zu bringen. Wahrscheinlich will sie sich waschen. Ihr Loch in ihrem Hintern ist nicht verschlossen, es pulsiert im Rhythmus der Worte. Wie ein Tier, denke ich, das sich zum Sterben in einem Gestrüpp verborgen hat. Ich stecke eine Pistole rein und drücke dann ab. Geilheit bis in alle Glieder dabei, als würde ich in Wasser tauchen: so schwerelos. Ein seltsames Wesen fließt in der Nähe vorbei. Es scheint keine strenge Grenze zur Außenwelt zu haben. Ohne zu zögern lasse ich mich hinter dem Geschöpf treiben. Ich habe das Gefühl, die Antwort auf eine quälende Frage sei mir in den Schoss gefallen. „Dass ich nicht früher darauf gekommen bin“, denke ich, „es ist unglaublich einfach“. Meine Begeisterung steigt, und ich werde von den Grenzen der Umgebung aufgesaugt. Dann habe ich ein Gefühl von Leere, Licht… und bleierne Erschöpfung…\ <br/>
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- Der Traum würde wohl hier im Unbewussten abebben, aber ohnehin wird der unruhig schlafende Fahrgast vom Kontrolleur vorsichtig an der Schulter gerüttelt, damit er den Fahrschein ordnungsgemäß abstempeln kann.
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- <h2>Neuntens</h2>
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- Verstört braucht Ernst ein wenig Zeit, um sich wieder in der Realität zurechtzufinden. Ohne sofort zu verstehen, glotzt er auf die steife Uniform, die ohne Regung vor ihm steht. Er versucht den Mann in Verbindung zu seinem Seelenzustand zu setzen. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn, begreift jetzt, wo er sich befindet, greift nach seiner Fahrkarte im Jackett, und hält sie dem unwirsch vor die Nase. Der Kontrolleur hat mit den perfekten Manieren der alten Schule gewartet, bis sich der Schlafende in die ungewohnte Lage eingefunden hat, ohne die Geduld zu verlieren. Die herablassende Geste von diesem schwitzenden Stück Fleisch mit den üblen Ausdünstungen aber will er nicht ohne den Widerstand des stolzen Staatsdieners, der die Ordnung der Verhältnisse aufrechterhält, und diese somit hinter sich weiß, über sich ergehen lassen. Wie festgewurzelt belässt er den Fahrschein in der speckigen Pranke, und schaut Ernst unverwandt an, ohne die Mine zu verändern. Ernst wird unruhig, und will seine Hand gerade ungeduldig zurückziehen, als die sauberen und gefeilten Finger mit festem Griff den Fetzen Papier doch noch an sich ziehen. Erst jetzt wendet der Schaffner den Blick langsam von Ernst ab, um in aller Seelenruhe den Fahrschein unter die Lupe zu nehmen. Den silberfarbenen Entwerter wiegt er dabei sachte in der freien Hand, um seinen Unmut über das unmögliche Benehmen schlagenden Ausdruck zu verleihen. Als Ernst ansetzen will, sich über die langatmige Abfertigung einer Lappalie beschweren zu wollen, indem er tief Luft holt, fährt ihm das stattliche Mannsbild eindrucksvoll in die Worte: „Sie haben den Zielbahnhof wohl verpasst, wir werden in Kürze in Hamburg einfahren“. Verblüfft werden Ernst die Brauen nach oben und der Kopf nach hinten gezogen. Um ihn vom Sachverhalt zu überzeugen fragt der fremde Mann noch kurz nach: „Hannover?“ Ernst weiß sich auf die Schnelle keinen Rat, und schweigt verdutzt. : „Sie wollten doch laut Fahrschein in Hannover den Zug wechseln?“ Als Ernst zögerlich nickt, versichert er ihm abermals, dass er zu spät erwacht sei, von Hamburg den nächsten Zug in Richtung Hannover nehmen müsse, und von dort seine Reise wie geplant wieder aufnehmen könne. Seine Ankunft würde sich dadurch allerdings mit Sicherheit in die frühen Abendstunden verzögern. Der Schaffner gibt Ernst die ungültige Fahrkarte wieder zurück, und sieht großzügig über die Entrichtung des regulären Fahrpreises, der jetzt fällig wäre, hinweg. Er nickt Ernst aufmunternd zu, verabschiedet sich, und verlässt das verqualmte Abteil sicher, selbstbewusst und zielstrebig, ohne von seinem Triumph auf dem glatten Parkett der Etikette durch wichtigtuerische Gesten etwas merken zu lassen. Ernst muss das Malheur zunächst einmal sacken lassen. Er schaut ohne Absicht aus dem Fenster, wo bereits bedeutungslose Vorstadtgegenden an ihm vorbeirauschen. Nach wenigen Minuten Nachdenken ruft Ernst seine Schwägerin an und teilt ihr kurz mit, dass sie aus dringenden Gründen erst morgen Vormittag mit seiner Ankunft zu rechnen habe. Er erkundigt sich noch nach dem gesundheitlichen Zustandes seines Bruders, der sich weder verbessert noch verschlechtert hat, und beendet dann das Gespräch. Sofort hievt er seine Tasche aus dem Gepäcknetz, stellt sie auf dem Sitz ab, ordnet seine zerknautschten Kleider, so gut es geht, wirft einen flüchtigen Blick in den Spiegel, und verlässt das Abteil der ersten Klasse. Er schlägt instinktiv die entgegen gesetzte Richtung des Schaffners ein, und reiht sich in die kurze Schlange vor den Ausgangstüren ein, um mit frischem Mut einem angenehmen Abend in der Metropole des maritimen Handels entgegenzusteuern.
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- <h2>Zehntens</h2>
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- Die Gesellschaftsdame lässt die mit purpurrotem Leder bezogene Tür ins Schloss fallen, nachdem sie Ernst mit einladender Geste den Ruheraum hat betreten lassen. Nachdem er sich im Hotel kurz frisch gemacht und im Restaurant einen kleinen Happen zu sich genommen hat, wollte er aus der verfahrenen Situation das Beste herausholen, und die Gelegenheit nutzen, es sich wieder einmal auswärts gut gehen zu lassen. An der Rezeption hat er sich nach den seinen Ansprüchen entsprechenden Möglichkeiten in dieser Hinsicht erkundigt, ein Taxi bestellt, sich dann für die Brünette im schwarzem Korsett entschieden, in deren Zimmer er jetzt seinen großen Auftritt genüsslich verzögert, um neugierige Spannung in Bezug auf sein Vollstreckungsorgan zu erzeugen. <br/>
- Ernst versinkt in taubblind in Verzweiflung. <br/>
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- Die halbe Schwellung löst sich unter der Lawine an Enttäuschung in nichts auf, und Ernst steht ratlos in der Mitte des Raumes, sein Glied hängt und er schaut zu Boden. Aus seiner Reaktion zieht sie den falschen Schluss: „Also Passiv?!“. Da Ernst nicht antworte, öffnet sie eine Schublade, und legt sich mit geübten Griffen das glänzende Godemiche um die Hüften. Ernst würde gerne gehen, aber auch dazu hat er keine Kraft. Auf ihr Zeichen lässt sich willenlos auf das Bett fallen, als wollte er seine Wut und Ohnmacht in die Kissen seiner einzigen Zuflucht weinen (= im mütterlichen Bett). Ohne mit dem ungelenken Gast noch weitere Umstände zu machen, dringt die Professionelle mit Hilfe von reichlich Gleitcreme weit in das innere Leben der Menschmaschine vor. Teilnahmslos nimmt Ernst die Stöße kaum wahr. starrt mit aufgerissenen Augen in die plastische Leere. Von Zeit zu Zeit kontrolliert ein sicherer Griff, ob sich eine männliche Regung durch die massive Bearbeitung der Darmflora eingestellt hat, um sogleich das schlappe Gehänge wieder baumeln zu lassen, und den treibenden Rhythmus erneut aufzunehmen. Zum dritten Mal wird Ernst falsch interpretiert, als er nach längerer Penetration weder ein steifes Glied, noch ein Lautzeichen der Lust zu Stande bringt.
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- Der große Schweiger scheint für Lola ein Liebhaber von Zucht und Ordnung zu sein. Sie holt eilig eine geeignete Rute hervor, mit der sie seinen geheimen Wünschen zu Diensten sein will. Unter den peitschenden Schlägen auf sein Gesäß bricht der Damm der versteinerten Gefühle auf, und die Tränen fließen Ernst über die alt gewordenen Wangen: Der Zauber, mit dem er sich und die Menschen in Atem gehalten hat, ist gebrochen; sein Heiligtum hat den Geist verloren. Ernst schaut unverstellt auf die Niederlage, die sein Leben ist.
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- Als Lola die Rute ruhen lässt, und dann mit dem Instrument aus hartem Plastik wieder in den weichen After dringt, verliert er die endgültig die Kontrolle. Wie durch einen Stich in den Darm rast ein Haufen Kot durch die verwundenen Gänge. Ernst lässt den Dingen ihren Lauf. <br/>
- Lola springt auf. Sie hat jetzt endgültig genug, schmeißt entnervt das Godemiche auf die beschmutzten Lacken, geht zum Haustelefon, drückt auf die Kurzwahltaste, nennt ihren Namen, und sagt: „Es gibt Probleme“. Nach einer kurzen Pause, in welcher am anderen Ende der Leitung offensichtlich eine Frage gestellt wird, sagt sie: „Nein“, und legt auf. Sie sagt Ernst mit ruhig, dass er sich jetzt besser anziehen solle. Noch bevor Ernst die Schuhe zugebunden hat, betreten zwei imposante Wachmänner in eleganter Kleidung den Raum, greifen Ernst an den Armen, und befördern ihn zum Hinterausgang. Vor der Tür bekommt er ein paar flache Schläge hinter die Ohren, und wird mit einem Fußtritt in die Nacht gejagt.
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- <h2>Elftens </h2>
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- In Hannover wühlen sich die Menschen am frühen Morgen durch den Bahnhof, um dann für einen acht Stunden Tag von der sichtbaren Oberfläche der Welt zu verschwinden. <br/>
- Ernst konnte die Nacht über nicht schlafen, obwohl er alles Hochprozentige aus der hoteleigenen Minibar nach und nach ausgetrunken hat. Eben sowenig haben sich leise Anzeichen von einem Alkoholrausch eingestellt. Der Schock im Bordell wirkt nach, und die Spannung ist zu enorm, als dass der Körper für der Müdigkeit oder dem Alkohol nachgeben würde. Am frühen Morgen hat Ernst das Hotel fluchtartig verlassen, gerädert und ohne sich einer Morgentoilette zu unterziehen, ein Taxi zum Hauptbahnhof genommen, und am Schalter zunächst einmal ein Ticket nach Hannover genommen. Ob er von dort wieder nach Hause oder zu seinem Bruder weiterreisen wird, weiß er zu diesem Zeitpunkt noch nicht, da er keinen Entschluss fassen kann. In Hannover glaubt er sich in Bezug auf sein weiteres Vorgehen festlegen zu können. Doch auch während der Zugfahrt starrt er lediglich lethargisch vor sich hin, ohne die weitere Planung seiner Reise in Betracht nehmen zu können. Nicht einmal der Schaffner, mit dem Ernst gestern gehörig aneinander geraten ist, beachtet ihn weiter. Er stellt erst im Hinausgehen fest, dass er den unrasierten Fahrgast mit der Fahne vom Vortag her kennt, und wundert sich über die unverhältnismäßig große Veränderung in einem so kurzen Zeitraum. Es ist ja nicht nur das heruntergekommene Äußere, was im Vergleich mit der gehobenen Kleidung in die Augen fällt. Gestern war der ungehobelte Fahrgast selbst im Schlaf aufdringlich präsent, heute dagegen umgibt ihn ein Schleier von Nichts, kaum mehr als die Abwesenheit von Leere.
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- Unentschlossen steht Ernst vor dem großen Denkmal auf dem Bahnhofsvorplatz, holt mehrfach sein Handy aus der Innentasche, um es sogleich wieder darin verschwinden zu lassen, und schlürft schließlich durch die Einkaufszone, um wieder zur Besinnung zu kommen. Die Sache wird ihm unheimlich, und es wird ihm mulmig zu Mute. Er trinkt an einer Getränkebude mehrere Kaffe mit Schuss, um das unangenehm flaue Gefühl wieder los zu werden. Dann nimmt er sich noch zwei Reservefläschchen mit auf den weiteren Weg, und versinkt schon nach wenigen Schritten in den apathischen Nebeln einer Vision, die ihn aus seinem Inneren überkommt und versucht, seinem angeschlagenen Ich Ausdruck zu verleihen: <br/>
- Er schleppt sich durch die Ruinen einer besiegten Welt. Die knochenschädelig harten Gesichter der Besiegten weichen seinen forschenden Blicken aus, doch kaum ist er an ihnen vorbei gegangen, drehen sie sich nach ihm um und tuscheln. Er will mehrmals Auskunft einholen, aber sobald er auf eine der unheimlichen und verhüllten Gestalten zugeht, löst sie sich auf. Ernst schaut kurz auf den Boden, und als er den Blick wieder hebt, sind sie alle weg. Auch sonst sind keine Lebewesen zu sehen, und auch die Gebäude sind verschwunden. Er muss am Rande der Stadt in die Wüste geraten sein, aber es ist auch kein Sand zu sehen, und keine glühend heiße Sonne türmt sich im Himmel auf. Ernst geht stumm weiter. Endlos. Die Schnürbänder, die das Schuhwerk zusammenhalten, sind zuerst zerrissen. Dann die Sohlen derselben. Schließlich hängen ihm die Kleider in Fetzen an den Gliedmaßen, während ein Fuß schleppend vor den anderen fällt…
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- <h2>Zwölftens</h2>
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- Ernst konnte keine neuen Pläne mehr machen. Die Jahre sind an ihm vorübergegangen. Er hat die Bahnreise vergessen, seinen sterbenden Bruder, seine gefällige Frau, ihr Schacht, die vielen kleinen Pflichten des Alltags, die strengen Vorschriften des Lebens, seinen Namen, sein Alter und seinen Geburtsort. Sich treiben lassen, am fremden Ufer der letzten Leine. Kurzer Schlaf im Morgengrauen und kaum noch Nahrung: zusammengeklaubt aus den Resten von Überfluss und Zivilisation. Hier und da taucht in seinem Bewusstsein das Antlitz von seinem Sohn auf, den er damals im Zorn verstoßen hat. (Den trivialen Auslöser hat er längst vergessen, schon vor seinem Niedergang: dass er ihm ein Jurastudium finanziert hat. Er, der nichtsnutzige Sohn, sein eigen Fleisch und Blut, hat die Möglichkeiten, die sein Stand ihm geboten hat, nicht wahrgenommen. Philosophie hat er belegt, und sich den schönen Künsten verschrieben. Ernst hat ihn, als er dahinter gekommen war, sofort vor die Wahl gestellt. Ohne zu überlegen hat sein Sohn sich entschieden, und war damit für ihn, so glaubte er damals, ein für allemal gestorben.) Jetzt taucht nur noch das fragende Gesicht des Sohnes vor Ernst auf, mit den großbraunen Augen. Ernst glaubt jetzt die Antwort auf die Fragen zu wissen, die nie an ihn gestellt werden konnten, von seinem Sohn nicht, und auch sonst von Niemand. Mit trauriger Verwunderung schaut Ernst auf den immergleichen Gang des Lebens: Es ist zu spät, die Zeit hat ihr: „Es war“ gesprochen. Sein Sohn ist ihm verloren gegangen, und er selbst hat die Stimme und die Wörter verloren, jetzt, wo er zu ihm sprechen könnte. Nur gelegentlich kündet eine Träne, die Ernst über das verschmutzte Gesicht läuft, von dem Ereignis, das ihm die Augen und Ohren geöffnet hat, für die Frage, die das Angesicht des Anderen an jeden Menschen stellt. Immerzu und Überall. Sein Klagegesang darüber verebbt gleich darauf, noch bevor er laut werden kann, in einem schmerzlichen Seufzer, und eine Stille legt sich wie ein schauerlicher Fluch über seine Seele.
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- Die aufdringlichen Säufer, die jeden Tag ihre Runde ziehen, haben gerade Posten vor Ernst bezogen, und sprechen über sein seltsames Wesen. Dass er aussieht wie ein Dackel, ist die einhellige Meinung. Und dass er wohl der große Schweiger ist, und sich für etwas Besseres zu halten scheint. Einem neuen Mitglied der Gemeinde wird in schwelgenden Worten von dem riesigen Glied berichtet, das der Schweiger wie einen ledernen Knüppel zwischen seinen Beinen trägt. Als er johlend dazu ermuntert wird, ihre Worte zu beglaubigen, blickt Ernst auf. Er schaut kurz in die Runde, die erwartungsvoll schweigt, erhebt sich, öffnet seine Hose, und lässt sie zu Boden fallen. Zwischen den krustigen Haaren hängt eitrig das hässliche Monstrum und Monument der verletzten Vergangenheit in der Luft. Ernst hebt seinen Schwanz in die Höhe und zeigt ihn rum. „Tatsächlich“, sagt der Neuling, „das ist eine echte Sensation unter der Sonne“. Ernst zieht sich die Hosen hoch, und setzt sich wieder auf die Bank. Sofort lässt er den Blick wieder auf den Schotter der ausgetretenen Wege fallen. Die Meute zieht ab, und versucht in immergleichen Wiederholungen zu klären, ob in bei einem solchen Prügel die Versteifung gesundheitliche Schäden, wie etwa einen Blutsturz, nach sich ziehen würde. <br/>
- Ihr Nachmittag ist damit gerettet.
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